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Kerstin Eisenreich zu TOP 3: Maßnahmen gegen Preistreiberei im Energie- und Kraftstoffsektor

Sehr geehrte Damen und Herren,
bereits 2021 mit der konjunkturellen Wiederbelebung der Wirtschaft nach mehr als einem Jahr Pandemie begannen die dramatischen Preisexplosionen für Energie und Treibstoffe. In der Folge stiegen auch die allgemeinen Lebenshaltungskosten, insbesondere die Preise für Lebensmittel. Schon von September bis Dezember des vergangenen Jahres, also lange vor dem Krieg in der Ukraine, kam es nach Angaben des deutschen Mieterbundes zu Preissteigerungen bei Öl und Gas von 50 bis 99 Prozent. Die drastischen Strompreiserhöhungen führten reihenweise zu Insolvenzen von Energieunternehmen, die jahrelang mit Billigangeboten lockten. Und die Grundversorger, die die betroffenen Kunden auffangen mussten, erhöhten die Preise für die Grundversorgung erheblich, bei Strom im Durchschnitt um 60 Prozent, d.h. etwa 985 Euro und bei Gas um 76 Prozent, also 1147 Euro pro Jahr. Die allgemeine Teuerungsrate war schon im Dezember auf 6 Prozent gestiegen.
Seit Beginn des aufs Schärfste zu verurteilenden völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine laufen die Kosten weiter aus dem Ruder. Die Menschen blicken mit großer Sorge auf die Anzeigen an den Tankstellen und fragen sich, wie das alles weitergehen soll.
Die Leidtragenden sind Familien, Rentner*innen, Arbeitnehmer*innen, Mieter*innen und Gewerbetreibende. Sie kämpfen derzeit tagtäglich darum, irgendwie über die Runden zu kommen. Der Krieg bzw. die Sanktionspolitik haben die bereits vorhanden Preisentwicklungen weiter verschärft. Gleichzeitig füllen sich jedoch die Eigentümer von Aldi, Lidl und Co. die Taschen und auch die Mineralölkonzerne fahren seit Kriegsbeginn TÄGLICH Extragewinne von etwa 107 Millionen Euro ein. Und schaut man sich die Liste der Abzocker an, dann wird diese von deutschen Unternehmen mit etwa 38,2 Millionen Euro angeführt, wie aus einer Analyse von Greenpeace hervorgeht. So kommt auch der ADAC-Präsident Hillenbrand zu dem Schluss, dass die hohen Kraftstoffpreise nicht nur auf eine veränderte Marktnachfrage zurückzuführen seien, sondern die Kraftstoffpreise künstlich hochgehalten würden. Damit wird deutlich, dass alle bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Preisexplosionen bei den Menschen nicht ankommen. Sie laufen nicht nur ins Leere, sondern subventionieren im Gegenteil diese Preistreibereien. Anstatt also die Konzerne ordnungs- und wettbewerbsrechtlich an die Leine zu legen, bereichert sich die Ölindustrie laut Greenpeace munter weiter auf Kosten des Klimas und ziehe uns mitten in einem furchtbaren Krieg schamlos über den Tisch.
Das muss aber nicht so sein. Denn während Vertreter*innen der Bundesregierung meinen, dass Wohlstandsverluste unvermeidlich wären, ist es doch eine Frage der Prioritätensetzung. Für wen macht man Politik, für Verbraucher*innen oder Konzerne? Lässt die Regierung zu, dass Konzerne wie Trittbrettfahrer auf dieser Welle reiten und zusätzliche Gewinne abschöpfen, um ihre Rendite zu erhöhen oder nutzt die Regierung ihre Möglichkeiten, um die Verbraucher*innen davor zu schützen oder die Gewinne an sie zurückzuführen?
Insofern ist es doch absolut legitim und im Interesse des Allgemeinwohls, diese illegitim erzielten Gewinne abzuschöpfen.
Leider hat Wirtschaftsminister Robert Habeck einen Rückzieher bei der Anfang März angekündigten Besteuerung von sogenannten „Kriegsgewinnen“ gemacht, obwohl auch die EU-Kommission am 8. März eine Besteuerung sogenannter „übermäßiger Erlöse“ empfohlen hatte. Ganz offensichtlich schreckt also die Bundesregierung davor zurück, genau diese Gewinne anzutasten. Das ist völlig unverständlich angesichts der eindeutigen Faktenlage, wie sich die Unternehmen gerade bewusst und gezielt auf Kosten der Allgemeinheit bereichern.
Diesem Treiben muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Dazu braucht es wirksame Maßnahmen, da alle bisherigen von der Bundesregierung ergriffen Maßnahmen dafür nicht ausreichend sind und sich dieses Problem nicht von selbst oder allein über marktwirtschaftliche Mechanismen lindern geschweige denn lösen wird. Die Linksfraktion fordert daher mit dem vorliegenden Antrag mehrere Maßnahmen, die auf der Bundesebene umzusetzen sind und daher ein entsprechendes Handeln der Landesregierung erfordern.
Die bislang aufgelaufenen Gewinne sollen abgeschöpft und damit der Allgemeinheit zugeführt werden. Dazu schlagen wir eine Ergänzungsabgabe zur Körperschaftssteuer wie im Grundgesetz in Artikel 106 aufgeführt vor.
Wir fordern zudem, dass das Bundeskartellamt dringend die erforderlichen Befugnisse erhält, die Preisbildung in der Strom-, Gas- und Mineralölwirtschaft und alle Wertschöpfungsketten wirksam zu überprüfen. Dies schließt damit auch Raffinerien und Tankstellen ein. Ergibt sich aus dieser Überprüfung, dass die Preise unangemessen höher liegen als die eigentlichen Kosten, müssen diese überhöhten Entgelte an die Kund*innen zurückgezahlt werden. Davon sollen auch kommunale Energieversorgungsunternehmen profitieren, die diese überhöhten Preise an ihre Kund*innen weitergeben mussten. Dazu ist ein entsprechender Mechanismus für die Erstattung erforderlich.
Doch Preiskontrollen und Überwachung allein werden nicht ausreichen, um der Abzocke Einhalt zu gebieten. Hierzu sind wirksame Sanktionen gegen die Unternehmen notwendig. Deshalb muss das Energiesicherungsgesetz dringend novelliert werden. Auf dieser Grundlage müssen per Rechtsverordnungen die Einführung von Höchstpreisen und die Unterbindung von Dumpingpreisen für Energieträger durchgesetzt werden. Und das ist doch kein Hexenwerk. Andere Länder in der Europäischen Union haben längst die Energiepreise gedeckelt. Beispielsweise hat Frankreich dies bereits im Herbst vergangenen Jahres beschlossen. Spanien und Portugal wollen über eine Gaspreisdeckel in die Preisbildung des Strompreises eingreifen, da dieser an den Gaspreis gekoppelt ist.
Damit aber auch der lebenswichtige Bedarf an Energie für die Bürger*innen effektiv gesichert wird, muss das Energiesicherungsgesetz endlich auch die Energiesicherheit für Menschen mit geringem Einkommen sicherstellen. Deshalb fordern wir, dass endlich ein Verbot von Strom- und Heizsperren ergänzt und gesetzlich festgeschrieben wird. Diese soziale Komponente im Gesetz ist längst überfällig und wird von meiner Fraktion seit mehreren Legislaturen auch hier im Landtag gefordert. Wie lange sollen denn die Menschen noch darauf warten!
Im Übrigen könnte der im Energiesicherungsgesetz definierte lebenswichtige Bedarf erweitert werden. Das heißt, dass neben der Erfüllung öffentlicher Aufgaben und internationaler Verpflichtungen auch die Sicherung des Industriestandortes Deutschland und seiner Lieferketten aufgenommen wird.
Ein weiterer Eingriff, um Missbrauch und Gesetzesverstößen entgegenzuwirken und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, ist aus unserer Sicht die treuhänderische Verwaltung von Unternehmen im Bereich der Energieträger, Energieerzeugung etc., wenn sie die Energieversorgung gefährden oder stören bzw. wenn die Gefährdung oder Störung mit marktgerechten Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig zu beheben ist oder unverhältnismäßige Mitteln erfordern. Zur Umsetzung einer treuhänderischen Verwaltung sind ergänzende gesetzliche Voraussetzungen zu schaffen. Und Überraschung: Vor drei Tagen hat die Bundesregierung eine Novelle des Energiesicherungsgesetzes beschlossen, mit weitreichenden Handlungsmöglichkeiten für den Bund und Behörden zur Krisenbewältigung. Dazu gehört, dass Unternehmen, die kritische Energieinfrastrukturen betreiben, bei Bedarf treuhänderisch verwaltet werden können, das heißt, wenn sie ihre Aufgaben nicht mehr hinreichend erfüllen und die Versorgungssicherheit bedroht ist. Na immerhin. Im Übrigen hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erst kürzlich die Bundesnetzagentur (BNetzA) als Treuhänderin für die deutsche Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom eingesetzt, hier allerdings auf Grundlage des Außenwirtschaftsrechts.
Im Gesetzentwurf ist sogar ein noch weitergehender Schritt als Ultima Ratio vorgesehen: Wenn die Energieversorgung nicht anders gewährleistet werden könne, sei unter klar benannten und engen Bedingungen auch eine Enteignung möglich. Man möchte sich verwundert die Augen reiben. Aber offenbar ist man auf der Bundesebene endlich zu der Einsicht gelangt, dass der Markt in Krisensituationen die Versorgungssicherheit eben nicht mehr garantiert. Ich wünschte mir diese Erkenntnis möge weiter um sich greifen, insbesondere, wenn es um die Daseinsvorsorge geht.
Bleibt abzuwarten, wie der vollständige Gesetzentwurf aussieht und wie er dann hoffentlich beherzt umgesetzt wird. Gerade vor diesen Entwicklungen ist unser heutiger Antrag aktueller denn je.
Letztendlich müssen sich die Regierungen fragen lassen: Vertreten sie mit ihrer Politik tatsächlich die Interessen der Menschen oder doch die der Konzerne? Haben sie den Mut, mit scharfen Regeln und allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln endlich gegen die Profitgier vorzugehen und die Verbraucher*innen zu entlasten sowie die Versorgungssicherheit zu garantieren? Oder knickt man vor den Interessen einzelner Konzerne wieder ein und trägt das Mantra vor sich her, dass der Markt dies reguliere? Diese Fragen müssen auch wir uns stellen. Entsprechend liegen die Vorschläge unserer Fraktion vor. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.