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Kerstin Eisenreich zu TOP 2: Wertschöpfungsstrategien für den ländlichen Raum

Anrede,

Mit dem vorliegenden Antrag greifen die regierenden Parteien ein Thema auf, dass alle bewegt, und zwar seit mehr als 20 Jahren. Allerdings enthält er nichts Neues und wirft die Frage auf, warum bis heute nichts passiert ist. Warum beginnt die Umsetzung von Debattenvorschlägen der 90er Jahre von Kollegin Heidecke erst jetzt?

Für DIE LINKE sind regionale Wertschöpfungsketten von elementarer Bedeutung. Denn sie tragen entscheidend zur Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge im ländlichen Raum bei. Wir sehen somit in der regionalen Wertschöpfung keinen Selbstzweck, sondern sie hat aus unserer Sicht in der letzten Konsequenz die Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge zum Ziel.

Deshalb haben wir bereits 2011 in unseren Konzepten formuliert, dass es uns um die Entwicklung der ländlichen Räume durch die Stärkung der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft, auf der Grundlage regionaler Wirtschafts- und Stoffkreisläufe, sowie einer ökologisch und bedarfsgerecht ausgerichteten Produktion geht. Das heißt, wir wollen insbesondere jene Wirtschaftszweige und Wirtschaftsstrukturen erhalten, neu oder wieder ansiedeln, die sich mit der Eigenart des jeweiligen ländlichen Raums vereinbaren und eine Zerstörung seines typischen Charakters und insbesondere seines ökologischen Potenzials nicht erwarten lassen.

Und genau das hat die Landesregierung jahrelang versäumt. Wie in allen Wirtschaftsbereichen war und ist deren Strategie die Ansiedlung von großen Unternehmen, hier insbesondere große Tiermastanlagen oder auch große Verwertungsproduktionen, wie in Weißenfels. Welche Folgen das hat, ist mit dem Beispiel Straathof hinlänglich bekannt.

Richtig ist, dass die Land- und Ernährungswirtschaft ein wichtiger Bestandteil der regionalen Wertschöpfung im ländlichen Raum ist. Aber das bedeutet, regionale Erzeuger zu stärken, die Förderung stärker auf den Anbau, die Verarbeitung und die regionale Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse für die Ernährungswirtschaft zu konzentrieren und es bedeutet nicht, Tierkonzentrationen zu fördern.

Hinzu kommt, dass der ökologische Landbau neben der Regionalität als Querschnittsthema in der Entwicklung von Strategien zu berücksichtigen ist. Hier sind uns andere Bundesländer um Längen voraus. So hat Thüringen am Dienstag sein fertiges Konzept „Regionale Wertschöpfungsketten in der Land- und Ernährungswirtschaft in Thüringen“ vorgestellt. Dieses Konzept enthält Strategien, Leitbilder, Oberziele, Unterziele, Handlungsfelder.

Darin heißt es in der Präambel unter anderem - ich zitiere - „Regionale Wertschöpfungsketten und Wirtschaftskreisläufe können durch die Erschließung kleinteiliger, dezentral strukturierter Wirtschaftspotenziale erheblich zur Entwicklung und zum Erhalt der Lebensqualität in ländlichen Räumen beitragen. Neben ökonomischen Vorteilen für die Region, wie positivem Einfluss auf Einkommen und Beschäftigung, bieten regionale Wirtschaftsstrukturen teilweise ökologische Vorteile, wie die Einsparung von Transportwegen und stärken den partnerschaftlichen Gedanken, die Direktbeziehungen und das Engagement der Akteure vor Ort. Regionale Produktions-, Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen, die sowohl regionale Tradition als auch regionale Innovationspotenziale nutzen, geben der Region Identität. Mit regionalen Wertschöpfungsketten der Land- und Ernährungswirtschaft wird gleichzeitig der verstärkten Nachfrage nach regionalen Produkten auf Seiten der Verbraucher Rechnung getragen.“ Wichtig erscheint mir an dieser Stelle zu erwähnen, dass das Thüringer Konzept nicht losgelöst von anderen wirtschaftspolitischen Konzepten und Strategien zu betrachten ist, sondern ein Baustein und integraler Bestandteil regionaler Wirtschaftspolitik ist. Vielleicht werfen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, mal einen Blick hinein.

Wir sehen Vernetzung und Koordination als selbstverständliche Aufgaben der Investitions- und Marketinggesellschaft und der Agrarmarketinggesellschaft, wenn es um die Umsetzung von Wertschöpfungsstrategien geht. Beide Strukturen haben aus unserer Sicht dabei eine Schlüsselstellung und diese sollten sie auch wahrnehmen.

Bei der Finanzierung muss es endlich gelingen die vorhandenen Förderinstrumente der EU besser zu kombiniere. Außerdem sind relevante Förderlücken zu identifizieren und zu schließen, d.h. nicht nur mit Bundes- sondern auch mit Landesmitteln, um z.B. Anschubfinanzierungen zu ermöglichen.

Die Idee der Dorfgemeinschaftsläden ist ebenfalls nicht neu. Aber genau hier zeigt sich das Versagen bei der kontinuierlichen Fortführung von Modellprojekten. Denn mit EU-Förderung eingerichtete Dorfgemeinschaftsläden kämpfen seit Langem ums Überleben oder haben bereits wieder geschlossen. Und zum digitalen Marketing fällt mir nur ein zu sagen: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Denn diese Forderung bedeutet, dass bei der digitalen Infrastruktur endlich rangeklotzt wird.

Alles in allem ein wenig ambitionierter und sehr zaghafter Antrag, der zwar nichts Falsches sagt aber zeigt, dass über die vielen Jahre nichts passiert ist. Wir verwehren uns dem Anliegen des Antrages nicht, aber für unsere Zustimmung hätte es mehr Substanz bedurft.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.