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Henriette Quade zu TOP 7: Demokratie und Rechtsstaat stärken

Anrede,

die Ermordung von Dr. Walter Lübcke hat meine Fraktion und mich, wie viele andere, schockiert. Wir schließen uns der Anteilnahme an und sprechen seiner Familie unser Mitgefühl aus, wie dies viele getan haben in den letzten Wochen, bis hin zu antifaschistischen Gruppen. –– Die Koalitionsfraktionen haben nun auch einen eigenen Antrag zur Bekämpfung von rechtem Terror und rechter Gewalt vorgelegt und das begrüßen wir als Fraktion DIE LINKE ausdrücklich. Ihr Antrag ist ein gutes Zeichen, und mit beiden hier zur Debatte stehenden Anträgen und der Debatte selbst, senden wir das klare und nötige Signal, dass alle demokratischen Fraktionen den Kampf gegen die extreme Rechte als gemeinsame Aufgabe begreifen.

Dass sie allerdings selbst bei einem rechts motivierten Mord „Linksextremismus“ und „religiös motivierten Extremismus“ aufführen, scheint der merkwürdigen, falschen Vorstellung geschuldet, man könne das eine nicht ohne das andere erwähnen, auch wenn keinerlei Zusammenhang besteht.

Anrede,

Die Hetze gegen Dr. Walter Lübcke bis zu seiner Ermordung zeigt exemplarisch, welche Folgen das Erstarken der extremen Rechten in den vergangenen Jahren hatte und hat, in welcher Breite sich extrem rechte Einstellungen manifestieren, wohin sie führen und das es nicht weniger als ein politischer und moralischer Zusammenbruch in Teilen der bürgerlichen Gesellschaft ist, den wir in den letzten Jahren erleben. Das ist die Zäsur, die ich sehe.  Es war Erika Steinbach, ehemals Bundestagsabgeordnete der christlich-konservativ geprägten, bürgerlichen CDU, die den Hass gegen Dr. Lübcke schürte, offensichtlich enthemmt, ganz auf Linie der extremen Rechten, weit entfernt vom programmatischen Anspruch ihrer ehemaligen Partei. Es geht also nicht nur um Gewalttaten, es geht nicht nur um vermeintliche „Ränder“ der Gesellschaft, wenn wir ernsthaft über Rechtsextremismus, Neonazismus und Faschismus sprechen wollen und wirksam dagegen vorgehen, es geht darum die politische Ideologie hinter den Worten und Taten zu analysieren, sie zu benennen und sich ihr zu widersetzen. Rechte Gewalt ist zwangsläufige Folge von rechter Ideologie; der Widerspruch gegen sie muss dort beginnen, wo die Worte beginnen, nicht wo sie ihr Ende in den Taten finden. Die ehemaligen CDU-Generalsekretäre Peter Tauber und Ruprecht Polenz haben das klar und deutlich getan und gezeigt, dass sie erkennen, dass der CDU aus ihrer Verankerung in der bürgerlich-demokratischen Gesellschaft eine Aufgabe und Verantwortung für diese Gesellschaft erwächst die auch bedeutet, sich klar gegen die extreme Rechte zu positionieren und auch unter diesem Gesichtspunkt begrüßen wir den gemeinsamen Antrag der Regierungsfraktionen. Denn die Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, die Angehörigen der mehr als 169 Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung haben die Ermordung von Dr. Lübcke eben nicht als Zäsur erlebt, sondern als fortschreitende Eskalation rechter Gewalt und rechten Terrors. Die Tatsache, dass erst der Mord an einem Politiker, an einem von uns, die tödliche Dimension rechter Gewalt ins Bewusstsein Vieler bringt, ist Teil des Problems.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als LINKE- Fraktion sehen wir, dass sie mit der Forderung nach einem Verbot von „Combat 18“ einen wichtigen Teil unseres Antrags übernommen und erweitert haben.

In ihrem Antrag schreiben die Koalitionsfraktionen, „Der Landtag wird alles in seiner Macht stehende unternehmen“ um eine offene Gesellschaft zu bewahren. Nun – schauen wir uns den Antrag konkret an finden wir hier Bitten an die Landesregierung, Behörden dazu anzuhalten, ihre gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen; wir finden richtige Bekenntnisse und Feststellungen; wir finden Bitten sich für gesellschaftlichen Zusammenhalt einzusetzen und bestehende Maßnahmen fortzusetzen – falsch ist das alles nicht, deswegen kann man, wenn man nicht Teil der extremen Rechten ist, dem kaum nicht zustimmen.

Wenn wir uns allerdings die Beschlussfassungen der letzten Jahre zu diesem Thema, die wir einmütig getätigt haben, anschauen, sehen wir eben auch: Die Stärke dieser Einmütigkeit ist die Gemeinsamkeit, die Schwäche die Inkonsequenz und Folgenlosigkeit. Es gibt eine Reihe von Beschlüssen mit Bitten an die Landesregierung und an Behörden, die eben nicht zu einer Veränderung der Praxis geführt haben. Mit dem heute nun vorliegende Antrag werden diese und zum Teil dieselbe Bitten fortgeschrieben. - Bei aller Einigkeit in der Motivation -  damit tun wir gerade nicht alles, was in der Macht dieses Landtages steht, um gegen rechten Terror und die extreme Rechte vorzugehen.

Genau das ist aber, meine Damen und Herren, unsere Verantwortung als Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Die Republik lässt sich nicht alleine mit freundlichen Bitten an die Landesregierung und mit Bekenntnissen verteidigen, dazu braucht es konkrete Maßnahmen und genau solche haben wir Ihnen mit unserem umfangreich begründeten Antrag vorgelegt. Es sind, um auch das zu sagen, beileibe nicht alle unsere Forderungen, es sind diejenigen, von denen wir überzeugt sind, dass sie bei ernsthafter Würdigung und Debatte eine Mehrheit bei den demokratischen Fraktionen in diesem Haus finden können – vor dem Hintergrund der Festlegungen im Antrag der Koalitionsfraktionen umso mehr. Ich will dabei in der verbleibenden Redezeit einige Punkte herausheben: (01)Seit Jahren stehen Polizei und Justiz in Sachsen-Anhalt für ihren Umgang mit rechten, rassistischen und antisemitischen Straftaten immer wieder bundesweit in der Kritik, einige Beispiele haben wir in der Begründung unseres Antrags ja auch genannt. Wir haben erst jüngst sehen müssen, dass die Richtlinie des Justizministeriums zum Umgang mit politisch motivierten Straftätern nicht konsequent umgesetzt wird. Das kann ja auch nicht im Interesse der Justizministerin sein und deshalb ist eine externe wissenschaftliche Evaluation nicht nur nötig, sondern auch naheliegend. Um die Verfolgung rechter Taten wirklich intensiveren zu können, braucht es, neben einer ausreichenden personellen und sachlichen Ausstattung vor allem die Behebung bestehender Defizite. Die externe wissenschaftliche Evaluierung kann dazu beitragen, die Ursachen dieser Defizite festzustellen und damit Ansätze für deren Behebung liefern. Effektive Strafverfolgung braucht nicht Appelle, sie braucht eine konkrete Fortentwicklung der zuständigen Behörden, und genau darum geht es mit diesem Punkt.

Die Bekämpfung von rechter Gewalt und der extremen Rechten hat nicht nur eine sicherheitspolitische Dimension, sondern auch eine gesellschaftspolitische - das macht die heutige Debatte ja auch deutlich. Diejenigen in der Gesellschaft, die sich für die Demokratie engagieren, brauchen Unterstützung und Förderung. Dazu muss das Landesprogramm ausgebaut, die Antragstellung vereinfacht und der Beirat um die Expertise lokaler Bündnisse gegen Rechts erweitert werden und natürlich, das wissen alle, die schon mal in einem solchen Bündniss gearbeitet haben brauchen diese auch in Zukunft die Beratung der Regionalen Beratungsteams. Deren Finanzierung im kommenden Doppelhaushalt muss sichergestellt sein. (3) Zuletzt: Wenn wir, wie es der Antrag der Koalitionsfraktionen formuliert, an der Seite der Opfer rechter Gewalt stehen wollen, dürfen wir dort nicht nur mit warmen Worten, aber leeren Händen stehen. Es braucht daher dringend die Finanzierung der entsprechenden Bundesverbände. Brechen sie nach Ende des Jahres weg, weil der Bund keine Finanzierung auf die Reihe bekommt, werden sich die Folgen ganz konkret in den Ländern und Kommunen und bei den Betroffenen zeigen. Dass bisher der politische Wille fehlt, die wirklich bescheidenen Summen aufzuwenden, um wenigstens den aktuellen Stand zu halten, ist beschämend.

Meine Damen und Herren, auf die AfD und ihr Geschrei will ich gar nicht eingehen, wer Menschen entsorgen, jagen und vernichten will, hat zu dieser Debatte nichts beizutragen, sondern ist Teil der Gründe für die Anträge, die wir heute beraten. Ich fordere Sie, meine Damen und Herren aus den Regierungsfraktionen auf, unserem Antrag heute zuzustimmen. Lassen Sie uns unsere Verantwortung als Abgeordnete wahrnehmen, jedenfalls die ersten Schritte zu gehen, damit dieser Landtag tut, was in seiner Macht steht – das Schulden wir den Betroffenen rechter Gewalt noch mehr als unsere Worte.