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Hendrik Lange zu TOP 11: a) GE zur Änderung des Abfallgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt und b) Sofortiger Einlagerungsstopp für die Deponie der Deponieklasse II in Roitzsch

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

erneut befassen wir uns im Landtag mit dem Thema Müll und heute besonders mit der Situation der Deponie Roitzsch. Die Genehmigung dieser Deponie war schon oft Thema in den Ausschüssen und das Einlagerungsgeschehen steht vor Ort weiter in der Kritik. Auch wenn das Landesverwaltungsamt diese Kritik zu entkräften versucht, gibt es erneut Anlass, die Deponie DK II zu hinterfragen. Ein erneutes Gutachten, dass Erkenntnisse der Erkundungen für das neue Deponievorhaben der Firma Papenburg auf dem Gelände des ehemaligen Tagebaus Freiheit III und die beigebrachten Gutachten zur genehmigten DK II – Deponie verbindet. Die Ergebnisse sind erschreckend und verlangen sofortiges Handeln. Bereits ein von der Initiative Pro Roitzsch vorgelegtes Gutachten kommt zu der der Erkenntnis, dass die Setzungsverhältnisse im Untergrund der Deponie dazu führen werden, dass der Fuß mit dem Grundwasser in Berührung kommt. Das neue Gutachten weist das ebenfalls nach. Es kommt zu der Erkenntnis, dass der inhomogene aufgeschüttete Untergrund zu einem sehr unterschiedlichen Setzungsgeschehen führen wird und damit sowohl die künstliche Basisabdichtung als auch die Entwässerung der Deponie Gefahr laufen beschädigt und funktionsunfähig zu werden – es vielleicht schon sind.


Sehr geehrte Damen und Herren,

die Abfallstoffe der Deponieklasse 2 sind stark kontaminiert. Darum werden hohe Ansprüche an diese Deponien gestellt und es braucht eine Ewigkeitsgarantie. In wieweit diese auf Aufgeschüttetem Untergrund mit einer künstlichen Basisabdichtung überhaupt möglich ist, haben wir schon in mehreren Ausschusssitzungen bezweifelt. Zumal die verwendeten Folien nur eine Garantie von wenigen Jahrzehnten haben. Das neue Gutachten zeigt jetzt auf, das Gefahr in Verzug ist. Damit das Grundwasser und der Roitzscher See nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, fordern wir einen sofortigen Einlagerungsstopp.


Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

neben der akuten Gefahr zeigt das Gutachten eklatante Fehler im Genehmigungsverfahren auf, die die Schlussfolgerung zulassen, dass die Genehmigung nie hätte erteilt werden dürfen. So zeigt das Gutachten auf, dass die Erkundung des Untergrundes gerade mal durch 4 Bohrungen und 8 Drucksondierungen erfolgt ist. Obwohl der Bericht zur Baugrundbeurteilung auf die Notwendigkeit weiterer Erkundungen entsprechend Din 4020 verweist, ist diese in den Genehmigungen nicht dokumentiert. Auf der Errichtungsfläche der Deponie von 23 ha hätte es entsprechend der Norm mindestens 40 Bohrungen geben müssen. Zudem wurden keine Bodenproben untersucht. Somit sind die Bodenkennwerte nicht ermittelt. Der Gutachter kommt daher zu der Schlussfolgerung, dass „Die Planfeststellungsunterlagen sind daher als untauglich einzustufen, konsequenterweise muss der Weiterbetrieb der Deponie als unverantwortlich eingestuft werden.“


Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

was für eine Watsche für die Genehmigungsbehörde. Und was für ein Alarmsignal für uns Alle. Zudem weist das Gutachten nach, dass die Erkundung der Grundwasserverhältnisse nicht ordnungsgemäß stattgefunden hat, dass die technisch korrekte Anlage einer Grundwassermessstelle nicht dokumentiert ist und das Schichtwasser bereit 2,30 m unter der Geländeoberkante angetroffen wurde. Schichtwasser hat Einfluss auf die Basisabdichtung und die Bodenkennwerte. Auch das Schichtwasser darf nicht mit dem eingelagerten Müll in Berührung kommen, da es sonst vergiftet wird. der Gutachter stellt fest: „Die Errichtung einer Deponie ohne Erkundung der tatsächlichen Grundwasserverhältnisse im Bereich der Aufstandsfläche ist unverantwortbar.“

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

was für eine Watsche für die Genehmigungsbehörde. Und was für ein Alarmsignal für uns Alle. Wenn eine Ingenieurin bei einer Brücke feststellt, dass sie einsturzgefährdet oder fehlerhaft geplant und gebaut ist, wird diese Brücke gesperrt. Wenn ein geowissenschaftliches Büro einschätzt, dass eine Deponie fehlerhaft geplant ist und Annahmen nur auf Schätzungen und nicht auf Untersuchungen nach DIN beruhen; und wenn ein geowissenschaftliches Institut daraufhin einschätzt, dass das Grundwasser, Mensch und Umwelt gefährdet sind, dann brauchen wir einen Einlagerungsstopp. Es braucht eine Überprüfung der Genehmigung mit den neuen Erkenntnissen und eine Überprüfung der Basisabdichtung, um eine bereits vorhandene Schädigung auszuschließen.

Mit Blick auf das Gutachten könnte man jetzt scherzhaft – oder im Ernst – fragen, warum wir gerade dem Landesverwaltungsamt noch die Genehmigungsverfahren für die Deponieklassen 1 und 0 anvertrauen wollen. Oder machen wir da nicht den Bock zum Gärtner? Ich sage aber ganz deutlich, wenn einer Behörde mit der Kompetenz des Landesverwaltungsamts solche Fehler – und davon wollen wir ausgehen, dass es Fehler sind und nicht mehr dahinter steckt – solche Fehler unterlaufen, dann verstehe ich, warum sich die kommunale Ebene mit einer deutlich schlechteren Personalausstattung überfordert fühlt. Es ist daher richtig, die Kompetenzen zu bündeln. Zumal die Kreise oft die Klagen der Vorhabenträger fürchten. Allerdings habe ich schon an anderer Stelle darauf hingewiesen: Intransparenz der Verfahren, die Regelung, dass die Unternehmen die Gutachten beibringen und die Erfahrung der geringen Abwehrmöglichkeiten durch die Menschen vor Ort, erschüttern das Vertrauen in unsere staatlichen Institutionen und in die Politik. Ich kann niemanden verdenken, dass man einem Gutachten, das die Firma, die mit Müll viel Geld verdienen möchte, in Auftrag gegeben hat, nicht traut. (Man muss ja der Initiative pro Roitzsch dankbar für ihre Hartnäckigkeit sein - und froh sein, dass sich die Stadt Sandersdorf-Brehna ein so teures Gutachten leisten konnte. Viele können das nicht!) Viel besser wäre, wenn die Genehmigungsbehörde Gutachten unabhängig beauftragt und dafür eine Gebühr einnimmt. Viel besser wäre, wenn von Anfang an mit hoher Transparenz die Menschen vor Ort einbezogen würden. Und besser wäre auch, wenn eine Ausnahme wie eine künstliche Basisabdichtung allen Zweifeln erhaben ist.


Sehr geehrte Damen und Herren,

Mistrauen schafft auch, dass sich die Firmen defacto selbst kontrollieren. Insbesondere, wenn eine Firma für ihre rechtswidrigen Praktiken bereits zur Rechenschaft gezogen wurde. Inwieweit hier noch Vertrauen im Sinne Deponieverordnung vorhanden sein kann, lasse ich mal offen.
Fakt ist aber, dass es die Menschen vor Ort nicht akzeptieren, dass Firmen mit Asbest aus Italien viel Geld verdienen, während man ihnen den Müll vor die Füße kippt und sie mit den Folgen leben müssen. Leider kann unser Gesetzentwurf nur das regeln, was in den Anhörungen als minimal regelbar herausgearbeitet wurde. Die Tatsache, dass Müll in der EU als frei handelbares Gut zu behandeln ist, mit dem sich private Firmen eine goldene Nase verdienen, können wir in unserem Bundesland nicht ändern. Wohl aber können wir Müllimporte aus anderen Bundesländern einschränken. Und da gebe ich mal ein skurriles Beispiel: Da bildet die Firma Papenburg eine Art Konsortium mit der Firma RockTec, die mit viel Bohei Lithium in Deutschland zur Batterieherstellung produzieren möchte. Batteriebtriebene Autos werden gebraucht, keine Frage, wenn wir dem Klimawandel etwas entgegen setzen möchten. Warum macht die Entsorgungsfirma von Papenburg da mit? Nun weil das Rohgestein mit einem Anteil von etwa 2 % Lithium in einer Fabrik raffiniert werden soll und die Restgesteine in einer Deponie landen sollen. Ursprünglich war dafür unter anderem der Standort in Jüdenberg (gleich neben dem Trinkwasserschutzgebiet und in Sichtweite zum Tourismushotspot Ferropolis im Gespräch. Nun haben wir vernommen, dass sich Rocktec für Brandenburg entschieden hat. Was unser Gesetz jetzt aber verhindern kann ist, dass die Wertschöpfung der Lithiumproduktion zwar in Brandenburg stattfindet, der Müll aber in Sachsen-Anhalt landet. Skurril ist das Beispiel deshalb, weil man ja klimafreundliche Fahrzeuge mit dem Lithium herstellen möchte, dafür aber ein ganzes Gebirge aus Kanada über den Atlantik schippern möchte, anstatt das Lithium vor Ort zu gewinnen und nur diese geringe Menge nach Europa zu transportieren. Die Förderkulisse schafft hier einen klaren klimapolitischen Fehlanreiz – aber das ist ein anderes Thema.
Ein weiteres Beispiel ist die Drohung, dass sogenanntes freigemessenes Material aus den abzubrechenden Atomkraftwerken im Westen und Süden der Republik in Sachsen-Anhalt auf den Deponien landet. Auch das möchten wir verhindern. Oder Kurzum: Wir sind nicht die Müllhalde der Nation.


Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

zum Recycling habe ich in der vergangenen Debatte schon viel gesagt. Hierzu macht unser Gesetzentwurf gute Vorschläge. Ich freue mich auf die Debatte. Bitte um Überweisung des Gesetzentwurfs in die Ausschüsse für Umwelt federführend und Wirtschaft sowie Landesentwicklung mitberatend. Und lassen sie uns Bitte heute das politische Signal zum Einlagerungsstopp in Roitzsch absenden. Die Menschen vor Ort warten darauf, dass im Sinne von Mensch und Umwelt gehandelt wird. Danke.