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Eva von Angern zu TOP 2: Haushaltsbegleitgesetz 2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

womit kann man eine Debatte über den Haushalt für das Jahr 2022 einleiten, während die Corona-Pandemie zwar abklingt, aber immer noch nicht vorbei ist und die Ukraine sich gegen einen Angriffskrieg durch Putins Russland verteidigen muss? Menschen werden vertrieben und die Flucht tausender Menschen, vor allem Frauen und Kinder, Senior*innen, hat ein vorläufiges Ende auch hier bei uns gefunden. Millionen weitere sind noch unterwegs, viele haben all ihren Besitz und sogar Angehörige verloren. Russland muss den Angriffskrieg sofort beenden!

Diese Forderung muss uns Demokratinnen und Demokraten einen, denn den Preis bezahlen in erster Linie die Ukrainerinnen und Ukrainer. Die Folgen aber spüren sogar wir in unserem Land - tagtäglich. Die Inflation steigt und sie ist aktuell so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr. Der Chef der britischen Zentralbank Andrew Bailey warnt sogar vor apokalyptischen Preissteigerungen bei Lebensmitteln. Im täglichen Leben sind diese Preissteigerungen für jeden deutlich spürbar und für viele Menschen in unserem Land kaum noch kompensierbar. Zusätzlich schmelzen Sparguthaben und Altersvorsorgen dahin.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

als Anfang des Jahres die Schwarzrotgelb geführten Ministerien den Haushalt aufstellten, gab es noch keinen Krieg 2000 Kilometer östlich von uns. Die Folgenabschätzungen, wie eben auch die steigende Inflationsrate, konnten daher noch nicht berücksichtigt werden. Kein Vorwurf von uns. Die Steuerschätzung hat nun letzte Woche prognostiziert, dass dem Land Sachsen-Anhalt ca. 720 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen werden als bisher angenommen. Der eine Reflex darauf wäre nun, großzügig mit Beinfreiheit zu rechnen und allen drei Regierungsfraktionen vielleicht noch ein Lieblingsprojekt zu gönnen, der andere, das Geld komplett in die Kredittilgung zu nehmen, damit man alsbald wieder die Schuldenbremse einhalten kann. Beides ist aber falsch, denn den Mehreinnahmen, die aus über 7% Inflationsrate generiert werden, stehen selbstverständlich auch erhöhte Kosten der bereits veranlagten Projekte gegenüber. Wie wir als Fraktion und natürlich als Partei DIE LINKE zur Schuldenbremse stehen, ist bekannt. Wir lehnen diese dem Grunde nach ab und die aktuelle Situation gibt uns darin Recht. Gerade in diesen Krisenzeiten zeigt sich, dass mit diesem, ins Grundgesetz gegossenen Neoliberalismus keine ordentliche Finanzpolitik zu machen ist. Die Schuldenbremse muss in der Krise über Jahre ausgesetzt werden, damit die öffentliche Hand überhaupt handlungsfähig ist. Es muss investiert und soziale Krisen abgefangen werden, was eindeutig Staatsaufgabe ist. Finanzminister Richter und seinem Haus halten wir zugute, dass mit 13 Milliarden Euro der Haushalt größer als erwartet ist. Leider bleibt er aber an zu vielen Stellen hinter seinen Möglichkeiten zurück. Ich möchte an die Worte unseres finanzpolitischen Sprechers Andreas Henke im Finanzausschuss anschließen:

Der Haushalt ist für uns alle das wichtigste Instrument zur politischen Gestaltung der Landesentwicklung und zur Festsetzung von Rahmenbedingungen bzw. der strategischen Ausrichtung. Die Koalitionsfraktionen versuchen mit ihren Anträgen das, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist, auch umzusetzen. Meine Fraktion, in der Opposition, setzt bewusst andere Schwerpunkte und Prioritäten. Wir zeigen auf, wie Sachsen-Anhalt auch gestaltet und nicht nur verwaltet werden kann. Sämtliche Anträge aus unserem Paket haben wir sowohl in den Fachausschüssen als auch im Finanzausschuss umfangreich vorgestellt. Debatten dazu fanden leider so gut wie gar nicht statt.

All unsere Ausgabenvorschläge sind durchaus finanzierbar, wenn man es denn wollte, und es sind vor allem Anträge, die nicht nur die wirtschaftliche, sondern die gesellschaftliche und vorrangig natürlich auch die soziale Entwicklung des Landes insgesamt im Blick haben. Aus Sicht meiner Fraktion ist die soziale Frage, die entscheidende Frage der nächsten Jahre! Hier setzen wir ganz deutlich Akzente – nicht ohne Grund wollen wir Morgen mit Ihnen über Armut und Kinderarmut im Besonderen in unserem Land reden. Es geht uns um die besonderen Bedarfe und Notwendigkeiten im Land vor allem auf der kommunalen Ebene, also dort, wo tatsächlich auch das Leben stattfindet, wo Entscheidungen ganz nah an den Menschen getroffen werden können oder meist aus finanziellen Gründen eben auch nicht. Wir sind überzeugt, dass wir mit unseren Vorschlägen die für die Menschen in Sachsen-Anhalt, in unseren Kommunen, für Kinder, Jugendliche und Familien richtigen Akzente setzen. Daher halten wir an unseren Anträgen fest und bringen sie auch heute zur zweiten Lesung des Haushaltes ein und ich möchte einige von Ihnen hier im Hohen Haus noch einmal erläutern:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Regierung lässt sich dafür feiern, die Schulsozialarbeit für weitere 2 Jahre abgesichert zu haben. Zur Wahrheit gehört: meine Fraktion ist im besten Sinne penetrant an diesem Thema drangeblieben und auch der Druck von Lehrerinnen, Schülerinnen und Schulzozialarbeiterinnen hat Erfolg gezeigt. Es ist gut, dass Sie sich zumindest kurzfristig auf eine Lösung verständigt haben. In den nächsten Wochen werden wir evaluieren, welche Schulen/ Schulformen in diesem Prozess auf der Strecke geblieben sind und hier im Haus thematisieren.

Langfristig sollte an jeder Schule und in jeder Schulform die Schulsozialarbeit zum Standard gehören. Das fordern nicht nur wir, sondern auch Lehrer- und Sozialverbände, Gewerkschaften und zuletzt auch die Ostdeutsche Psychotherapeutenkammer. Schulsozialarbeiterinnen unterstützen die Pädagogen, die Eltern, aber vor allem Kinder und Jugendliche bei kleinen und großen Problemen.

Sie sind nicht nur eine dringende gewordene Stütze in Zeiten des Lehrermangels, sondern unverzichtbare Vertrauensperson im System Schule. Die Koalition weigert sich aber weiterhin, allein in 300 zusätzliche Stellen zu investieren oder den Schulen eine mittelfristige Planungssicherheit zu gewähren. Meine Fraktion hat einen entsprechenden Änderungsantrag gestellt, wo wir heute letztmalig die Möglichkeit haben, diese doch noch für das kommende Schuljahr zu beschließen. Genauso ist es mit dem von uns beantragten Schwimmbadfonds, den die Koalition zu einem weniger als mickrigen Fugenkleberfonds degradiert hat.

Sachsen-Anhalts Schwimmbäder verfallen weiter und weiter. Wo sollen denn die Nichtschwimmerjahrgänge von 2020 und 21 ihren pandemiebedingt ausgefallenen Schwimmunterricht nachholen? Diese Antwort bleibt uns die Landesregierung mit ihren ledig 500.000 Euro für alle Schwimmbäder im Land zusammen schuldig. Zur Erinnerung: der Sanierungsstau liegt inzwischen bei 148 Millionen Euro. Wir hingegen haben vorausschauend ein Investitionsvolumen von 169 Millionen Euro über 2027 hinaus vorgeschlagen. Damit schaffen wir es, den Verfall unserer Sport- und Freizeitstätten zu überholen und dringend benötigte Substanz aufzubauen. Ebenso bleibt das Zukunftskapital Sachsen-Anhalts, die jungen Menschen, weiter erheblich unterfinanziert: Die Hochschulen ächzen unter dem Sparzwang. Als LINKE sind wir stolz auf die Studierenden in Halle, die sich gegen die Sparzwänge zur Wehr gesetzt haben, konkrete Vorschläge zur Vermeidung machen und damit auch in Teilen erfolgreich sind.

Das ist gelebte Demokratie! Dafür an dieser Stelle nochmals Danke! DIE LINKE hat klar herausgearbeitet, wie groß der Mehrbedarf an den Hochschulen ist. Wir haben keine unserer Universitäten und Hochschulen vergessen. Allein für die MLU sehen wir, dass über 20 Millionen Euro mehr benötigt werden, um den Lehrbetrieb angemessen aufrecht zu erhalten. Wir wollen nochmals diesem Hohen Hause die Möglichkeit geben, über unsere Änderungsanträge zu entscheiden, die sich mit anderen, wirklich relevanten Themen befassen, die im aktuellen Haushalt nur mangelhaft berücksichtigt wurden.

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

der Beitrag des Landes für die Feuerschutzsteuer muss erhöht werden, um unsere Kommunen zu entlasten, dafür haben wir zusätzliche 2 Millionen Euro vorgesehen. Für die Entlastung der Kommunen bedarf es aber längst nicht nur einer höheren Beteiligung an den Einnahmen aus der Feuerschutzsteuer. Selbst mit einer um 107 Millionen Euro erhöhten FAG- Masse, der 45 Millionen Euro Kommunalpauschale aus dem Corona- Sondervermögen und zusätzlichen Mitteln für Investitionen an den Kreisstraßen bleiben eine Vielzahl an Städten und Gemeinden des Landes im Stau unerledigter und dringendster Investitionen stecken.

Längst überfällige Vorhaben zur Erneuerung und Modernisierung ihrer Infrastruktur werden Jahr für Jahr aufs Neue verschoben – Schulen, Kitas, Sporthallen, Straßen, Brücken, Geh- und Radwege verschleißen weiter. Teils bereits ausgeführte Planungen bleiben in den Schubladen liegen und verkommen zu Papiertigern, da den Kommunen über die Haushaltspolitik der Landesregierung keine langfristig verbesserten und vor allem verlässlichen Perspektiven gegeben werden. Ich möchte auch an dieser Stelle zum wiederholten Mal betonen: in den Kommunen leben und arbeiten die Menschen, dort erwirtschaften sie die Steuern, die wir mit dem Haushalt verteilen. Sie sind es leid, immer wieder vertröstet zu werden. Hier muss endlich gehandelt werden!

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir beantragen, die Zuschüsse für Weidetierhaltende Unternehmen, um fast 3 Millionen Euro zu erhöhen. Dieser Antrag hat traurige Tradition und wird leider immer wieder von den regierungstragenden Fraktionen abgelehnt.

Schafe sind nicht nur niedlich, sie sichern vor allem viele unserer Landschaften auf nachhaltige Weise und bilden zudem die Grundlage für einen wichtigen landwirtschaftlichen Wirtschaftsfaktor. Wir beantragen darüber hinaus Innovationsassistenten, damit unsere heimischen Unternehmen immer auf dem aktuellen Stand der Technik und Organisation sind. Für das komplette Bundesland sind das nicht einmal 6 Millionen Euro, die direkt unserer heimischen Wirtschaft zugutekommen. Darüber hinaus schlagen wir Zuschüsse für Clubs und Musikspielstätten in Höhe von 500.000 Euro vor. Gerade jungen Menschen haben unter der Pandemie erheblich gelitten. Wir wollen ihnen bewusst auch diesen Teil kultureller Betätigung und Unterhaltung bieten. Dass es sich dabei um Kulturstätten handelt, hat selbst der Bundestag letztes Jahr anerkannt. Dass sie aus dem Landeshaushalt keinerlei Förderung erhalten, erscheint uns einigermaßen absurd. Wir beantragen zudem einen Reparaturbonus, der das Land nur 500.000 Euro kosten würde und es Menschen (besonders mit niedrigen Einkommen) ermöglicht, Elektrogeräte zu reparieren statt bei kleinsten Schäden Ersatz kaufen zu müssen.

Ein Beitrag zum sozialen und ökologischen Gleichgewicht in Sachsen-Anhalt. So sieht sozialgerechte Klimapolitik aus! Und ein weiteres Problem beabsichtigt die Linke zu lösen: Der Landesbeauftragte für Datenschutz hat in seinem letzten Jahresbericht zu Recht bemängelt, dass er 14 zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigt, um seinen gesetzlichen Pflichten nachkommen zu können. Im Haushaltsentwurf der Regierung, wie er hier vorliegt, ist keine einzige zusätzliche Stelle vorgesehen. Hier zeigt sich besonders deutlich, dass Schwarzrotgelb sich keinen Deut um Datenschutzbelange sowie den Informationszugang kümmert.  Nicht nur schafft es die Koalition in einer Reihe von Pleiten, Pech und Pannen, wiederholt keinen Landesbeauftragten zu wählen, sie stattet die Behörde auch nicht mit dem Notwendigsten - dem erforderlichen Personal - aus. Dafür sollten Sie sich wirklich schämen. Wir haben in unserem Antrag die 14 Stellen aufgestockt.

Die 820.000 Euro sollte uns rechtskonformer Datenschutz wert sein. Lassen Sie mich kurz noch zu einem Thema kommen, dass in der Bewertung dieses Haushaltes nicht zu kurz kommen darf:

Dem Zeitraum. Nun ist es ja nichts neues, dass Sachsen-Anhalts Landesregierung Haushalte immer gern erst in Kraft zu setzen in der Lage ist, wenn er eigentlich längst gelten sollte.

So wurden Haushalte gern immer erst im Januar oder manchmal erst im März des bereits laufenden Jahres beschlossen und alle Behörden und Fördermittelempfänger standen so lange unter vorläufiger Haushaltsführung, setzt ganz neue Standards. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Der Landeshaushalt für das Jahr 2022 wird erst zum 1. Juni in Kraft treten. Da ist fast das halbe Jahr bereits abgelaufen. Wie unsere Landesregierung so den Eindruck erwecken möchte, dass hier seriös unter den Gesichtspunkten der Haushaltskonsistenz gewirtschaftet würde, erschließt sich eigentlich niemandem. Wenn wir uns nämlich fragen, wie viele von den vermeintlich zu Verfügung gestellten Haushaltsmitteln auch noch 2022 abgerufen werden können, wirkt der angebliche Rekordhaushalt gar nicht mehr so rekordverdächtig. Wenn dann der Bund Mindereinnahmen von 200 Millionen Euro in Aussicht stellt, fällt es der Koalition nur allzu leicht, diese mit pauschalen Minderausgaben direkt zu decken. Das geht ganz konkret zu Lasten der Menschen in Sachsen-Anhalt!

Ein kleiner Tipp in Richtung Regierungsbank:

Das von der Linken mitregierte Berlin hat seine Haushalte nahezu immer vor Beginn des Haushaltsjahres fertig und beschlossen. Dort beginnt man mit dem parlamentarischen Teil der Verhandlungen bereits direkt nach der Sommerpause und ist dann vor Jahreswechsel fertig. Und auch in Thüringen, wo sogar nur eine Minderheitsregierung ihren Haushalt durchbekommen muss, ist man schneller als Sachsen-Anhalt. Davon darf sich Minister Richter gern mehrere Scheiben abschneiden. Es ist jetzt schon absehbar, dass der Haushalt für 2023 frühestens im Januar 2023 beschlossen werden wird, weil erst im Oktober der neue Entwurf fertig gestellt sein wird. Da gibt es wirklich viel Luft nach oben. Zu guter Letzt möchte ich noch ein ausdrückliches Lob aussprechen: Ich bin sehr froh, dass sich die Koalition für eine Tarifanpassung bei den Mitarbeiterinnen unserer Frauenzentren entschlossen hat.

Herzlichen Dank an die Kolleginnen in der Koalition, die das ermöglicht haben.

Selbstverständlich werden wir dem Haushalt Haushaltsbegleitgesetz und dem Haushaltsgesetz nicht zustimmen. Das ist Ihre Verantwortung und Sie stehen ebenfalls in der Verantwortung, wenn beides in Sachsen-Anhalt umgesetzt wird. Als Opposition verspreche ich Ihnen, dass wir Sie dabei selbstverständlich konstruktiv, kritisch kontrollieren werden! Dem Antrag des Ministerpräsidenten auf Feststellung einer außergewöhnlichen Notsituation gemäß § 18 Absatz 5 LHO LSA werden wir zustimmen. Dieser Antrag macht deutlich, dass auch Sachsen-Anhalt unter den Bedingungen der Schuldenbremse, d.h. der „erlaubten“ konjunkturellen Neuverschuldung nicht regierbar wäre. Eine späte Einsicht des Ministerpräsidenten zu unserer bereits seit Jahren vertretenen Auffassung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!