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Andreas Höppner zu TOP 4: Jetzt sofort und konsequent handeln – Giftschlammgrube Brüchau vollständig entsorgen und renaturieren.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Präsidentin,

 

Was für eine einschlagende Feststellung und es steht nun wohl endgültig fest:

Die Giftschlammgrube Brüchau ist undicht und Giftstoffe gelangen schon seit Jahrzehnten ins Grundwasser bzw. in die Umwelt. Seit Jahren behandeln wir dieses Thema und seit Jahrzehnten hat man die Gefährlichkeit der Grube einfach ignoriert bzw. abgewiegelt und ja, ich sage es noch einmal deutlich, man hat dabei auch auf Zeit gespielt. Eine ganze Reihe bzw. eine Vielzahl von Anträgen, Anfragen und Selbstbefassungen gab und gibt es dazu und ich weißt, dass Einige unter Ihnen, meine Damen und Herren hier im Landtag, das Thema Brüchau schon lange nicht mehr hören können. Doch der Beweis der Richtigkeit der andauernden Penetranz, insbesondere durch die Bürgerinnen und Bürger in der West-Altmark, der Bürgerinitiative Saubere Umwelt und Energie Altmark, der anliegenden Kommunen und auch einzelner altmärkischer Landtagsabgeordneter führte nun endlich zu dem vorliegendem Ergebnis und beweist:

Die Giftmüllgrube ist undicht, gefährlich und muss letztendlich komplett entsorgt werden. Seit 2018, übrigens damals 28 Jahre und jetzt 30. Jahre nach der Einheit, wurden nun endlich die umfangreichen Untersuchungen an der Giftmüllgrube Brüchau durchgeführt. So wurden entsprechend eines 2017 durch das LAGB zugelassenen Sonderbetriebsplanes bis Jahresende 2019 geophysikalische Messungen und geologische Erkundungen vorgenommen.

Das Messstellennetz für die Grundwasserbeprobung wurde erweitert und auch der Deponieinhalt wurde wesentlich intensiver begutachtet. Die Gutachter beziffern nun das Gesamtvolumen des giftigen Cocktails auf 100 000 Kubikmeter mit unterschiedlicher Verteilung in Tiefe und Breite auf dem Gelände. Wichtig ist auch die Feststellung, dass es nicht nur Anomalien im Deponiegrund gibt, sondern das Ergebnis klar und deutlich lautet - ich zitiere aus dem Abschlussbericht: „Der das Deponat unterlagernde Geschiebemergel ist mindestens an einer Stelle komplett entnommen bzw. bereichsweise nur noch sehr gering mächtig (<0,3m) vorhanden.“

Und auch diese Aussagen im Bericht lassen mehr als aufhorchen:

„Das Sickerwasser weist bei der aktuellen Untersuchung 11- bis 93-fache Überschreitungen des GFS für die Parameter Chlorid, Sulfat, Cyanide, Arsen, Barium, Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Zink, Phenolindex sowie PAK einschließlich Naphthalin auf. Bereits bei Untersuchungen 2005 waren Schwermetalle sowie MKW, LCKW und BTEX im Sickerwasser auffällig. Die ermittelte Sickerwasserfracht aus der Altablagerung beträgt für Chlorid rechnerisch 6,6 – 9,9 t/a.“

Und der Bericht fasst klar zusammen, ich zitiere wieder:

„Zusammenfassend kann für das Schutzgut Grundwasser festgestellt werden, dass:

1. eine Grundwasserverunreinigung mit Chlorid i.S.d. BodSchG (GFS-Überschreitung, relevante Ausdehnung) vorliegt,

2. aufgrund des Schadstoffpotential im Boden (Altablagerung) über den Wirkungspfad Boden – Grundwasser eine weitere Gefährdung zu besorgen ist und

3. aufgrund der bereits vorhandenen Belastungen mit Chlorid über den Wirkungspfad Grundwasser (belastet) – Grundwasser (unbelastet) eine weitere Ausbreitung erfolgen kann.“

 

Meine Damen und Herren.

Es gab genügend frühe Warnungen, Hinweise und Unterlagen sowie Gutachten, die die Undichtigkeit und Gefährlichkeit der Giftmüllgrube darlegten. Nach dem jetzigen Ergebnis muss endlich und zielgerichtet die komplette Grube entsorgt und das gesamte Areal renaturiert werden.

Und an der Stelle kritisiere ich noch einmal deutlich, dass frühere Warnungen und Gefahrenhinweise jahrzehntelang ignoriert wurden. Warum wurden erst jetzt diese Untersuchungen in dieser Qualität und diesem Umfang durchgeführt? Warum nicht schon 1990/91 oder 1995, spätestens aber im Jahre 2012.

Ich glaube, meine Damen und Herren,

man wollte das Ergebnis so nicht haben bzw. sehen. Man muss mittlerweile davon ausgehen, dass sich hier über die Jahre eine Art Verwaltungsmentalität herausgebildet hat und Behörden sowie auch die zuständigen Ministerien,  meist erst dann reagierten, wenn Bürgerinnen und Bürger, Umweltverbände und Bürgerinitiativen problematische Ereignisse so an das Licht der Öffentlichkeit gebracht haben, dass der Skandal nicht mehr ignoriert werden konnte. Schuld müssen hierbei übrigens nicht unbedingt einzelne Mitarbeiter sein. Schuld bzw. Verantwortung tragen und trugen in der Vergangenheit hauptsächlich die jeweiligen Ministerien, die hier als direkte Vorgesetzte die politische Ausrichtung bestimmten. Die Sache hat also System, indem es immer noch heißt: „Wirtschaft vor allem und zuerst, danach erst Umweltschutz bzw. Schutz der Bürgerinnen und Bürger“.

Dieses System, meine Damen und Herren, muss endlich fallen.

Die Vorgänge um die Giftschlammgrube Brüchau stehen da übrigens nicht alleine. Auch die Vorgänge um die Bergbauanlage Teutschenthal sind hierfür bezeichnend. Der dortige Betreiber hätte z.B. bereits seit Ende 2007, entsprechend den festgelegten immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen des Landesamtes für Geologie und Bergwesen (LAGB) eine Halle für bestimmte immissionsschutzrechtlich relevante Stoffe errichten müssen. Doch diese entstand nie und die stinkenden, in Teilen gefährlichen Stoffe, wurden lange Zeit in einem Freilager, also offen abgelagert. Das LAGB ist hier über viele Jahre nicht gegen den Weiterbetrieb des Freilagers eingeschritten, obwohl offensichtlich war, dass die Lagerhalle entsprechend den vorgegebenen rechtlichen Auflagen durch die Betreiberfirma nicht gebaut wurde. Auch in Brüchau wurde bis 2012 immer weiter eingelagert. Eigentlich muss man sagen eingekippt. Immer wieder gab es Untersuchungen und Gutachten zur Giftmüllgrube. Natürlich mit Genehmigung und unter Aufsicht des LAGB, aber auch in Verantwortung vorangegangener Landesregierungen, Wirtschafts- und Umweltministerien. Nie ist man wirklich tiefgreifend den Hinweisen von Bürgerinnen und Bürgern, ehemaligen Beschäftigten und den anliegenden Kommunen nachgegangen.

Mir stellen sich da viele Fragen aber hauptsächlich eine:

Warum wurden bei den vorangegangenen Untersuchungen, gerade die Prüfung der Dichtheit der Grube, so wie es jetzt getan wurde, nie in Betracht gezogen, geschweige denn so durchgeführt?

Scheinbar gibt es da schon seit vielen Jahren Abläufe z.B. innerhalb des LAGB, die definitiv noch zu hinterfragen sind:

Haben wir da einen Staat im Staate?

Machen die, was sie wollen, was angenehm ist, was in die Doktrin passt?

Werden die durch niemanden kontrolliert?

Warum haben vorangegangene Wirtschaftsministerien diese Dinge ignoriert oder nicht zur Kenntnis genommen und entsprechend zum Wohle bzw. Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger gehandelt?

Ein weiteres Beispiel zur Arbeitsweise von LAGB und vorangegangen Landesregierungen und ihrer verantwortlichen Institutionen, sind die Vorgänge um illegal abgelagerten Müll in Tongruben im Jerichower Land. Einige Landtagsabgeordnete werden sich sicher noch daran erinnern. Im Jahre 2008 gab es dazu einen Untersuchungsausschuss, um eine mögliche Verantwortung von Ministerien und anderen Behörden für den Skandal aufzuklären. Auch der damalige Arbeits- und Wirtschaftsminister Reiner Haseloff musste dort aussagen und hat das angeblich alles gar nicht so richtig mitbekommen. Das zuständige Landesamt für Bergbau und Geologie hat nunmehr bereits bis Ende 2019 fast 25 Millionen Euro ausgegeben, um die von den Tongruben ausgehenden Umweltgefahren zu bannen. Steuergelder übrigens.

Auch hier die Frage, wer hat da tief und fest geschlafen oder zumindest beide Augen sehr lange und intensiv zugedrückt?

Meine Damen und Herren.

Ich habe ihnen eben kurz aufgezeigt, was alles im Umwelt- und Abfallbereich in Sachsen-Anhalt nicht funktioniert. Mit dem Endbericht zur Giftschlammgrube Brüchau steht aus unserer Sicht auch fest, dass die behördliche Überwachung über Jahrzehnte in Teilen versagt bzw. zumindest ein deutliches Kompetenzproblem hat. Und dass gerade vorangegangene Wirtschafts- sowie Umweltministerien als Fach- und Rechtsaufsichtsbehörde, nicht in der Lage waren, diesen Umstand zu erkennen und abzustellen.

Der Grundsatz, die Überwachung von umweltgefährdenden Stoffen oder auch von Abfallströmen den Betreibern zu überlassen, ist ganz offensichtlich nicht in der Lage, Gefahren für Mensch und Umwelt zu verhüten.

Was sich ändern muss, ist die Arbeit des LAGB. Dieses muss seine Aufgabe darin erkennen, dass die von den Betreibern gelieferten Papiere allenfalls auf Plausibilität zu prüfen und dann abzuheften, nicht ausreicht. Hier muss man wieder mehr selbst untersuchen, handeln und ja auch Verantwortung übernehmen.

Im Endbericht wird sich leider noch nicht auf eine komplette Entsorgung der Giftmüllgrube Brüchau festgelegt, sondern es werden mehrere Varianten in Betracht gezogen.

Dabei drängt sich einem schon ganz stark der Eindruck auf, dass hier mal wieder das gemacht wird, was mit Blick auf den „Bergbau“ bzw. bei der Behandlung von Umweltschäden in der Vergangenheit, hier im Lande eigentlich immer gemacht wurde. Auf Zeit fahren.

Insbesondere zu Verzögern oder auf Zeit fahren sind aber nun absolut keine Lösung mehr.

Leider passiert dies aber immer noch, denn wenn sie unserem Antrag im Juni 2019 gefolgt wären, hätten sie bereits ein Handlungs- und Entsorgungskonzept incl. nachvollziehbarer Zeitpläne für die vollständige Entsorgung und hätten bereits eine umfassende verantwortbare, sicherheitsorientierte Gefahrenbeurteilung erarbeitet und vorgestellt.

Genau das, was wir letztes Jahr gefordert haben, wird jetzt im Endbericht aufgeworfen.

Auch die Klärung möglicher Entsorgungswege hätte schon abgeschlossen sein können und man hätte sich bereits mit entsprechenden Spezialfirmen austauschen können sowie Erfahrungen im Zusammenhang mit der Entsorgung solcher Gifte einsammeln können.

Leider ist auch hier nichts passiert und wir hoffen, dass sich jetzt, aufgrund der Ergebnisse des Endberichtes die Geschwindigkeit erhöht und die Bürgerinnen und Bürger in und um Brüchau noch zu Lebzeiten erleben werden, dass die Giftmüllgrube endgültig und vollständig entsorgt wurde.

Was ist aber letztendlich übriggeblieben:

Neben dem Umweltschaden gibt es auch einen riesigen gesellschaftlichen Schaden. Die Bürgerinnen und Bürger haben das Vertrauen in Regierungsinstitutionen verloren. Sie glauben schon lange keinen Aussagen von Politikern, Ministern und auch Betreiberfirmen mehr.

Das leider, nach vielen Skandalen und Vorkommnissen in Sachsen-Anhalt, sogar mit Recht und nachvollziehbar.

Jetzt meine Damen und Herren,

haben Sie die Möglichkeit einen ersten großen Schritt zu gehen und hier festzulegen bzw. abzustimmen, dass die Giftmüllgrube in Brüchau komplett fachgerecht, sicher entsorgt und der gesamte Bereich renaturiert wird.

Vielleicht erleben wir Altmärker es tatsächlich noch, dass sich die Umgebung der Giftschlammgrube zu einem wunderschönen, natürlichen, altmärkischen Kleinod entwickelt und sich so in das Gesamtgefüge der touristischen Erschließungen der schönen Altmark einfügt.

Unsere nachfolgenden Generationen werden es uns sicher ebenfalls danken.

Ich danke Ihnen.