Unterrichtsausfall steigt auf neue Rekordhöhe – schnelles Handeln ist nötig
Aus der Antwort der Landesregierung auf die jährliche Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE nach Unterrichtsausfall und -vertretung in den öffentlichen Schulen des Landes geht hervor, dass sich die negative Entwicklung der letzten Jahre weiter fortsetzt und der Unterrichtsausfall an den allgemeinbildenden Schulen einen neuen Höchststand (mehr als 6,5 Prozent) erreicht hat. Dazu erklärt der Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecher, Thomas Lippmann:
„Die Schulbehörden haben zwar – der Not gehorchend – die Ausschreibung freier Stellen und die Auswahl und Einstellung von Bewerber*innen für den Schuldienst etwas verbessert, die Öffnung und Flexibilisierung kamen aber um Jahre zu spät und sie sind noch längst nicht weitreichend genug, um das Bewerber*innen-Potenzial vollständig auszuschöpfen und zu erweitern.
Es zeigt sich immer wieder, dass uns hier unsere Nachbarländer um Längen voraus sind. Die Landesregierung muss jetzt die von uns in der letzten Landtagsitzung vorgelegten Maßnahmen (Anlage 1) umsetzen und insbesondere umgehend eine Verordnung zur Zahlung von Sonderbezügen für Anwärter*innen beschließen, um mehr Lehrkräfte für den Vorbereitungsdienst zu gewinnen. Ohne entschlossenes Handeln gibt es auf Jahre hinaus keine Chance, die Lücke zu schließen und den Lehrermangel zu beenden.
Auch ohne Corona-Schließungen wird in den allgemeinbildenden Schulen immer weniger Unterricht erteilt. Es zeigt sich, dass der Vertretungsbedarf durch die Abwesenheit von Lehrkräften ständig weiter ansteigt, während die Möglichkeiten der Schulen, die Vertretung zu organisieren, durch die immer schlechtere Unterrichtsversorgung stetig sinken (Anlage 2). Dieser Trend wird sich auch im laufenden Schuljahr fortsetzen.
Den Schüler*innen in Sachsen-Anhalt ist vom letzten Schuljahr ein glattes Drittel verloren gegangen. Sehr viele Schüler*innen können das kaum wieder aufholen. Dabei beträgt der Verlust an Unterrichtszeit durch die pandemiebedingten Schulschließungen etwa 11 Wochen. Doch schon vorher war bis zum Februar 2020 Unterricht im Umfang von durchschnittlich 1,5 Wochen ohne Vertretung ausgefallen.
Von einem Ausgleich für die Corona-Zwangspause und einem Nachholen des Stoffes kann unter diesen Bedingungen in den meisten Schulen überhaupt keine Rede sein. Viele Schüler*innen werden den Unterrichtsausfall mit schlechten schulischen Leistungen, Klassenwiederholungen und dem Nichterreichen von Schulabschlüssen bezahlen. Das desolate Unterrichtsangebot kommt den Jugendlichen und uns allen durch gebrochene Schulkarrieren und schlechte Startchancen in die berufliche Ausbildung teuer zu stehen.
Zu den Statistiken (Anlage 2)
Die dargestellten Größen entstammen der jährlichen Statistik des Kultus- bzw. Bildungsministeriums. Für das Schuljahr 2019/20 wurden nur die Daten vom Schuljahresbeginn im August 2019 bis zum Februar 2020 erfasst und nach den Werten der Vorjahre auf das ganze Schuljahr 2019/20 hochgerechnet.
Dargestellt ist in den Grafiken 1, 2 und 4 jeweils der Anteil am Gesamtbedarf, der den Schulen zugewiesen wird und der entsprechend der Stundentafel zu erteilen wäre. Die Grafik 3 weist den Anteil des durch die Abwesenheit von Lehrkräften (Grafik 1) zu vertretenden Unterrichtes aus, der durch andere Lehrkräfte tatsächlich vertreten wird.
Der verbleibende Teil wird nicht durch verfügbare Lehrkräfte vertreten, sondern wird durch die Zusammenlegung von Klassen und Lerngruppen und durch „sonstige Maßnahmen“ aufgefangen oder fällt vollständig aus (Totalausfall). Dieser nicht regulär vertretene Unterricht ist als Anteil vom Gesamtbedarf in der Grafik 2 dargestellt.
Die Grafik 4 zeigt noch einmal die Entwicklung des Totalausfalls und des nicht regulär vertreten Unterrichts an den allgemeinbildenden und den berufsbildenden Schulen als Anteil am Gesamtbedarf. Die Differenzen zwischen beiden Grafen beschreiben den Umfang der Kompensation durch die Zusammenlegung von Klassen und Lerngruppen und durch ‚sonstige Maßnahmen‛.
Anlage 1: Antrag DIE LINKE in der LT-Drs. 7/6721
Anlage 2: Entwicklung von Ausfall und Vertretung nach Schulformen, 2005/06 bis 2019/20
Magdeburg, 4. November 2020