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TOP 16: Konsequenzen aus dem Prüfbericht des Landesrechnungshofes zur Sportförderung für das Land Sachsen-Anhalt und den Landessportbund

Um es auf einen Satz zu bringen: Der Sport ist in der Krise. So allgemein gehalten, wie dieser Satz ist, so sehr stimmt er auch, und zwar in wahrscheinlich jeder Dimension, die jeder bei diesem Satz in seinem Kopf hat. Ich würde sogar noch weiter gehen: Alles hat auch irgendwie miteinander zu tun. Es geht um Geld, es geht um Macht, es geht um Einfluss. Das an sich ist selbstverständlich noch kein Teufelszeug. Es ist nur dann problematisch, wenn Gegenkräfte fehlen, wenn Demokratie fehlt, wenn Kontrolle fehlt, wenn Regelungen fehlen und wenn die kritische Distanz fehlt.

Der Sport verfügt über einen hohen sozialen Status. Das bringt für die Politik eher freudige Ereignisse mit sich, wie etwa die Möglichkeit, das eigene Image aufbessern. Auch das ist legitim. Aber es ist zugleich auch verführerisch und birgt Gefahren in sich. Das ist auf den großen Baustellen so und das ist auf den kleinen so. Solch eine Baustelle gibt es nun auch in Sachsen-Anhalt. Was wir hier miteinander offen und ehrlich zu diskutieren haben, ist erstens die Frage, wie konnte es dazu kommen, und zweitens die Frage, wie gehen wir damit um.

Dem Präsidium des Landessportbundes ist ein großer Vertrauensvorschuss gegeben worden, nämlich zum einen mit dem Vorhaben, ihm ein festes Budget zu geben, das durch das Land angesichts fehlender oder zurückgehender Konzessionsabgaben auch ausgeglichen wurde, und zweitens mit dem Vorhaben, das Budget vom Sport selbst verwalten zu lassen. Dieser Vertrauensvorschuss ist durch das ehemalige Präsidium des Landessportbundes in Sachsen-Anhalt gründlich ruiniert worden.

Ich will an dieser Stelle mit einer Legendenbildung aufräumen. Die Worte „Unwirtschaftlichkeit“ und „mangelndes Risikomanagement“ sind ja die Worte, mit denen der Landesrechnungshof zu Recht hantiert. Die Vorstellung aber, es sind die guten Jungs, und die wollten nur das Gute, sie haben nur hier und da ein bisschen zu viel des Guten getan, das ist eine Legende. Die hält sich sehr hartnäckig, und der eine oder andere tut auch etwas dafür, aber sie ist und bleibt falsch.

Ich will aus den Prüfungsfeststellungen des Landesrechnungshofes nur einige Beispiele nennen: zu hoch abgerechnete Schülerzahlen in den Sportmensen, nicht geltend gemachte Einnahmen gegenüber Dritten, Zahlungen für Ausgaben, ohne Leistungen zu erbringen zugunsten Dritter - nicht zugunsten des Sports -, das Problem Reitstunden, erbrachte Leistungen ohne Rechnungslegung zugunsten Dritter - wiederum nicht zugunsten des Sports ‑, gefälschte Rechnungen, ein Grillabend ist in Verpflegung eines Lehrgangs umgewidmet worden, zweckwidrige Weitergabe von Fördermitteln an die MAG, Rabatte für Geschäftspartner des ehemaligen Geschäftsführers usw. usw.

Ich bediene mich hier ausdrücklich der Amtssprache des Landesrechnungshofes und übersetze das nicht in die Alltagssprache. Das wäre zwar klarer, aber es wäre auch zugegebenermaßen reichlich tendenziös.

Die Legende von den guten Jungs - ich wiederhole es noch einmal - ist für alles Mögliche tauglich, aber nicht für eine ehrliche, selbstkritische und transparente Aufarbeitung dessen, was passiert ist, und das vor allen Dingen parteiübergreifend. Das ist für uns alle, die wir hier sitzen, eine außerordentliche Herausforderung, weil sich hierbei die Sichtweisen, die Gemeinsamkeiten in engen Grenzen halten.

Für ebenso wenig geeignet halte ich allerdings die schlichten Oppositionsreflexe, die mit Rücktrittsforderungen einhergehen. Es geht hier einfach um zu viel. Nach meinem Empfinden hätte die Fraktion der FDP gute und schwergewichtige Gründe, hier einmal Maß zu halten. Angeraten wäre es, einfach mal im Sturm der Entrüstung einen Gang herunterzuschalten. Ich habe Verständnis dafür, dass Sie Ihren ehemaligen Sportminister nicht vor das Loch schieben. Aber ein bisschen mehr innere Einkehr wäre angesichts dessen, dass auch Sie ein Stück Verantwortung haben, nämlich für die Jahre 2002 bis 2006, durchaus angemessen.

Wenn diese Krise gemeistert werden soll, und zwar nicht im Sinne des Deckelns und auch nicht im Sinne neuer Grabenkämpfe, dann geht das nur mit Selbstkritik. Das ist bei weitem nicht nur an die Adresse des Sports gerichtet, sondern auch an die Adresse von Politik und Verwaltung.

Es geht die kritische Distanz ganz verloren, wenn man sich in die Grauzone von Privilegien begibt. Da will ich auch nicht anfangen, mit dem Zeigefinger herumzuspazieren. Das ist eine Kritik, die auch an meine Fraktion geht, keine Frage. Wer werfe hier den ersten Stein? Das ist eine schwierige Diskussion. Es bedarf einer ehrlichen Debatte darüber, wo die Verflechtungen zwischen Politik und Sport kritisch werden, wo Privilegien anfangen zu korrumpieren, was noch legitim ist. Geredet werden muss darüber, wie hart die Grenzen zwischen Geldgeber und Geldempfänger gezogen werden, also zwischen Verwaltung und Sport.

Ich finde es in der Tat gewöhnungsbedürftig und auch er- und aufklärungsbedürftig, wenn Mitglieder des Präsidiums des Landessportbundes selbst in der Fördermittelvergabeinstanz gearbeitet haben oder wenn hochrangige Verwaltungsverantwortliche ihrerseits hochrangige Ämter im Sport bekleidet haben.

Noch eine Bemerkung zur politischen Verantwortung: Mir ist gestern noch einmal ein Brief untergekommen, in dem ein Mitglied des Präsidiums des Landessportbundes bereits 1998 eine klare Ansage darüber gemacht hat, dass es gute Gründe dafür gibt, in Sachen Transparenz, in Sachen Demokratie, in Sachen Geschäftsgebaren mal genauer hinzuschauen. Nun können Sie mit Recht sagen: Sie waren doch damals in der Halbverantwortung. Recht haben Sie. Ich habe den Brief selbst nicht gekannt, aber diejenigen, die ihn gekannt haben, hätten sich sehr wohl auf die Strümpfe machen müssen.

Nun will ich Ihnen aber sagen, was dann passiert wäre. Wenn Sie eine Vorstellung davon haben wollen, was dann passiert wäre, dann gucken Sie sich einmal die Mitteldeutsche Zeitung vom 20. September 1997 an, als die Ministerin mit ihren Akten zur Staatsanwaltschaft spaziert ist. Und zur Staatsanwaltschaft spaziert man nicht, wenn man keine guten Gründe hat.

Da kam die brutalstmögliche Aufklärung aus der CDU. Ich zitiere: „Das ist eine Kampagne von ein, zwei Leuten aus dem Sozialministerium, die Sportbundgeschäftsführer Henke und Präsident Marciniak abschießen wollen.“

So viel zu dem Thema brutalstmögliche Unterstützung.

Wenn Sie mich fragen woher wir die Gewissheit haben, dass im Ministerium an dieser Sache vernünftig gearbeitet wird, dann will ich Ihnen sagen: Wer damals die Nervenstärke besessen hat, gegen mindestens drei Fraktionen, die zu dieser Zeit in großen Teilen noch keinen Pfifferling darauf gesetzt haben, dass an dieser Sache etwas dran ist, wer zu dieser Zeit die Nervenstärke besessen hat, diese Sache durchzuziehen, was sollte dem daran gelegen sein, jetzt nicht das Gleiche zu tun?

Dennoch: Ein Schwamm-drüber ist nicht ‑ weder nach hinten noch nach vorn. Wir werden noch darüber zu reden haben. Ich will nicht darum herumreden: Das Krisenmanagement der Sportministerin geht in Ordnung. Ich finde, einen solchen Satz kann man auch einmal aus der Opposition heraus sagen.

Aus unserer Sicht ist die Kündigung des Beleihungsvertrages eine notwendige und angemessene Reaktion gewesen, aus einem einfachen Grund: Wenn der Landesrechnungshof dem Präsidium des Landessportbundes unzureichende Geschäftsfähigkeit attestiert, dann kann diese Institution nicht im eigenen Namen Fördergelder ausreichen. Das wäre schlicht unverantwortlich gewesen. Auch die vertragliche Gestaltung des Übergangs ist ein Indiz dafür, dass das in beiderseitigem Einvernehmen geschehen ist.

Wir vertrauen auf die Akteurinnen des Sports, dass sie einen Neuanfang aus den eigenen Reihen schaffen, und zwar nicht als Wiederherstellung der alten Zustände mit neuen Mitteln, dass es einen kritischen Diskurs in den eigenen Reihen gibt, und zwar nicht nach dem Motto, wir gemeinsam gegen die ganze Welt.

Das ist eine Voraussetzung dafür, dass über eine Neugestaltung der finanziellen Förderung ab dem Jahr 2009 miteinander geredet wird.

Wichtig ist, dass Transparenz und Öffentlichkeit eingehalten werden. Das sind wir im Übrigen auch denen schuldig, die nicht so eine privilegierte Rolle spielen wie der Sport.

Der Sport hat große Verdienste. Ich habe gestern in der „Süddeutschen Zeitung“ einmal mehr gelesen, dass es dem Sport in der Tat ein Stück weit mehr als anderen Bereichen gelingt, gerade in so genannten bildungsfernen Bereichen zu Kindern und Jugendlichen vorzudringen, sie zu binden und so zu motivieren. Das sollten wir uns vor Augen führen, wenn es um die Schadensbegrenzung geht, wenn es um eine ehrliche Aufarbeitung geht, frei von Legendenbildung und frei von Verharmlosung, frei von neuen Seilschaften und möglichst frei von Vetternwirtschaft und Korruptionsgehabe. Ich denke, dann können wir gemeinsam sicher sein, dass der Sport in seiner Gesamtheit gestärkt wird.

Ich wünsche den Sportlerinnen sehr, dass sie diese Kraft finden und sich nicht nach dem Motto verschanzen: Trotz und Widerstand gegen die ganze Welt.