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Thomas Lippmann zu TOP 7: Konsens der Demokratinnen und Demokraten bewahren - parlamentarische Demokratie in Deutschland nach der gescheiterten Regierungsbildung in Thüringen

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Wahl eines Ministerpräsidenten mit AfD-Stimmen hätte es nie geben dürfen. Unsere Demokratie kann ohne eine wirksame Abgrenzung gegenüber der AfD nicht bewahrt werden. Das erkennen immer mehr Menschen und gehen dafür in immer größerer Zahl auf die Straße, denn unsere Demokratie war seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch nie so bedroht wie heute.

Seit Jahren kritisieren wir das Staatsversagen bei der Bekämpfung des gewaltbereiten und bewaffneten Rechtsextremismus. Wir verkennen dabei nicht, dass unter dem Eindruck der massiven Ereignisse der letzten Monate u.a. der Bundesinnenminister hier inzwischen auch zu neuen Einsichten kommt. Aber diese kommen zu spät - zu spät für die Opfer des NSU, zu spät für den aufrechten Christdemokraten Walter Lübke, zu spät für die Toten von Halle und zu spät für die in Hanau ermordeten Menschen. Rechte Extremisten und Terroristen ziehen weiter ihre Blutspur durch unser Land. Und da hilft es eben nichts, die extreme Rechte in Sonntagsreden als größte Bedrohung für die innere Sicherheit zu brandmarken, wenn tags darauf der Schulterschluss mit ihrem parlamentarischen Arm gesucht wird.

Wer mit Faschisten paktiert, vergeht sich an der Demokratie. Es ist geschichtsvergessen und gefährlich, heute wieder davon zu schwafeln, dass man die AfD bei der Regierungsbildung nicht ignorieren dürfe, weil sie demokratisch gewählt wurde. Damit macht man sich wie vor 90 Jahren zum Steigbügelhalter für den Aufstieg antidemokratischer Kräfte und nimmt den Untergang der Demokratie sehenden Auges in Kauf. Und es ist erschütternd, dass wir gestern hier in der Debatte um den 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung wieder solche revisionistischen Reden hören mussten, wie sie leider nicht nur von der AfD gehalten wurden. 

In Erfurt waren politische Abenteurer am Werk, denen es wichtiger war, einen erfolgreichen und beliebten linken Ministerpräsidenten zu stürzen als sich Gedanken über das Land und seine Menschen zu machen. Die CDU als die größte Wahlverliererin erniedrigt sich dafür sogar so weit, einen Fünf-Prozent-Mann als Ministerpräsidenten in Stellung zu bringen, der es kaum in den Landtag geschafft hat. Am Ende aber war es ein politischer Angriff auf die nach 1945 geschaffene demokratische Ordnung. Und es ist die LINKE, die sich in Thüringen in der von FDP, CDU und AfD ausgelösten Krise als handlungs- und verhandlungsfähig zeigt.

Das Angebot von Bodo Ramelow, mit Christine Lieberknecht als Ministerpräsidentin unverzüglich Neuwahlen zu organisieren, war die klügste Idee und die letzte Chance, schnell aus der Staatskrise herauszukommen. Doch auch dazu war die CDU in Thüringen nicht bereit. Wenn die CDU in Berlin aus ideologischer Verbohrtheit weiter daran festhält, auch den Kompromiss für die Wahl am 04. März zu torpedieren, dann trägt sie die Verantwortung dafür, dass Thüringen noch tiefer im Chaos versinkt.

Mit ihrer Inflation von Abgrenzungsbeschlüssen nach rechts und links hat sich die CDU selbst in eine Falle manövriert. Sie zeigt damit aber nur, dass ihr der Kompass und die Führung fehlen. Dabei gibt es überhaupt keinen Grund, auch die LINKE in die Abgrenzungsorgie einzubeziehen. Kein Mensch will bei uns über eine Koalition mit der CDU auch nur nachdenken. Warum also das ganze Spektakel?

Weil es die CDU einfach nicht schafft, glaubhaft die Distanz zur AfD zu halten und mit klaren Ansagen die Rechtsausleger in den eigenen Reihen zu disziplinieren. Denn offensichtlich sind – jenseits der NS-Rhetorik der AfD – die inhaltlichen Überschneidungen in vielen Themenbereichen zu groß, um eine konsequente Absage an die AfD in den eigenen Reihen durchzusetzen und genau deshalb reißen die Forderungen aus der CDU nicht ab, sich für eine Kooperation mit der AfD zu öffnen.

Werder in Erfurt noch hier in Magdeburg ist die CDU in ihrer derzeitigen Verfassung ein verlässlicher Partner für die demokratischen Parteien. Eine taumelnde CDU mit einem ungeklärten Verhältnis zur extremen Rechten wird immer mehr zum Risiko für die Demokratie. Die Botschaft von Herrn Haseloff, „Wo wir sind, ist der Kern der Demokratie“, klingt da wie das Pfeifen im Walde. Denn davon hat sich die CDU in den letzten Jahren immer weiter entfernt. Genauso wie sie ihren Mythos vom „Bollwerk gegen die AfD“ selbst zu Grabe getragen hat.

Mit dem Verharren in der „rote Socken“-Ideologie – wir sind ja gerade wieder einmal die „gehäutete SED“ – wird die politische Auseinandersetzung durch billige Diffamierung ersetzt. Auch das, Herr Stahlknecht, vergiftet das politische Klima. Es ist aber vor allem ignorant gegenüber einer Tatsache: Die demokratischen Fraktionen dieses Hauses haben eben eine Parlamentsreform auf den Weg gebracht und haben mit ihrer Zustimmung zu den darin formulierten Staatszielen und der Wertbindung des Staates genau eines kenntlich macht: Den Unterschied zwischen Demokraten und Antidemokraten.

Die Ereignisse in Erfurt sind ebenso wie die verbalen Ausfälle gegen die LINKE Ausdruck für das Versagen der CDU in der Auseinandersetzung mit der extremen Rechten. Dabei könnte uns egal sein, was sie von uns halten und welche Bezeichnungen sie für uns finden. Was die permanente Gleichsetzung von AfD und LINKE aber zum Skandal macht, ist die damit einhergehende Verharmlosung und Relativierung der Dimension rechten Terrors.

Daran ist auch der CDU-Landesvorsitzende immer wieder aktiv beteiligt. Erst am letzten Freitag auf der CDU-Jubiläumsfeier wieder einmal mit der Aussage: „Wir müssen … an den extremen Rändern die Schotten dichtmachen“ Vielen Dank für diese Einordnung! Wenn durch das CDU-Spitzenpersonal immer wieder AfD und LINKE in einen Topf geworfen werden, dann kann ich ihnen nur sagen, Herr Stahlknecht: Solche Ministerpräsidenten sind das letzte, was dieses Land braucht. Wir brauchen eine Stärkung der Demokratie und klare Kante gegen die Angriffe von rechts.

Die Gefahr von rechts wird trotz Anschlägen, Terrorzellen und Morden weiter unterschätzt und relativiert. Die Eskalation der rechten Gewalt hat einen politischen und gesellschaftlichen Nährboden. Diese Terroristen mögen sich in rechten Netzwerken radikalisiert haben. Sie nähren ihre rassistischen Motive aber auch bei jenen, die ihnen zuvor das Wort reden und die ihren Gesinnungskumpanen den Weg in die Mitte der Gesellschaft, in die Parlamente und am Ende in die Regierungen bahnen.

Der von der SPD mit dieser Debatte geforderte Konsens der Demokraten hat nur dann eine Chance, wenn die CDU zur Vernunft und zur Verantwortung zurückkehrt. Ich befürchte jedoch, dass wir uns hier nicht zum letzten Mal mit der Bedrohung unserer Demokratie befassen müssen. Sei es wegen neuer politische Tabubrüche, sei es wegen neuer Terrortoten. Dabei ist im Grunde alles gesagt, seit Jahren. Wenn daraus aber nicht endlich konkrete politische und staatliche Handlungen folgen, dann bleiben die Debatten müßig und das Gedenken schal. Der Konsens der Demokraten, wird nicht durch Beschwörungen, sondern nur durch Taten und gemeinsames Handeln bewahrt. Lassen sie uns also endlich handeln und auch ein zweites Erfurt 2020 hier in Magdeburg 2021 verhindern.