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Thomas Lippmann zu TOP 31: Soziale Spaltung durch Lehrkräftemangel konsequent entgegentreten!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

wir haben uns hier in Hohen Haus ja schon oft mit dem Lehrkräftemangel beschäftigen müssen. Warum? Weil Bildungsminister Tullner bis heute nicht in der Lage ist, das ständige Absinken des Personalbestandes durch ausreichend Neueinstellungen zu verhindern. Doch nun müssen wir auch noch feststellen, dass er nicht einmal den Willen hat, diesen Mangel, wenn er ihn schon nicht in den Griff bekommt, zumindest gerecht zu verteilen. Es gibt hier Fehlentwicklungen, die in besonderer Weise skandalös und völlig inakzeptabel sind.

Ich hatte vor einigen Wochen die Bilanz der Personalpolitik von Minister Tullner erfragt und in dieser Kleinen Anfrage auch nach den einzelnen Schulformen differenziert. Dabei hat sich gezeigt, dass sich der Mangel an Lehrkräften nicht etwas gleichmäßig auf die Schulformen verteilt, sondern völlig einseitig zu Lasten der Grundschulen und vor allem der Sekundar- und Gemeinschaftsschulen geht. Der Lehrkräfteeinsatz an den Sekundarschulen ist allein in den letzten fünf Schuljahren um fast 20 Prozent hinter dem der Gymnasien zurückgeblieben.

Nun ist Minister Tullner zwar der Erfinder der sogenannten bedarfsmindernden Maßnahmen, er hat sie aber virtuos eingesetzt und massiv ausgeweitet. Begonnen hat der Abstieg der Sekundarschulen allerdings bereits zwei Jahre vor seiner Amtsübernahme, im Schuljahr 2013/14. Innerhalb dieser dann insgesamt sieben Jahre wurden die Sekundarschulen beim Unterrichtsangebot gegenüber den Gymnasien sogar um fast 25 Prozent abgehängt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in dem allgemeinen Mangel, den CDU und SPD zu verantworten haben, geht es am Ende auch den Gymnasien nicht mehr besonders gut. Auch dort erreicht die Unterrichtsversorgung kaum noch die 100 Prozent. Aber den Sekundarschulen und inzwischen in gleichem Maße auch den Gemeinschaftsschulen geht es richtig schlecht. Das Unterrichtsangebot an diesen beiden Schulformen ist in nur sieben Jahren um ein Volumen von mehr als einem ganzen Schuljahr geschrumpft. Und ein Ende dieses Sinkfluges ist nicht abzusehen.

Im Gegenteil. Wenn die CDU weiter für die Schulbildung Verantwortung trägt und die SPD im bei der universitären Lehrerausbildung nicht endlich Vernunft walten lässt, dann wird in fünf Jahren an den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen noch ein weiteres Schuljahr zusammengestrichen sein. Dann entlassen wir mit dem Reifezeugnis faktisch Achtklässler.  Das wird ein komplettes Desaster für die berufliche Ausbildung.

Aber die CDU schwört weiter ja auf das gegliederte Schulsystem, obwohl es damit nur Probleme und kaum vernünftige Ergebnisse gibt. Bundesweit ist ihr schon die Hauptschule wegen ihrer Unattraktivität abhandengekommen und nun trifft es die Sekundarschulen. Da wird immer laut lamentiert, wenn von Restschulen gesprochen wird, aber was soll es denn sonst sein? Sie schauen immer nur nach den Gymnasien und dass es denen gut geht und bloß nicht zu viele Kinder dorthin gehen.

Sie lassen mit den Schullaufbahnempfehlungen die Hälfte der Schülerschaft auf die Sekundarschulen schicken und kümmern sich dann kein Stück darum, was dort passiert. Wer nicht aufs Gymnasium darf, muss damit zufrieden sein, was übrigbleibt und was dabei am Ende herauskommt, ist egal.

Was sie hier zulassen, das ist nicht nur verantwortungslos, das ist auch gewissenlos. Denn das gegliederte Schulsystem, das nach oben und unten sortiert, ist immer auch mit einer Aufteilung der Schülerinnen und Schüler nach ihrer sozialen Herkunft verbunden. Und sie lassen gerade die Kinder und Jugendlichen an den Sekundarschulen hängen, die für ihre Entwicklung am stärksten auf die Unterstützung durch die Schule angewiesen sind. Sie lassen zu, dass die soziale Schere durch Ungerechtigkeiten im Schulsystem weiter auseinandergeht.

Minister Tullner, beenden sie unverzüglich diese Missachtung gegenüber den Sekundarschulen und der Gemeinschaftsschulen. Wir fordern sie auf, im neuen Schuljahr in größerem Umfang den Einsatz von Lehrkräften der Gymnasien und Gesamtschulen an den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen zu planen und die Unterrichtsversorgung auszugleichen.

Noch entscheidender ist aber, dass sie endlich die Weichen in der Lehrerausbildung anders stellen. Sie ignorieren noch immer die Empfehlungen der Expertenkommission für die Bestimmung des längerfristigen Lehrkräftebedarfs. Mit ihrer Blockade treffen sie heute die Fehlentscheidungen für den Lehrermangel in zehn Jahren. Ich frage mich ernsthaft, was noch passieren muss, welche Daten sie noch brauchen, bis sie bei der Lehrerausbildung endlich zur Vernunft zu kommen.

Wir fordern sie auf, die Studienplätze zum nächsten Wintersemester noch einmal deutlich zu erhöhen – und zwar in Halle und in Magdeburg. Um dem tatsächlichen Bedarf zumindest näher zu kommen, müssen an jeder der beiden Universitäten zusätzlich 200 Studienplätze angeboten werden, und zwar ausschließlich in den Kernfächern, den Naturwissenschaften und in den weiteren Mangelfächern.

Und verabschieden sie sich in der Lehrerausbildung von den zwei getrennten Laufbahnen für Sekundarschulen und Gymnasien. Es gibt seit Jahr und Tag die Probleme, das Lehramt an Sekundarschulen gegenüber dem Lehramt an Gymnasien zu etablieren. Das ist die ganzen Jahre nicht so ins Gewicht gefallen, weil ja kaum neue Lehrkräfte eingestellt wurden. Doch jetzt rächt sich diese ineffiziente Struktur von zwei konkurrierenden Lehrämtern, die auf das gleiche Schulalter ausgerichtet sind.

Sie können nicht weiterhin tatenlos zuschauen, wenn die Bewerbungen für das Lehramt an Sekundarschulen so weit hinter dem Bedarf zurückbleiben. Da hilft kein Wunschdenken, da muss jetzt gehandelt werden. Denn die Probleme mit den Bewerbungen setzen sich ja auch in den Seminaren für die Lehrämter und zum Schluss bei den Einstellungen in den Schuldienst fort.

Und natürlich muss letztlich an den Gymnasien frühzeitig für den Lehrerberuf geworben werden. Es gibt schon längst Vorschläge, Lehramtsstudierende als Tutoren in die Gymnasien zu schicken, sie müssen nur endlich umgesetzt werden. Und dann muss man sich um die angehenden Lehrkräfte auch kümmern und es nicht einfach laufen lassen. Man muss sie schon im Studium besser unterstützen, man muss die Stolpersteine an den Schnittstellen zur Seminarausbildung und vor allem beim Übergang in den Schuldienst endlich aus dem Weg räumen und sich endlich mehr einfallen lassen, um die angehenden Lehrkräfte schon in der Ausbildung an das Land und möglichst schon an die zukünftig Einsatzschule zu binden.

Auch wenn die Legislatur zu Ende geht und der Wahltag immer stärker in den Fokus rückt, es muss jetzt gehandelt werden.  Man kann mehr tun und sie müssen mehr tun. Sie wollen regieren, dann agieren sie auch. Und warten sie nicht nur ab, ob sich die Probleme von allein lösen, ob die Geburtenzahlen sinken und ob dann in 10 oder 15 Jahren auch die wenigen Lehrkräfte vielleicht für eine bessere Unterrichtsversorgung ausreichen. Das ist keine Leistung, das ist die Kapitulation vor den Herausforderungen.