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Thomas Lippmann zu TOP 24: Landesregierung hat durch die "Causa Wendt" Sachsen-Anhalt schweren politischen Schaden zugefügt

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

mit einem Überraschungscoup wollten Innenminister Stahlknecht und Ministerpräsident Haselhoff vor vier Wochen nach dem Weggang von Tamara Zischang offenbar ohne Absprachen in der Koalition und in den eigenen Reihen den DPolG-Vorsitzenden Rainer Wendt als neuen Innenstaatsekretär präsentieren. Die Pressemeldung aus der Staatskanzlei, dass ein bekannter Rechtspopulist und Hardliner in Sicherheitsfragen künftig hier in Sachsen-Anhalt die Geschicke der Polizei lenken sollte, hat zu ungläubigen Reaktionen geführt, denn eine solche Entwicklung war bisher von vielen nicht für möglich gehalten worden.

 

Nun wissen wir, dass die Entscheidung ja auch nicht lange gehalten hat und durch welchen Druck auch immer – sei es durch den Aufstand der Koalitionspartner oder durch die Intervention aus dem Kanzleramt – nach zwei Tagen wieder zurückgenommen werden musste. Herr Wendt ist nicht Staatssekretär in Sachsen-Anhalt geworden; und das ist gut so!

 

 

Dennoch ist durch die ganze Causa Wendt erheblicher politischer Schaden entstanden. Wir wollten mit unserem Antrag ursprünglich die Möglichkeit schaffen, dass wir uns hier im Parlament mit den Umständen ihres Zustandekommens und den Wellen, die die nachfolgenden Ereignisse geschlagen haben, auseinandersetzen und über die Konsequenzen diskutieren können.

 

Das ist nun seit der letzten Woche nicht mehr möglich, denn in der CDU und in der Koalition überschlagen sich inzwischen die Ereignisse. Nach der Causa Wendt folgte bereits die Causa Möritz, die sich nun zu einer Causa Schöpfel auszuweiten scheint.

Theo Schöpfel ist nach Angaben des Redaktionsnetzwerkes Deutschland als ehemaliger Bundeswehrsoldat 2012 einer der Mitbegründer des Vereins Uniter und war bisher CDU-Stadtratsmitglied in Sandersdorf-Brehna. Er steht dort auch weiterhin auf der Nachrückerliste der CDU.

 

Da erklärt sich plötzlich auf unheimliche Weise, weshalb der CDU-Kreisverband Bitterfeld so schnell bereit war, Robert Möritz einen Persilschein für seine Nazivergangenheit auszustellen und ihn nach seinem schnellen Austritt bei Uniter durch einstimmigen Kreisvorstandsbeschluss als geläutert und die Mitte der Gesellschaft reintegriert darzustellen. Hier funktionieren offenbar Netzwerke, die sich gegenseitig stützen, protegieren und verteidigen.

 

Das ist bei einem Verein wie Uniter auch nicht überraschend. Denn in einer solchen Vereinigung von Elitesoldaten, Polizisten und Personenschützern mit Verbindungen in rechtsextreme Milleus zählt natürlich Corpsgeist. Niemand anderes als André S., alias Hannibal, der die Nordkreuz-Chatgruppen ins Leben rief, in denen Todeslisten kursierten und Vorbereitungen für einen Umsturz besprochen wurden, ist einer der Gründer von Uniter. Wie wir heute wissen, war der zweite im Bunde eben auch das CDU-Mitglied Schöpfel.

 

Doch so erschreckend die Erkenntnis ist, dass es in der Regierungspartei CDU möglicherweise bereits Netzwerke von Leuten aus der extremen rechten Szene gibt, noch gravierender für unser Land und die Demokratie ist der Umgang der Partei mit diesen Umtrieben. Die demokratischen Kräfte in der CDU in Sachsen-Anhalt scheint nicht mehr durchsetzen zu können, dass solche Strukturen aufgedeckt werden und eine Trennung von rechtsradikalen ten erfolgt.

 

Statt hier klare Kante zu zeigen, setzen sich in der CDU die national-konservativen Kräfte mehr und mehr durch. Sie schaffen es, dass es im Kreisverband Bitterfeld bisher keine Konsequenzen gibt, sondern dass sich die Parteiführung demonstrativ vor Robert Möritz und vermutlich jetzt auch vor Theo Schöpfel stellt. Statt klare Kante zu zeigen, wird in der CDU immer offensiver der Konflikt mit den Koalitionspartnern gesucht und inflationär mit dem Ende der Koalition gedroht, wenn SPD und Grüne nicht bereit sind, auch noch solche rechten Brocken runterzuschlucken.

 

Die Drift der CDU Sachsen-Anhalt aus dem demokratischen Spektrum hatte ihren vorläufigen Höhenpunkt aber mit dem Beschluss zu einem neuen Grundsatzprogramm. Denn hier ging es nicht mehr nur um die fehlende Haltung zu einzelnen Personalien, hier wurde auf offener Bühne das Ruder von denen in der Partei übernommen, die den Kurs nach rechts außen steuern wollen. Eine innerparteiliche Gegenwehr oder wenigstens ein paar Stimmen der Vernunft gab es nicht. Der Kurswechsel wurde ohne Debatte und mit großer Mehrheit abgesegnet.

 

Die Entwicklung der letzten Wochen macht eins überdeutlich: Die CDU ist bereit, nicht nur auf die Rechte zuzugehen, sondern sich ihren Wünschen und Forderungen zu beugen und sich ihre Positionen zu eigen zu machen. Mit dem neuen Grundsatzbeschluss ist die Tür geöffnet worden für eine Zusammenarbeit mit der AfD und damit für die erstmalige Beteiligung einer rechtsextremen Partei an einer Regierung in Deutschland seit 75 Jahren.

 

Und das wenige Wochen nach dem rechtsextremen Terroranschlag von Halle, in einer Zeit, in der Jüdinnen und Juden ernsthaft darüber nachdenken, Deutschland zu verlassen, sollte die AfD an einer Regierung beteiligt werden. Sicher nicht so schnell in Berlin, da wird der demokratische Grundkonsens noch Stand halten. Aber hier, in der ostdeutschen Provinz scheint wieder vieles möglich zu werden.

 

Dass es der Parteirechten in der CDU mit ihrem Kurs raus aus der Mitte und vor allem weg von den Grünen ernst ist, zeigt die Vehemenz, mit der auf den Bruch der Koalition hingearbeitet wird. Für den Rest der Legislatur soll eine CDU-Alleinregierung unter Tolerierung der AfD getestet werden. Was dabei auf dem Spiel steht – für die CDU, für das Land und für unsere Demokratie - zählt bei solchen Machtphantasien nicht.

 

Wohin geht die Reise, wenn es keine ordnende Hand mehr gibt, die sich durchsetzen und die CDU im demokratischen Spektrum halten kann. Was ist vom Krisentreffen morgen Nachmittag und einem möglichen erneuten Sonderparteitag zu erwarten? Gibt es noch einen CDU-Parteivorsitzenden und einen CDU-Ministerpräsidenten, die politisch handeln und ihre Verantwortung für Partei und Land wahrnehmen? Der Ministerpräsident erklärt in Interviews, was aus seiner Sicht geht und was nicht. Keine Hakenkreuze und keine Alleinregierung. Aber was sind diese Aussagen Wert, wer in der CDU steht noch hinter diesen Aussagen, worauf kann man sich verlassen? Diese CDU sorgt fast täglich für Negativschlagzeilen – regional und überregional –, die das Image von Sachsen-Anhalt nachhaltig beschädigen.

 

Das alles macht Angst vor einer schwarz-braunen Zusammenarbeit, mit der die Zukunft dieses Landes verspielt wird. Wir hoffen, dass sich die demokratischen Kräfte in der CDU durchsetzen, aber die Hoffnung schwindet mit jedem neuen Skandal. Wir werden uns einer solchen antidemokratischen Entwicklung mit allen Kräften entgegenstellen und wir richten die Frage an die anderen demokratischen Parteien ebenso, wie an die Zivilgesellschaft, wo sie in dieser grundlegenden Auseinandersetzung stehen werden.

 

In einem bemerkenswert klaren Artikel von Zeit-online von gestern heißt es dazu am Schluss: „Deutschland hat ein Problem mit Antisemitismus und Rechtsextremismus“, sagte CDU-Ministerpräsident Rainer Haseloff nach dem Anschlag von Halle im Magdeburger Landtag. Das stimmt. Und deswegen sollte jeder Demokrat und jede Demokratin ab sofort ganz genau darauf schauen, was Haseloffs Landesverband in nächster Zeit tut. Gewählt wird spätestens im Sommer 2021. Stand jetzt muss man sagen: Wer die CDU in Sachsen-Anhalt wählt, der wählt ein Risiko für die Demokratie.“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!