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Thomas Lippmann zu TOP 24: Gemeinschaftsschulen mit eigenen gymnasialen Oberstufen ermöglichen

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

zum wiederholten Male müssen wir mit einem Antrag Bezug auf Beschlüsse des hohen Hauses nehmen, mit denen wir den Bildungsminister zum Handeln aufgefordert haben. Denn wenn ihm unsere Beschlüsse nicht passen oder ihm dazu nichts einfällt, dann setzt er eben solche Beschlüsse einfach nicht um. Oder – wie im Fall der Gemeinschaftsschulen – er macht das Gegenteil von dem, was beschlossen wurde.

Die jetzt in Rede stehenden Probleme bei der Einrichtung der ersten gymnasialen Oberstufen an Gemeinschaftsschulen waren leider schon länger absehbar. Es war erwartet worden, dass der Bildungsminister den Gemeinschaftsschulen, wo er nur kann, Steine in den Weg legen wird. Und es konnte auch nicht überraschen, dass er nun das Entstehen eigener gymnasialer Oberstufen an den Vorreiterschulen – in Wolmirstedt, in Aschersleben und später in Wittenberg und in Halle – verhindern will.

Denn unsere Gemeinschaftsschulen schreiben seit 2013 eine Erfolgsgeschichte. Sie sind ein innovatives Element in unserer Schullandschaft und schaffen eine wünschenswerte Perspektive für viele Schülerinnen und Schüler. Inzwischen haben sich bereits 41 öffentlich Sekundarschulen freiwillig in Gemeinschaftsschulen umgewandelt und es kamen dann sogar noch 6 Gemeinschaftsschulen in freier Trägerschaft hinzu. Das sind mehr als jede vierte Schule in Bereich der Sekundarstufe I.

Genau dieser Erfolg aber ist dem Minister ein Dorn im Auge. Gemeinschaftsschulen passen mit ihrem sehr erfolgreichen längeren gemeinsamen Lernen nicht in sein konservatives Weltbild eines allein auf Selektion setzenden sauber gegliederten Schulsystems. Das ist hier übrigens nicht anders als bei seinem gestörten Verhältnis zur Inklusion und dem Erhalt von Förderschulen.

Doch das ist es wohl nicht allein. Man könnte kalauern: Ein Gespenst geht um im Bildungsministerium und in der CDU. Denn mit den Gemeinschaftsschulen entsteht eine weitere Konkurrenz für die Alleinstellung der Gymnasien bei der Abiturbildung. Konnte man auf der konservativen Seite schon die Entstehung Integrierter Gesamtschulen nicht völlig verhindern, sollen nun nicht auch noch die Gemeinschaftsschulen im Revier der Gymnasien wildern.

Auf der CDU-Seite wurde über die Jahre viel politische Kraft aufgewendet, um die Ausbreitung der Gesamtschulen einzudämmen, da will man bei den Gemeinschaftsschulen gleich von Beginn an einen Riegel vorschieben. Gemeinschaftsschulen mit erfolgreichen Abiturienten sind das Letzte, was ein CDU-geführtes Bildungsministerium haben möchte.   

Denn Konkurrenz vertragen Gymnasien gar nicht. Sie leben davon, dass ihnen die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler möglichst frühzeitig zugewiesen werden und sie dann im Laufe der acht Jahre bis zum Abitur alle die wieder zurückschicken können, die ihrer Meinung nach gar nicht ans Gymnasium gehörten. Das wird aber schwierig, wenn es irgendwann keine Sekundarschulen mehr gibt, an die man die Schüler zurückschicken kann. Oder wenn dann diese Schüler an eine Gemeinschaftsschule mit eigener Oberstufe wechseln und dort ein gutes Abitur schaffen. Und wenn dann immer mehr Eltern schon in der 4. Klasse entscheiden, ihre Kinder nicht ans Gymnasium zu schicken, sondern den Weg des längeren gemeinsamen Lernens zu wählen. Dann könnten tatsächlich an der einen oder anderen Stelle Gymnasien den Gemeinschaftsschulen weichen müssen. Das will man nicht in der CDU, das bringt die ganze schöne Ordnung durcheinander.

Und genau so argumentiert der Minister dann auch. Zunächst spekuliert er darüber, dass die Schulen die geforderte Angebotsbreite in der gymnasialen Oberstufe mit weniger als den geforderten 50 Schülerinnen und Schülern je Jahrgang nicht darstellen könnten. Vor allem aber geht es ihm darum, kein weiteres Angebot an Plätzen in neuen gymnasialen Oberstufen zu schaffen, weil aus seiner Sicht bereits landesweit die schon bestehenden Oberstufen nicht ausreichend ausgelastet sind und somit vor einer weiteren Bedrohung durch Gemeinschaftsschulen geschützt werden müssten.

Er interpretiert dabei unser Schulgesetz so, als ob es quasi eine Bestandsgarantie für Oberstufen an Gymnasien gegenüber der Errichtung neuer Oberstufen an Gemeinschaftsschulen enthalten würde. Er behauptet, dass neue Oberstufen an aufwachsenden Gemeinschaftsschulen nicht eingerichtet werden dürften, wenn sie Oberstufen an Gymnasien gefährden könnten. Ein solcher Vorbehalt aber findet sich weder im Schulgesetz noch in der SEPL-VO 2014.

Eine Prognose, inwieweit die Einrichtung einer Oberstufe an einer aufwachsenden Gemeinschaftsschule den Bestand anderer gymnasialer Oberstufen benachbarter Schulen negativ beeinflussen kann, ist auch schon dem Grunde nach gar nicht möglich. Es kann nicht prognostiziert werden, ob Schülerinnen und Schüler, die an einer Gemeinschaftsschule mit eigener Oberstufe ein Abitur erreichen, diesen Bildungsweg auch an einem Gymnasium erfolgreich hätten beschreiten können oder wollen. Im Gegenteil: Es gibt Hinweise, dass Schülerinnen und Schüler von Gymnasien an die Gemeinschaftsschulen wechseln, weil sie nur dort unter den Bedingungen anderer Lernformen und eines erweiterten Zeitrahmens zu einem erfolgreichen Schulabschluss kommen können.

Und auch eine Prognose, ob es den Gemeinschaftsschulen mit eigener Oberstufe gelingen wird, auch mit weniger als 50 Schülerinnen und Schüler in den Schuljahrgängen ab der Klasse 11 ein ausreichendes Unterrichtsangebot vorzuhalten, kann nicht vorab getroffen werden. Dagegen spricht auch, dass es vielfältige Beispiele für ein erfolgreiches Arbeiten in gymnasialen Oberstufen von Gymnasien gibt, in denen die Mindestjahrgangsstärke mehrfach oder auch dauerhaft unterschritten wird. Das kann sich nur in der schulischen Praxis zeigen.

Deutlich gravierender als die Unterschreitung der Mindestjahrgangsstärke in der gymnasialen Oberstufe ist die Unterschreitung des ermittelten Gesamtbedarfs im Rahmen der Versorgung mit Lehrkräften. Diese ist gerade an Gemeinschaftsschulen besonders schlecht und stellt die Schulen natürlich vor erhebliche Probleme. Das kann aber nicht dazu führen, die Wahlfreiheit der Schülerinnen und Schüler einzuschränken und sie entgegen ihres Wunsches der gymnasialen Oberstufe einem Gymnasium zuzuweisen, nur um dieses besser auszulasten.

Unabhängig von diesen rechtlichen und pädagogischen Bewertungen ist aber das, was der Minister jetzt mit der angedrohten Schließung der gerade erst eröffneten Oberstufen in Wolmirstedt und Aschersleben vorhat, vor allem auch als Verwaltungshandeln völlig inakzeptabel. Im Schulbereich gehen solche sprunghaften Entscheidungen auf keinen Fall. Für die notwendige Verlässlichkeit, die Schüler, Eltern und Lehrkräfte in den Schulen zwingend für die Lernarbeit brauchen, verbietet es sich, wenige Wochen nach dem Unterrichtsbeginn zu verfügen, dass bereits zum Schulhalbjahr alles wieder auf „Null“ gestellt wird. Ein so rücksichtsloses Vorgehen disqualifiziert ihn als Schulminister.

Wir erwarten, dass die jetzt eingerichteten Oberstufen über einen vernünftigen Entwicklungszeitraum von mindestens fünf Jahren die nach der SEPL-VO mögliche Ausnahmegenehmigung bei Unterschreitung der Mindestschülerzahl erhalten. Und wir erwarten, dass dieses Signal jetzt gegeben wird und das Damoklesschwert wieder abgenommen wird. Denn natürlich schadet schon die Art der Debatte diesen Schulen, wenn Schüler, Eltern und Lehrkräfte in dieser Weise noch länger verunsichert werden. Für die Stärkung unseres Schulsystems sind erfolgreiche Gemeinschaftsschulen, die auch ein gutes Abitur vergeben können, eine entscheidende Triebkraft. Herr Tullner, springen sie über ihren Schatten und geben sie unseren Gemeinschaftsschulen eine faire Chance, sie haben es mehr als verdient.