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Thomas Lippmann zu TOP 10: Aktuelle Debatte "Zukunft des Windkraftstandortes Sachsen-Anhalt und Perspektiven für die Beschäftigten der Enercon GmbH und ihrer Tochterfirmen in Magdeburg"; Antrag: Solidarität mit den Beschäftigten bei Enercon, Windenerg

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die unternehmerische Entscheidung von Enercon, am Standort Magdeburg 1.500 Stellen zu streichen, ist ein schwerer Schlag für die Beschäftigten und ihre Familien und ein Rückschlag für die Tradition des Maschinenbaus in Magdeburg. Sie zeugt von der markradikalen Unternehmensphilosophie der Geschäftsführung von Enercon, die weder soziale Verantwortung gegenüber den Beschäftigten noch eine Verantwortung gegenüber der Stadt und dem Land erkennen lässt.

Denn so, wie hier alles zu laufen scheint, ist die Änderung der Geschäftstätigkeit von langer Hand geplant und strategisch vorbereitet worden. Offenbar muss man davon ausgehen, dass von Enercon keine Änderung der Entscheidung mehr zu erwarten ist. Das hat der Geschäftsführer Kettwig ja auch in allen Gesprächen mehr als deutlich gemacht.

Auch wenn jetzt alle Möglichkeiten für eine Weiterführung der Geschäftstätigkeit am Standort Magdeburg ausgelotet werden müssen, darf Enercon kein weiteres Steuergeld hinterhergeworfen werden. Alle politischen Anstrengungen müssen jetzt darauf gerichtet werden, den Scherbenhaufen zu beseitigen, den uns Enercon hinterlässt. Wenn das mit Enercon nicht zu machen ist, müssen dafür andere Partner gesucht werden.

Denn über Enercon reden wir ja längst nicht das erste Mal hier im Plenum. Wir haben den Konzern schon wiederholt für den Einsatz von Leiharbeitern, die Behinderung von Betriebsräten, seine Lohnpolitik oder für die massive Auslagerung von Unternehmensteilen in Tochterunternehmen scharf kritisiert. Und wie man jetzt hört, geht es damit munter weiter. Das ist nicht unsere Vorstellung von Guter Arbeit und es entspricht auch nicht unserer Vorstellung von Unternehmen, die von uns massiv gefördert werden sollten.  

Sogar Herr Gürth wirft jetzt dem Unternehmen „soziale Raffgier“ vor. Das überrascht etwas, denn bisher waren bei den Debatten über Enercon ganz andere Töne aus der CDU zu hören. Wenn z.B. Herr Thomas das gewohnte Hohelied auf das freie Unternehmertum anstimmt: Dass Enercon ja ein wichtiger Steuerzahler ist, einer der größten Arbeitgeber in der Region und vorbildlich in der Lehrlingsausbildung und so weiter. Vermutlich hören wir das ja auch heute wieder. Vielleicht helfen aber solche Erfahrungen, dass man in der CDU mal die rosarote Brille abnimmt, bevor man immer die Segnungen des freien Marktes anpreist.

Nun geht es uns aber heute nicht darum, dass wir mit unserer Kritik an Enercon Recht behalten haben. Wir wollen klären, wie weiterer Schaden zu verhindern ist und wie man aus der Misere rauskommt. Denn klar ist, dass Enercon nicht die alleinige Schuld trägt, wenn es mit der Produktion von Windkraftanlagen in Magdeburg nicht mehr weitergehen sollte.

Denn hier spielen vor allem auch die politischen Rahmenbedingungen eine Rolle, die für die Förderung der erneuerbaren Energien allgemein und der Windenergie im Besonderen gelten. Und die sind inzwischen so schlecht, dass auch ein besserer Arbeitgeber Schwierigkeiten hätte, Produktion und damit Arbeitsplätze zu erhalten.

Es ist eine umwelt- und energiepolitisch falsche Weichenstellung, der Windenergie die Luft abzudrehen und sie flügellahm zu machen. Die Rahmenbedingungen für den Bau von Windkraftanlagen müssen deshalb wieder so gestaltet werden, dass die Windenergie auch künftigen den Beitrag zur Energiewende leisten kann, den sie zu leisten im Stande ist.

Was wir vom CDU-Wirtschaftsminister Altmaier jetzt als Gesetz für die Umsetzung des Kohleausstiegs auf den Tisch bekommen haben, ist letztlich ein Verhinderungsgesetz für die Windenergie. Denn nach einer eigenen Studie des Wirtschaftsministeriums wird die pauschale Abstandsregelung von 1000 m zum nächsten Wohngebiet den Ausbau von Onshore-Anlagen zum Erliegen bringen. Die zur Verfügung stehenden Flächen würden sich drastisch reduzieren. Auch Sachsen-Anhalt würde diese Verschärfung deutlich zu spüren bekommen.

Wir sehen in der bundesweit einheitlichen Festlegung pauschaler Abstandsregelungen einen Eingriff in die kommunalen Planungsrechte und Kompetenzen der Bundesländer. Wir begrüßen es, wenn die Landesregierung hier zumindest die Möglichkeit von Ausnahmen extensiv nutzt.

Denn das Ziel, den Ausstieg aus der Kohleverstromung verbindlich zu regeln, würde auf diese Weise komplett verfehlt. Der Verzicht auf Strom aus Kohle kann natürlich nur gelingen, wenn neben der Reduzierung des Energieverbrauchs auch die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien weiter deutlich gesteigert wird. Und da spielt neben der Energie aus Sonne, Wasser und Geothermie natürlich auch die Windenergie weiterhin eine zentrale Rolle.

Es entsteht der Eindruck, dass die CDU beim Ausbau der erneuerbaren Energien auf die Bremse tritt, um den Ausstieg aus der Kernkraft und der Kohlverstromung bewusst zu erschweren. Wir fordern die Landesregierung auf, sich dieser Entwicklung im Bund entgegenzustellen und für Änderungen am derzeitigen Kohleausstiegsgesetz zu kämpfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war und bleibt richtig, dass Sachsen-Anhalt auf die Erzeugung erneuerbarer Energie und auf die Produktion der dafür erforderlichen Anlagen setzt.

Und dass es dafür innovative Unternehmen im Land fördert. Sachsen-Anhalt zählte zu den Vorreitern beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Nicht nur bei Wind, sondern auch bei Fotovoltaik waren wir einmal vorne mit dabei. Es war ein Aushängeschild für Sachsen-Anhalt, mit der Entwicklung der erneuerbaren Energien in Verbindung gebracht zu werden.

Das Potenzial, das in Sachsen-Anhalt für Produktion und Innovation im Bereich der Energie- und Umwelttechnologie gewachsen ist, muss erhalten und für die künftige Wertschöpfung genutzt werden. Unser Wirtschaftsminister ist ja zur Zeit in Vietnam auf der Suche nach dringend benötigten Arbeitskräften für unsere Wirtschaft. Gut wäre, wenn er bei dieser Gelegenheit auch das Interesse an wirtschaftlicher Zusammenarbeit wecken könnte.

Dort würde sich auch ein Blick über die Grenze in die chinesische Nachbarprovinz Guangxi lohnen. Es ist erst wenige Wochen her, dass auf Vermittlung von Vizepräsident Gallert eine Wirtschaftsdelegation aus Guangxi hier im Land war, um über die Möglichkeiten wirtschaftlicher Kooperationen im Bereich von Umwelttechnologien zu sprechen. Es wäre gut, von der Landesregierung zu hören, wie diese Kontakte weitergeführt werden und welche Möglichkeiten für die wirtschaftliche Entwicklung sich hieraus ergeben können.

Gründe für den extremen Rückgang beim Ausbau der Windenergieanlagen seit 2018 gibt es viele. Bürokratische Hürden und langwierige Genehmigungsverfahren zählen da ebenso dazu, wie Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung oder Fragen des Artenschutzes. Für diese Probleme sind aber Lösungen möglich, man muss nur anpacken – und anpacken wollen!     

Wir fordern die Landesregierung dazu auf, in Anlehnung an den 10-Punkte-Plan der Branchen- und Umweltverbände für den Ausbau der Windenergie ein Maßnahmenpaket zu entwickeln. Vor allem müssen die Kommunen von der Energieerzeugung auf ihrem Gebiet endlich auch profitieren. Es ist doch ein Unding, in Größenordnung Anlagen bei uns hier im Osten aufzustellen und den Strom und die Gewinne dann überwiegend in den Westen zu transferieren.

In Brandenburg war der Ausbau der Erneuerbaren Energien ein nicht unerheblicher Entscheidungsgrund für die Neuansiedlung eines Tesla-Werks. Wir sind überzeugt, dass sich die wirtschaftlichen Perspektiven auch in Sachsen-Anhalt verbessern, wenn die Anstrengungen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien verstärkt werden. Ob der Strukturwandel in den Kohle- und in den Automotivregion gelingt, wird auch von den Fragen künftiger Energieerzeugung abhängen. Der Strom, der bei uns erzeugt wird, sollte möglichst durch Unternehmen in der Region genutzt werden, statt ihn über umstrittene Trassen in den Süden abzugeben.