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Stefan Gebhardt zu TOP 3: Musikschulen im Land Sachsen-Anhalt

Die Große Anfrage zu den Musikschulen in Sachsen-Anhalt bildet die Entwicklung der letzten 20 Jahre ab. Mit dieser umfangreichen Übersicht verfügen wir über eine ausgezeichnete Grundlage, die es uns ermöglicht, das stabile Netz der qualitätsvollen Musikschullandschaft im Land auch für die kommenden Jahre zu sichern und Jedem eine hochwertige musikalische Grundbildung zugänglich zu machen.

Deshalb möchte ich meine Rede mit einem Dank für diese sehr aufschlussreiche Antwort beginnen, der nicht zuletzt dem Landesverband der Musikschulen gilt, der die Entwicklung der Musikschulen seit Jahren begleitet und die Daten zum großen Teil erfasst hat.

Zwei zentrale Aussagen sind überaus deutlich aus der Antwort zu entnehmen:

Erstens: Das Musikschulgesetz ist eine Errungenschaft in Sachsen-Anhalt, mit der sich das Land seit seiner Verabschiedung im Jahr 2006 klar für Kultur, Bildung, Leistung und Qualität in der musikalischen Bildung einsetzt.

Zweitens: Um diese Errungenschaft nicht auszuhöhlen oder gar komplett zu gefährden, ist die Landesförderung dringend überarbeitungsbedürftig!

Zunächst möchte ich kurz auf das Musikschulgesetz eingehen. Was hat uns veranlasst im Jahr 2006 ein solches Fachgesetz ins Leben zu rufen? Warum brauchen wir es heute?

Damals wie heute müssen kulturelle Bildungseinrichtungen, insbesondere wenn sie mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, Diskussionen über Effektivität und Effizienz standhalten. Das bietet nur ein gut durchdachtes Qualitätsmanagementsystem. Und das ist es, was mit dem Gesetz zur Förderung und Anerkennung von Musikschulen aus dem Jahr 2006 eingeführt wurde. Das Gesetz sichert seither die Qualitäts- und Leistungsstandards von Musikschulen in Sachsen-Anhalt und entwickelte diese in den letzten Jahren zielstrebig weiter. Auf der Grundlage dieses Gesetzes erfolgt die staatliche Anerkennung für die Musikschulen, die den gesetzlich verankerten Kriterien entsprechen. Laut Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage bestehen zum Stichtag 1. Januar 2018 21 staatlich anerkannte Musikschulen, die mit Landesmitteln gefördert werden. Mit der staatlichen Anerkennung erreichen die entsprechenden Musikschulen sozusagen die oberste Messlatte der Musikschulqualität.

Dabei sind Musikschulen im Land Sachsen-Anhalt nicht nur als Unterrichtsstätten für Instrumental- oder Vokalunterricht tätig. In manchen Regionen sind sie inzwischen wichtigster Partner für die Gestaltung kultureller Infrastruktur. Während die Begabtenförderung ein besonderes Element im Ausbildungskonzept ist, liegt das Hauptanliegen der Musikschulen darin, möglichst alle Kinder und Jugendliche zu erreichen.  23 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zeigt sich dessen Wirksamkeit.  Die 21 anerkannten und mit Landesmitteln geförderten Musikschulen betreiben 231 Unterrichtsstätten im Land, unterrichten regelmäßig über 19.000 Schüler und Schülerinnen und unterhalten bei ihren jährlich knapp 4.000 Veranstaltungen etwa 380.000 Gäste.

Dabei entnehmen wir aus den Antworten der Großen Anfrage, dass diese Zahlen in den vergangenen 20 Jahren konstant hoch geblieben sind, was wiederum von einem ungebrochen hohen Interesse bei der Bevölkerung zeugt. 

Ich finde, das ist durchaus ein Grund zur Freude und auch ein Grund einmal Stolz auf derartig gut gelungenen kulturpolitischen Entscheidungen zu sein.

Und das ist nicht der einzige Grund zur Freude. Das Landeskooperationsprogramm Musisch-ästhetische Bildung (kurz: MäBi) ist seit dem Pilotjahr 2001 ein bundesweit einzigartiges und erfolgreiches Programm musikalischer Früherziehung im Land und bietet jährlich etwa 3.600 Schülerinnen und Schülern ergänzend zum obligatorischen Musikschulunterricht erste praktische instrumentale Erfahrungen. Als kostenfreies Angebot steht es allgemeinbildenden Schulen zur Verfügung und erfreut sich äußerster Beliebtheit und vielseitiger Ausgestaltung.

Mit diesem Programm ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur  Teilhabegerechtigkeit gelungen. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass praktisches Musizieren einen umso größeren Einfluss auf persönlichkeitsfördernde Kompetenzen hat, je früher mit dem eigenen Musizieren begonnen wird.  Die Entwicklung von Musikalität, Sprache, Motorik, Kreativität und sozialen Fähigkeiten sind der Mehrwert, den wir mit diesem Landesprogramm allen Schülerinnen und Schülern ermöglichen. An dieser Stelle gilt ein Dank an den Landesverband der Musikschulen, der dieses Programm entwickelte, seit Beginn erfolgreich koordiniert und eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung gewährleistet.

Schaut man sich die Zahlen nun mal genauer an, zeigen sich in den jüngsten Jahren jedoch kleine Risse im Gesamtbild. So sind von dem im Jahr 2015 beschäftigten Lehrpersonal an den Musikschulen ca. 30% 55 Jahre und älter. Das bedeutet, dass bis 2025 voraussichtlich über 250 Lehrkräfte im Ruhestand sein werden. In dieser Situation ist es für die Musikschulen existentiell, Personal vertraglich zu binden und möglichst junge Musikschullehrer, die ja durchaus im Rahmen von Honorartätigkeiten an den Schulen arbeiten, mittels langfristiger Verträge zu halten.

Aber insbesondere bei den Honorarkräften im Alter zwischen 35 und 45 Jahren verzeichnen die Musikschulen hohe Verluste. Also bei den Menschen, die sich so langsam beruflich festlegen wollen und vor allem eine langfristige Perspektive brauchen. Wenn die Musikschulen dann nicht in der Lage sind, diesen Lehrkräften ein attraktives Arbeitsverhältnis zu bieten, sind sie weg und zwar nicht selten in ein anderes Bundesland abgewandert. Das dürfen wir nicht tatenlos zulassen! Jüngstes Beispiel dafür ist Bitterfeld. Die unterrichteten Jahreswochenstunden sind im vergangenen Jahr deutlich rückläufig, was natürlich Auswirkungen auf die Schülerzahl sowie die Einnahmen durch Gebühren hat.

In Bitterfeld sind zwei Honorarkräfte abgewandert, die laut eigener Aussage sehr gern an der Musikschule und auch im Land geblieben wären, aber sich letztlich für eine Festanstellung in einem anderen Bundesland entscheiden mussten. Die Musikschulen haben an dieser Stelle keinerlei finanzielle Spielräume, um dem entgegenzuwirken. Damit verschärft sich das Dilemma und es ist absehbar, dass diese Situation in den kommenden Jahren noch brisanter werden wird.

Was also tun?  

Die Große Anfrage bzw. die Daten aus deren Beantwortung bieten eine überaus deutliche Antwort! Während sich die Angebote der Musikschulen gleichbleibend hoher Beliebtheit erfreuen, die Qualität des Musikschulunterrichts, gesichert durch das Gesetz, auf sehr hohem und vor allem wünschenswert hohem Niveau bleibt, die Auslastung enorm hoch ist, so dass regelmäßig nicht allen Kindern und Jugendlichen, die an einem Musikschulunterricht interessiert sind, sofort ein entsprechendes Angebot unterbreitet werden kann – wenn nämlich die Wartelisten in den vergangen Jahren konstant bei 2.000 liegen - , stagniert die Förderung seitens des Landes seit 20 Jahren!

Die durchschnittliche Förderquote des Landes ist in den letzten 20 Jahren von 19,2 Prozent auf 12,1 Prozent gesunken. Das heißt im Umkehrschluss, die Kommunen und die Eltern müssen immer tiefer in die Tasche greifen, um ihre Kinder an einer ausgezeichneten musisch-ästhetischen Bildung teilhaben zu lassen.   Wir wollen aber, dass alle Kinder unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern Musikschulangebote nutzen können.

Ein besonders dramatisches Beispiel:  Die Musikschule im Altmarkkreis Salzwedel erhielt im Jahr 1997 noch knapp 22 Prozent Zuschüsse vom Land. 2017 waren es lediglich 9,7 Prozent. Innerhalb von 20 Jahren sanken die Fördermittel vom Land in einem so beträchtlichen Maße, dass der Ausgleich nur über eine Erhöhung der Unterrichtsgebühren und durch erhebliche Kompensationsleistungen der Träger – also der Kommunen – geschafft werden konnte.

Resultat dieser Entwicklung ist eben, dass wiederum insbesondere die Familien mit geringerem Einkommen sich künftig keinen Musikschulunterricht für ihre Kinder mehr leisten werden können. Das entspricht nicht der Intention des Gesetzgebers. Ich erinnere: hohe Qualitäts- und Leistungsstandards im Musikschulunterricht, der neben der Ausbildung im Ensemblespiel und musiktheoretischen Ergänzungsfächern, jedem besonders motivierten Musikschüler die Chance bietet, im Rahmen instrumentalen Einzelunterrichts musikalisch gebildet zu werden. Das muss drin sein.

An dieser Stelle möchte ich gern mal die Einschätzung der Landesregierung aus der Antwort auf Frage 34 zitieren: „Da der Betrieb der Musikschulen nicht nur von der Nachfrage und dem Angebot abhängig ist, sondern z.B. der allgemeinen Tarifdynamik und Preisentwicklung unterliegt, entwickeln sich die Kosten entsprechend. In diesem Sinne müssen die Zuwendungsgeber entsprechend ihre Zuweisungen anpassen, um den weiteren Betrieb der Einrichtungen in der gewünschten Qualität abzusichern und den Zugang für alle Teil der Bevölkerung zu gewährleisten.

Im Rahmen der politischen Willensbildung sind auf den jeweiligen Ebenen entsprechende Beschlüsse zu fassen, um die erforderlichen finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Das sehen wir genauso. Deshalb haben wir die Antwort auf unsere Große Anfrage zum Anlass genommen, einen entsprechenden Antrag zu verfassen, der dem Plenum heute vorliegt.

Mit der von uns im Antrag geforderten Erhöhung der Landesfördermittel für die staatlich anerkannten Musikschulen im Land, erreichen wir in moderaten Schritten, über vier Jahre, das Förderniveau von vor 20 Jahren.  Es ist dringend an der Zeit, dass das Land sich zur Qualität der musikalischen Ausbildung und damit auch zum Musikschulgesetz  bekennt