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Position zum Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge

Position der Fraktion DIE LINKE zum Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge

Wer öffentliche Aufträge erhalten will, soll tarifgebundene Löhne zahlen. Wo dies nicht greift, fordert DIE LINKE einen auskömmlichen Vergabemindestlohn. DIE LINKE will die Nachfragemacht des Staates zur Stärkung der Tarifbindung und damit für bessere Löhne sowie soziale und ökologische Standards einsetzen. Bei einer Lohnlücke von mehr als 18 Prozent zwischen tarifgebundenen und tariflosen Beschäftigten in Sachsen-Anhalt ist das erforderlich. 2020 mussten tariflose Beschäftigte bis zum März des Folgejahres arbeiten, um auf ein volles Jahresgehalt ihrer tarifgebundenen Kolleg*innen zu kommen. Bei der Bewertung des aktuellen Gesetzesentwurfes ist es für uns wesentlich, dass sich die Rahmenbedingungen für eine tariforientierte Vergabepolitik und Vergabemindestlöhne gravierend verändert haben. Bereits 2016 haben Gewerkschaften auf Differenzen zwischen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestentgelten bzw. Tarifverträgen und den regional zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen ausgehandelten Tarifverträgen hingewiesen. Dieser Wettbewerbsnachteil für tarifgebundene Unternehmen wird mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf nicht überwunden. Deswegen sollten bei öffentlichen Ausschreibungen jeweils die kompletten Tarifverträge (Manteltarifvertrag, Altersversorgung usw.) der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern angewendet werden. Wir brauchen eine Tariftreue-Erklärung bei Nachunternehmereinsatz sowie wirksame Bestandssicherung bzw. Schlechterstellungsverbot beim Betreiberwechsel bei Personenverkehrsdiensten.

Eine neue Lage ist mit der zunehmenden Inflation entstanden. Damit ist die Frage einer dynamischen Anpassung der Tariflöhne und des Vergabemindestlohnes neu auf die Tagesordnung setzt. Die derzeitige Berechnungsbasis des Vergabemindestlohnes soll durch Verknüpfung mit der Entgeltgruppe 1, Stufe 2 des TV-L (einschließlich Sonderzahlung) einen Bruttostundenlohn von 13 Euro ermöglichen. Es gibt jedoch keine gesetzliche Klarstellung, dass bei der Berechnung auch die künftigen Tarifsteigerungen des TV-L verpflichtend zu berücksichtigen sind. Bei einer Inflationsrate von über 7 Prozent wird dies nicht dem Ziel gerecht. Deswegen brauchen wir einfacheres und besseres Berechnungsmodell. Die 13-Euro-Basis aus dem Jahre 2021 Koalitionsvertag müssten daher Ende des Jahres 2022 14 Euro entsprechen. Dieses Basisniveau muss künftig zwingend entsprechend der Entwicklung des TV-L dynamisiert werden.

Das Gesetz enthält eine Reihe von Vorschriften, die die Tariftreue und Mindestlohnpolitik betreffen. CDU und FDP haben sich damit durchgesetzt, mit der Gesetzesnovelle zugleich eine Blaupause zur Erweiterung der Umgehung von Tariflöhnen und des Mindestlohnes bei der Vergabe öffentlicher Aufträge mitzuliefern. Die Gewerkschaften haben dies bereits im August 2021 kritisiert. Mit der Anhebung der Schwellenwerte für die das Tariftreue- und Vergabegesetz von 50.000 auf 120.000 Euro für Bauaufträge und von 25.000 auf 40.000 Euro bei Dienstleistungen, werden gerade die für Sachsen-Anhalt typischen kleinen und mittleren Betriebe aus dem Gesetz herausdefiniert. Dies sind bundesweit die höchsten Schwellwerte. Diese Hintertür für Sozialdumping muss geschlossen werden.

Es werden Umgehungsmöglichkeiten im neuen Vergabegesetz geschaffen. Über die bereits bestehende Möglichkeit, im Katastrophenfall auf die Anwendung des Gesetzes zu verzichten, wird eine neue Vorschrift eingefügt, dass in Not- und Krisensituationen das Gesetz teilweise außer Kraft gesetzt werden kann. Mit diesem Gummiparagrafen können alle tarif- und sozialpolitischen Vorteile des Gesetzes ausgehebelt werden. Der im Begründungstext gegebene Erklärung sollte wegen des Bezuges zur Corona-Pandemie aufhorchen lassen. Die wiederkehrende Begründung, sozialpolitische Vorschriften des Gesetzes einzuschränken, lautet Bürokratieabbau. Dies überzeugt nicht, weil eine wirksame Evaluierung des Gesetzes, nicht zuletzt wegen lascher Kontrollmechanismen nicht stattgefunden hat. Auch nach der Novelle des Vergabegesetzes soll eine Evaluierung erst kurz vor Ende der Wahlperiode erfolgen. Deswegen wollen wir die Kontroll- und Berichtspflichten der Landesregierung entsprechend erweitern. Außerdem wollen wir die Pauschale für die Mehrbelastung der Kommunen erhöhen.

 

Zentrale Eckpunkte der Fraktion DIE LINKE:

  1. Die Einschränkungen des Geltungsbereichs des Vergabegesetzes sind nicht hinnehmbar. Die Anhebung der ohnehin schon zu hohen Schwellenwerte muss verhindert werden. Die Möglichkeiten der Außerkraftsetzung des Vergabegesetzes durch Rechtsverordnung über den Katastrophenfall hinaus ermöglicht das Unterlaufen des Vergabegesetzes und muss verhindert werden.
  2. Ein Vergabemindestlohn von 13 Euro war Gegenstand des Landeswahlprogramms von Linken und SPD und wurde im Koalitionsvertrag von Sommer 2021 festgeschrieben. Mit der jetzigen Inflationsrate werden die 13 Euro des Sommers 2021 die 14 Euro vom Ende des Jahres 2022 sein. Nur mit einem solchen Vergabemindestlohn wird gegenüber dem zu erwartenden gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro noch eine Lenkungswirkung in Richtung Tarifgebundenheit erzielt werden.
  3. Soziale Kriterien finden sich im bisherigen Gesetz, jedoch haben sie aber die Wirkung von weißer Salbe. DIE LINKE verlangt den Ausschluss von Bewerbern, wenn sie einen Schwellenwert (zum Beispiel 20 Prozent) von sachgrundlosen Befristungen bei den Arbeitsplätzen überschreiten oder nicht nachweisen können, dass bei ihnen eine Entgeltgleichheit von Frauen und Männern existiert.
  4. Das Gesetz verliert seine Wirkung, wenn die Einhaltung nicht kontrolliert wird. Wir verlangen hier eine gesetzliche Regelung. Zum Umfang der Kontrollen der Einhaltung der Mindestlohnregelungen durch die Vergabestelle sowie die Erhöhung der Vertragsstrafen auf 10 Prozent des Auftragsvolumens im Falle von Verstößen.

 

10 Verbesserungsvorschläge zum Gesetzentwurf

§ 1 Sachlicher Anwendungsbereich

  1. Die Schwellenwerte waren zum Zeitpunkt der ersten Fassung des Gesetzes zu hoch, eine weitere Erhöhung der Schwellenwerte muss auf jeden Fall verhindert werden.
  2. Die Außerkraftsetzung tarifgebundener Vergabelöhne bzw. des Mindestlohnes durch eine neue Verordnungsermächtigung für das zuständige Ministerium ist zu streichen.

§ 4 Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien

  1. Aus unserer Sicht kranken die bestehenden Formulierungen im Gesetz vor allem an ihrer Unverbindlichkeit. Exemplarisch kann dies im Bereich der Einschränkung sachgrundloser Befristungen durch die Einführung einer Obergrenze geschehen sowie durch eine Nachweispflicht für weitere Maßnahmen wie der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern. 

§ 8 Erteilung des Zuschlags

  1. Hier sollte ein konkreter Bezug zu den Tariftreue- und Mindestlohnvorschriften des § 10 sowie den sozialen und ökologischen Kriterien des § 4 ergänzt werden.

§ 10 Tariftreue, Mindestlohn und Entgeltgleichheit

  1. In dem Gesetz ist klarzustellen, dass für 2022 ein Vergabemindestlohn von 14 Euro pro Stunde eingeführt wird, der entsprechend der Anpassungen des TV-L zu dynamisieren ist.

§11 Betreiberwechsel bei Erbringung von Personenverkehrsdiensten

  1. Bei einem Betreiberwechsel muss gesichert sein, dass die Beschäftigten bei einem Betreiberwechsel mit ihren vollständigen betrieblichen Regelungen übernommen werden. Hier darf bei der Evaluierung keine Verschlechterung für die Beschäftigten stattfinden.

§ 13 Nachunternehmereinsatz

  1. Hier liegt seit 2016 ein Vorschlag des DGB auf dem Tisch, den wir in den Gesetzgebungsprozess einbringen werden: „Der Auftragnehmer darf Bau- und Dienstleistungen nur auf Nachunternehmer übertragen, wenn der Auftraggeber im Einzelfall schriftlich zugestimmt hat. Satz 1 gilt entsprechend für jeden weiteren Nachunternehmer. Die Bieter haben bereits bei Abgabe ihres Angebots ein Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen vorzulegen. Die nachträgliche Einschaltung oder der Wechsel eines Nachunternehmers bedarf der Zustimmung des öffentlichen Auftraggebers.“

§ 17 Kontrollen

  1. Die bestehende Kann-Bestimmung ist durch die Regel zu ersetzen, dass der öffentliche Auftraggeber die Einhaltung insbesondere der Vorschriften § 10 (Tariftreue, Mindestlohn und Entgeltgleichheit), § 11 (Erbringung von Personenverkehrsdiensten § 12 (ILO-Kernarbeitsnormen) § 13 (Nachunternehmereinsatz) sowie § 17 (Dokumentationspflichten) kontrollieren muss.

§ 18 Sanktionen

  1. Die Vertragstrafen bei Verstößen gegen die § 10 (Tariftreue, Mindestlohn und Entgeltgleichheit), § 11 (Erbringung von Personenverkehrsdiensten, § 12 (ILO-Kernarbeitsnormen) sowie § 17 (Dokumentationspflichten) werden von 5 auf 10 Prozent erhöht. 

§ 23 Ausgleich der Kosten für Kommunen

  1. Der erhöhte Aufwand für die Kommunen ist auf 2 Millionen Euro pro Jahr festzusetzen. Seit 2012 ist dieser Betrag gleichgeblieben und sollte nach zehn Jahren erhöht werden.

§ 24 Evaluierung

  1. Der Entwurf sieht eine Evaluierung nach drei Jahren vor. Aus unserer Sicht sind die tarifschließenden Gewerkschaften in die Erarbeitung der Berichterstattung einzubinden.

 

Magdeburg, 13. Mai 2022