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Monika Hohmann zu TOP 3: Aktuelle Debatte: Teilhabe aller so schnell wie möglich umsetzen: Bürgergeld jetzt. CDU-Blockade beenden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

es ist nun gut einen Monat her, dass wir, DIE LINKE, das Thema Bürgergeld hier im Plenum behandelt hatten. Was war das Ergebnis? - Der eingebrachte Antrag, welcher auf die Überwindung von Hartz IV hinwirkte und eine tatsächliche und zielgenaue Teilhabe für die Mehrheit der Leistungsbezieher*innen des sogenannten Hartz IV abzielte, wurde abgelehnt mit den Stimmen der SPD, der FDP und der CDU.

Nun, genau 35 Tage später stehen wir wieder hier und debattieren erneut über das Bürgergeld. Doch diesmal liegt gemäß der Aktuellen Debatte von Seiten der Grünen der Schwerpunkt auf der CDU- Blockade  im Bundesrat, da diese den „grundsätzliche[n] Systemwechsel in der aktiven Arbeitsmarktpolitik, wie er etwa durch den Wegfall des Vermittlungsvorrangs und die Einführung eines Vertrauensjahres von der Bundesregierung geplant ist“, verhindert. Wie schon im letzten Plenum erwähnt, stellt dieser aktuelle Gesetzesentwurf keine Überwindung von Hartz IV dar und führt dementsprechend auch nicht zu einem „grundsätzlichen Systemwechsel“. So sind die Ansätze des Entwurfes zu befürworten, aber leider reichen diese nicht zur Etablierung einer armutsfesten Grundsicherung aus. Die Logik und die typischen Charakteristiken des bestehenden Hartz-IV-Systems werden weiter bedient. Hierzu zählen beispielsweise die niedriggerechneten Regelleistungen sowie die Sanktionen. Dementsprechend haben wir schon im letzten Plenum erläutert, dass es weitere notwendige Schritte bedarf, um allen Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen und um Teilhabe am Erwerbsleben zu befördern. Es stellt für die Betroffenen und Leistungsbezieher*innen in Summe nur einen Tropfen auf den heißen Stein dar.

Sehr geehrte Herr/Frau Präsident/in, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

selbst wenn nur bestimmte Personengruppen die Verbesserungen des Bürgergeldes spürbar im Alltag vernehmen würden, ist es unter den gegebenen Inflations- und Teuerungsraten mehr als verwerflich, an diesen zu rütteln.

CDU und CSU wollen – obwohl mit dem Bürgergeld im Wesentlichen die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nachvollzogen werden, mit denen das bestehende Hartz-IV-Systems abgemildert werden soll – selbst diese Verbesserungen nicht mittragen. Hier stellt sich zwar noch die Frage, ob die CDU ein Problem mit dem Urteil hat oder dieses noch nicht zur Kenntnis nehmen konnte. Es zeigt aber die grundlegende Verachtung all jener, die, aus welchen Gründen auch immer, im Leistungsbezugssystem sind.

Der Umgang mit dem Bürgergeldentwurf sowie die Äußerungen über Menschen im Leistungsbezug waren in den letzten Wochen mehr als herabwürdigend und es wurden Menschen in einer Art und Weise stigmatisiert, dass ich einfach nur entsetzt sein konnte.

So hatten CDU und CSU ihr Ziel erreicht und am 14.11.22 durch eine parteipolitisch motivierte Blockade im Bundesrat das Bürgergeldgesetz in den Vermittlungsausschuss gebracht.

Nicht nur, dass die Einführung zum 01.01.2023 vorab schon gefährdet war, wird dieses Verhalten jetzt definitiv die Menschen in Sachsen-Anhalt zu den Leidtragenden machen.

Wer genau wird dieses Verhalten mittragen müssen? Zum einen all jene, die auf die Grundsicherung und die aktuell auf jeden Cent mehr angewiesen sind und zum anderen die Beschäftigten in den Jobcentern, welche schlussendlich unter Hochdruck die Reform umsetzen und praktizieren müssen und ggf. auch das Leid sowie den Unmut der Leistungsbezieher*innen vernehmen können, weil diese Blockade alles verzögert hat.

Doch schauen wir uns die Aussagen seitens der CDU doch einmal genau an:

So war das grundlegende Argument „das Arbeiten würde sich nicht mehr lohnen“, wenn das Bürgergeld wie geplant eingeführt wird und dass die Grundsicherung dann einem Bedingungslosem Grundeinkommen gleichkäme.[1] Begründet werden diese Aussagen in der vollständigen und unbegrenzten Heizkostenübernahme, Karenz-/Vertrauenszeiten, den an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts angepassten Leistungsminderungen und dem anfänglich erhöhtem Schonvermögen. All dies soll die Motivation an den Arbeitsmarkt zurückzukehren hemmen, gemäß Friedrich Merz.[2]

Wie wir schon feststellten, bleibt das Bürgergeldgesetz vollkommen im Sinne der bestehenden Grundsicherungslogik. Das ALG II ist als Teil eines Leistungs- und Maßnahmenkatalogs zu verstehen, dass die Arbeitsmarktintegration als Ziel hat. Neben den gewährten Geldleistungen zum Bestreiten des Lebensunterhalts sind weitere Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik in Form von Sach- und Dienstleistungen vorgesehen und Leistungsempfänger an ein Fallmanagement gebunden. Das SGB II verfolgt explizit ein „Fördern und Fordern“. Damit ist das Prinzip der Eigenverantwortung und der Mitwirkung des Leistungsempfängers gemeint. Damit verbunden sind auch Sanktionen in Form von Leistungskürzungen, wenn die Mitwirkung nicht geschieht. Falls ein Leistungsempfänger ohne wichtigen Grund die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit verweigert, kann die Regelleistung gekürzt werden.

 Da das Bürgergeld eben keine Abwendung des Prinzips des „Förderns und Forderns“ bringt, wie im letzten Plenum erläutert, erfüllt es somit eben nicht den Charakter eines Grundeinkommens und ich kann aus dieser Behauptung nur schließen, dass die CDU „jede sachliche Debatte über die Webfehler“ ihrer Denkmuster verweigert, um ihren Kollegen Hermann Gröhe in Teilen zu zitieren.[3]

Sehr geehrte Herr/Frau Präsident/in, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Bevor ich auf den nächsten Aspekt der Blockadehaltung der CDU eingehe, möchte ich nochmal die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Deutschland aus dem Juni 2022 nennen: Es sind 3,8 Mio. Menschen und hiervon sind 2,28 Mio. Menschen in aufstockenden Leistungsbezug. Was bedeutet das?

Auf der Webseite der Bundesagentur für Arbeit findet sich hierzu folgende Erläuterung: „Wenn Ihr Einkommen nicht für Ihren Lebensunterhalt beziehungsweise den Ihrer Bedarfsgemeinschaft reicht, können Sie es mit Arbeitslosengeld II ergänzen (umgangssprachlich: aufstocken). Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie angestellt oder selbstständig sind. Sie können diese Leistung beim Jobcenter beantragen.“[4]

Doch wer sind denn die sogenannten „Aufstocker*innen“? Hierzu gehören:

„Leistungsberechtigte, die arbeitslos gemeldet sind und ihr Arbeitslosengeld II durch die Aufnahme eines Minijobs aufstocken;

Nicht arbeitslose Leistungsberechtigte (z.B. Alleinerziehende mit kleinen Kindern, denen eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet wird), die ebenfalls ihre ALG II-Leistungen durch das Einkommen aus einem Minijob aufstocken;

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, bei denen das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft, in der sie leben, noch unter dem Hartz IV Niveau liegt und die ihr niedriges Einkommen (aus Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung) durch das Arbeitslosengeld II aufstocken.

Selbstständige, bei denen das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft, in der sie leben, ebenso unter dem Hartz IV Niveau liegt und die ebenfalls ihr Einkommen aufstocken.“[5]

Liebe CDU im Landtag Sachsen-Anhalt,

Sie sind dem Aufruf der Bundes-CDU gefolgt unter dem Argument „Arbeit muss sich lohnen“ und haben durch die Nicht-Einigung der Koa sich am Montag enthalten[6], obwohl Ihnen klar ist, dass wir in Deutschland 2,28 Mio. Erwerbstätige haben, welche mit ihrem eigenen Einkommen nicht für ihren Lebensunterhalt bzw. für diejenigen, die mit in der Bedarfsgemeinschaft leben, aufkommen können?

DIE LINKE setzt sich seit Jahren für den Mindestlohn, die Sozialversicherungspflicht in jedem Arbeitsverhältnis sowie die Tarifbindung ein und kämpft für die Umwandlung von Leiharbeit in reguläre Jobs und steht an der Seite der Gewerkschaften sowie der Arbeitskämpfe!

Und nun, wenn die Situation von einigen Menschen im Leistungsbezug zumindest etwas Entlastung und Unterstützung mit sich bringt, kommen die CDU und die CSU mit dem Argument, dass das nicht geht, weil sich DAS ARBEITEN sonst nicht mehr lohnt!? Das ist doch pure Ironie, da die oben benannten Zahlen zeigen, dass sich Arbeit aktuell schon nicht lohnt, gemäß ihrer Logik!

Wenn ihre Kolleginnen und Kollegen auf Bundesebene das ernst meinen, dann erzählen Sie doch von den Inputvorträgen der Armutskonferenz der AWO letzten Donnerstag und dass eine benannte Lösung die Re-regulierung des Arbeitsmarktes ist.

Hoffentlich gibt es bei der CDU und der CSU dann ein vollständiges Umdenken und wir freuen uns demnächst auf Ihre Unterstützung, wenn wir uns für die Abschaffung von Mini- und Midi-Jobs sowie der Leiharbeit einsetzen, da u.a. diese „Marktflexibilisierungen“ den Niedriglohnsektor in Deutschland befeuern. Seit Mitte der 1990er bis zum Jahr 2018 ist die Zahl der Beschäftigten im Bereich des Niedriglohns um 3 Mio. auf 7,7 Mio. Menschen in Deutschland gestiegen. Doch wer ist denn in diesem Bereich besonders häufig tätig bzw. wird dementsprechend in armutsgefährdeten und prekären Verhältnissen gehalten? Das sind beispielsweise Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, Ostdeutsche, geringfügig Beschäftigte und formal Geringqualifizierte.[7] Durch die Abschaffung des Niedriglohnsektors sowie die Einführung der Arbeitszeitverkürzung würden Sie bspw. den Aufstocker*innen helfen, sodass diese nicht weiter auf Leistungen nach dem 2. Sozialgesetzbuch angewiesen sind und sich DAS ARBEITEN endlich wieder lohnt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

das von den Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag beschlossene Bürgergeld ist keine Überwindung von Harz-IV. Es sind aus Sicht der Fraktion DIE LINKE. weitergehende Schritte nötig, um eine armutsfeste Grundsicherung in Deutschland zu etablieren. Deshalb werden unsere Vertreter*innen im Vermittlungsausschuss sich für den Entwurf des Bürgergeldgesetzes, wie vom Bundestag beschlossen, einsetzen.[8] Vielen Dank!

 


[1] https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-11/union-friedrich-merz-buergergeld-grundeinkommen (15.11.2022) und https://www.zdf.de/nachrichten/politik/buergergeld-arbeit-rechenbeispiele-100.html (16.11.22)

[2] https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-11/union-friedrich-merz-buergergeld-grundeinkommen (15.11.22)

[3] www.die-linke.de/start/presse/detail/buergergeld-notwendige-aenderungen-aber-nicht-weitgehend-genug/(14.11.2022)

[4] https://www.arbeitsagentur.de/arbeitslosengeld-2/einkommen-ergaenzen (15.11.22)

[5] https://www.sozialpolitik-aktuell.de/files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Arbeitsmarkt/Datensammlung/PDF-Dateien/abbIV81b.pdf (16.11.2022)

[6] https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/reaktionen-buergergeld-blockade-bundesrat-100.html (14.11.2022)

[7] https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/200624_Studie_Niedriglohnsektor_DIW_final.pdf, S.6 (15.11.22)

[8] www.die-linke.de/start/presse/detail/buergergeld-notwendige-aenderungen-aber-nicht-weitgehend-genug/(14.11.2022)