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Kerstin Eisenreich zu TOP 6: Kein weiterer Flughafenausbau - Moratorium jetzt

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Kommunen und die Bewohner:innen der Region um Halle und Leipzig sehen sich seit mehr als einem Jahr mit einem Antrag des Flughafens Leipzig-Halle auf ein Planfeststellungsverfahren konfrontiert. Mit diesem soll der Flughafen weiter ausgebaut werden. Dabei soll das sogenannte Vorfeld bei DHL erweitert werden, damit dort in möglichst kurzer Zeit und ohne Verzögerungen mehr Flugzeuge schnell abgefertigt werden können. Da schnippt also DHL mit dem Finger und der Flughafen springt, macht sich die das Ansinnen zu eigen. Damit einher geht eine massive Erhöhung des Frachtverkehrsaufkommens insgesamt aber vor allem in der Nacht. Wobei selbst die Prognosen für den Fall, dass ein Ausbau nicht genehmigt wird, von einem steigenden Frachtverkehrsaufkommen ausgehen. Auch hier wieder verstärkt in der Nacht.

Lassen Sie uns nun mal gedanklich einen Blick hinter die Kulissen werfen bzw. hinter die Fenster der Betroffenen schauen. Es ist gegen 22:00 Uhr und so mancher beschließt den Tag, um am nächsten Tag wieder seinen Dingen nachzugehen. Während in vielen Gebieten die Menschen die Fenster zu Schlaf- und Kinderzimmern öffnen, schließen die meisten Menschen in der Region die Fenster, denn ab jetzt werden innerhalb von ca. 3 Stunden etwa 75 bis 80 Flugzeuge landen, um dann zwischen 3:00 und 6:00 Uhr wieder zu starten. Das bei geöffnetem Fenster ohne aufzuwachen durchzuhalten, ist nur wenigen vergönnt. Gesund ist es aber auch für jene, die durchschlafen können, auf keinen Fall. Aber da wären ja noch die vom Flughafen vor zehn Jahren auf Antrag eingebauten Lüfter, zumindest in den wenigen Gemeinden und Ortschaften der sogenannten Nachtflugzone. Ehrlich gesagt kenne ich in meiner Nachbarschaft kaum einen, der diese Lüfter heute noch betreibt. Denn sie fressen Strom und das in mehreren Zimmern. Sie sind inzwischen völlig veraltet und müssten ausgetauscht werden. Und für die Wartung muss man selbst aufkommen. Also zum Lärm noch Kosten über Kosten, nur weil hier im Land und im benachbarten Sachsen unbedingt an der Nachtfluggenehmigung für den Frachtverkehr festgehalten wird. Und wenn wir dann schon mal beim Lärm sind, so sprechen wir in der unmittelbaren Umgebung, also Kabelsketal, Schkopau auf sachsen-anhaltischer Seite von Lärmereignissen von mehr als 64 Dezibel bis 88 Dezibel als Maximalpegel. Diese treten nach den statistischen Daten von 2018 in Großkugel insgesamt so oft auf, wie Flugbewegungen registriert sind, als um die 150 Mal pro Nacht! Und das soll jetzt weiter ausgebaut werden. Weitere 30 Starts und Landungen in den genannten kleinen Zeitfenstern und damit durchschnittlich alle 100 Sekunden sollen nach dem Willen von DHL hinzukommen -pro Nacht! Dazu kommt, dass der Anteil der Großraumflugzeuge, die wesentlich lauter sind, enorm steigen soll. Von diesen Lärmbelastungen sind 240.000 Menschen stark bis sehr stark und im Großraum ca. 1,5 Millionen Menschen insgesamt betroffen. Übrigens haben von den 240.000 nur 23.000 Lärmschutzfenster erhalten.

Die Weltgesundheitsorganisation hat in ihren 2018 verabschiedeten Leitlinien für Umgebungslärm zum Schutz der menschlichen Gesundheit die Empfehlung für die nächtliche Lärmbelastung für Fluglärm mit maximal 40 Dezibel angeben. Was für ein Unterschied! Normal wird im Bereich des Flughafens ein Wert von 50 Dezibel angegeben. Allein das liegt bereits über dem für die Gesundheit noch akzeptablen Wert. Hier soll eine ganze Region mit einem Lärmteppich überzogen werden. Das wirkt sich bereits heute auf die Gesundheit der Anwohner:innen aus. Bisher lagen bereits von anderen Flughäfen Studien über gesundheitliche Risiken vor. Auch im Raum Halle-Leipzig liegen Daten von vermehrten Herz-Kreislauf-, Atemwegs- und Krebserkrankungen, Depressionen, Lern- und Konzentrationsdefizite vor. Im Juni 2018 hat das Zentrum für Kardiologie der Mainzer Universitätsmedizin den Durchbruch in der Fluglärmforschung erzielt. In einer Studie haben sie ein Enzym identifiziert, dass fluglärmbedingte Gefäßschäden verursacht. Das Fazit der Studie lautet: Nachtfluglärm ist besonders schädlich für Gehirn und Gefäße. Die Autoren der Studie plädieren daher dafür, die Nachtruhe, insbesondere in der gesetzlich definierten Zeit zwischen 22 und 6 Uhr vor Lärm zu schützen.1

Als im Jahr 2000 DHL sein damaliges Frachtdrehkreuz in Brüssel erweitern wollte, stießen diese Pläne bei der Bevölkerung auf massiven Widerstand. Interessant sind in diesem Zusammenhang Aussagen des damaligen belgischen Finanzministers Didier Reynders, der sagte: „Wenn ich abwägen muss zwischen den Interessen des Unternehmens und dem Schutz der Anwohner, hat letzteres den Vorrang.“ Eine solche Haltung kann ich in Sachsen-Anhalt nicht erkennen.

Deshalb fordern wir heute hier ganz klar ein Nachtflugverbot für den Flughafen und ein Moratorium für die Ausbaupläne.

Denn auch die Umweltbelastung durch den Flugverkehr ist nicht zu unterschätzen. Schon heute ist der Flughafen mit 1,76 Tonnen CO2-Ausstoss je Start bzw. Landung der klimaschädlichste Flughafen Deutschlands. Der klimaschädliche CO2-Ausstoß des den Flughafen betreffenden Flugverkehrs betrug 2018 ca. 6,2 Mio. Tonnen. Er wird durch den Frachtflugausbau auf 10 Mio. Tonnen steigen. Dies entspricht bei den vom Umweltbundesamt zu berechnenden Klimafolgekosten von 180 Euro pro Tonne CO2 einem Klimaschaden von 1,8 Milliarden Euro. Wer diese Kosten trägt, dürfte wohl jedem und jeder klar sein: DHL ist das jedenfalls nicht! Wer also tatsächlich etwas für den Klimaschutz und die Reduzierung von Treibhausgasen tun will, so wie es die Landesregierung auch immer wieder vollmundig erklärt und mit dem Klima- und Energiekonzept immerhin ambitionierte Ziele formuliert hat, kommt am Flugverkehr nicht vorbei. Denn mir stellt sich wie so vielen Anwohner:innen z. B. die Frage, warum das ebenfalls mit Steuermitteln errichtete Bahnterminal der DB Cargo überhaupt nicht in Planungen einbezogen, geschweige denn genutzt wird. Es ist doch längst in der Diskussion angekommen, dass innerdeutsche und innereuropäische Flüge im Frachtverkehr besser auf die Schiene zu verlagern sind.

1 Quelle: Stiftung Mainzer Herz | Projekte » Fluglärm-Forschung (herzstiftung-mainzer-herz.de)

 

 

Abgesehen davon, ist die generelle Entwicklung zu weltumfassenden Zulieferketten eben nicht nachhaltig und für die regionale Wirtschaftskreisläufe mit standortnahem Gewerbe förderlich. Und da wären wir auch schon beim Totschlagargument Arbeitsplätze. Richtig ist, dass im Zuge der Ansiedlung und Entwicklung des Flughafens Arbeitsplätze entstanden sind. Aber wie ich bereits dargelegt habe, findet ein Großteil der Logistik nachts statt. Das bedeutet dauerhaften Nachtarbeit für die Menschen. Bitte nennen Sie mir eine einzige Studie, die bestätigen kann, dass dauerhafte Nachtarbeit gut für die Gesundheit und auch das soziale Leben eines Menschen ist. Viele junge Menschen sehe ich abends gegen 21:00 Uhr mit der S-Bahn dem Flughafen entgegenstreben und früh gegen 6:30 wieder nach Hause. Das mag eine Zeit lang vielleicht reizvoll sein, aber auf Dauer funktioniert das nicht und Familienplanung können sie eigentlich vergessen. Und die Arbeit ist ein Knochenjob!

Darüber hinaus sind inzwischen in der unmittelbaren Umgebung des Flughafens weitere riesige Logistikcenter entstanden. Diese Entwicklung geht in die falsche Richtung. Das Verkehrsaufkommen insbesondere auf den Straßen und Autobahnen wächst immer weiter mit allen Folgen für Klima, Umwelt und Gesundheit der Menschen.

Zugleich verbaut sich die Region eine Entwicklungsperspektive hin zu nachhaltigen, zukunftsweisenden Bereichen. Da gäbe es unendlich viel zu tun und hinreichend Potenzial, so in den Bereichen Gesundheit, Erneuerbare Energien, Wassermanagement usw. Auch der Tourismus könnte entwickelt werden. Zahlreiche Naturschutzgebiete und Seen sind eigentlich Kleinode der Region und laden zu Rad- und Wandertourismus ein. Aber wer will schon im Urlaub nachts von Fluglärm gestört werden.

Und dann ist da noch die emsige Nutzung des Flughafens für militärische Zwecke. Dazu sagen wir: dies muss beendet werden.

Und dann ist da noch das Dauerverlustgeschäft Flughafen, denn die Betriebsverluste des Flughafens wurden in den Jahren 2005 bis 2014 mit 570 Millionen Euro aus Steuermitteln subventioniert.

Wenn man sich das alles zusammen betrachtet, gibt es keinen Grund dem wirtschaftlichen Interesse eines einzigen Unternehmens all diese Argumente – Gesundheit, Umwelt, Klima, Arbeit, Steuergeld unkritisch unterzuordnen. Und wenn dann noch ehrlicherweise berücksichtigt wird, dass aufgrund der seit einem Jahr andauernden Pandemiesituation die öffentliche Beteiligung im Planfeststellungsverfahren nicht vollumfänglich möglich gewesen ist, kann nur zu der Einschätzung kommen, dass eine Ausbaugenehmigung nicht einfach erteilt werden kann.

An dieser Stelle gilt mein Dank den unermüdlichen Mitgliedern der verschiedenen Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften, die sich von Beginn an für ein Nachtflugverbot eingesetzt haben. Sie haben auch im aktuellen Verfahren ihre Freizeit geopfert und sich durch die tausenden Seiten des Planfeststellungsantrages gewühlt. Sie haben selbst zahllose Einwendungen geschrieben und wiederum tausende Anwohner:innen motiviert, es ihnen gleich zu tun. Der Respekt und die Anerkennung für ihren Einsatz zum Wohle der Menschen verdient heute hier eine Zustimmung zum Ausbaumoratorium. Das sind wir den Menschen schuldig.