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Kerstin Eisenreich zu TOP 5b: Aktuelle Debatte „Deutscher Wald in Gefahr: Behandeln wir unseren Wald systemrelevant oder nicht?"

Anrede

Der Wald spielt im kulturellen Gedächtnis der Deutschen durchaus eine herausragende Rolle, insbesondere mit Dichtung, Malerei und Musik der deutschen Romantik zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzte eine pathetische Beschwörung des Waldes als unverfälschte „deutsche“ Landschaft ein. Er gilt als Sehnsuchtslandschaft und mystischer Ort. Dieses romantische Waldbewusstsein setzt sich bis heute fort. Und bis heute ist der Wald als typisch deutsche Kulisse in Folklore und Medien bekannt und sogar institutionalisiert. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass ohne das Eingreifen des Menschen durch Rodungen im Mittelalter zur Schaffung landwirtschaftlicher Flächen Deutschland fast vollständig von sommergrünen Laubwäldern bedeckt wäre. So jedoch ist heute bundesweit gut ein Drittel, in Sachsen-Anhalt allerdings nur 26 % der Landesfläche mit Wald bedeckt. Dabei überwiegt heute der Anteil von Nadelwald gegenüber Laubwald.

Neben der kulturellen Bedeutung hat der Wald jedoch zahlreiche weitere wichtige Funktionen:

Er ist wichtiger Lebensraum für unzählige Pflanzen- und Tierarten. Er schützt den Boden vor Erosion, filtert Luft und Wasser, speichert Wasser und sorgt für die Grundwasserneubildung. Er produziert Sauerstoff, speichert Kohlenstoff. Schafft günstige mikroklimatische Bedingungen durch hohe Luftfeuchte und geringere Sonneneinstrahlung. Reduziert Lärm. Erholungssuchende finden hier Ruhe und Entspannung. Neueste Forschungen haben in Finnland die Bedeutung des Waldes für Stressabbau und Blutdrucksenkung nachgewiesen. Der Wald prägt und gestaltet das Landschaftsbild und bewahrt historische Kulturzeugnisse. Und er ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, vor allem mit dem vielseitig einsetzbaren nachwachsenden Rohstoff Holz und damit Arbeitsplatz für Försterinnen und Förster, Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter.

Doch spätestens seit den Stürmen 2017 und dem Orkan Friederike sowie der Dürre 2018 und den in deren Folge auftretenden Kalamitäten ist klar: Dem Wald geht es nicht gut, er hat Stress. Trotz der bisher geleisteten Aufarbeitung des Holzes aus dem Windwurf haben es Landesforst und Waldbesitzer trotz immenser Anstrengungen mit weiter steigenden Schadholzmengen zu tun, da mehrere Generationen Borkenkäfer im letzten Jahr und nun auch bereits die erste Generation in diesem Jahr den Bestand bedrohen. Hier ist die Aufgabe, aufgearbeitetes Holz möglichst zügig aus dem Wald zu bringen. Doch offenbar ist das leichter gesagt als getan. Wie könnte das Land hier Körperschafts- und Privatwald stärker unterstützen, damit der Befall eingedämmt werden kann? Wäre es denkbar, von Landesseite Holz aufzukaufen, weitere Nasslager anzubieten, beim Abtransport des Totholzes aus dem Wald stärker zu unterstützen? Hier besteht weiter Diskussions- und vor allem Handlungsbedarf.

Doch während noch immer Schäden aufzuarbeiten sind, hat auch die Wiederaufforstung herbe Rückschläge erlitten. Durch die Dürre sind Neupflanzungen und Naturverjüngungen vergangener Jahre ebenfalls stark geschädigt und Neupflanzungen im letzten Jahr sind zum Teil als Komplettverlust abzurechnen. Und auch Verluste durch Waldbrände spielen eine Rolle. Dies hat spürbare Auswirkungen auf den bisherigen Waldumbau, der klimapolitisch nicht nur gewollt sondern unausweichlich ist. Auch der Waldumbau für eine naturgemäße Waldbewirtschaftung wird dadurch zunehmend gefährdet.

Der Waldzustandsbericht für Sachsen-Anhalt 2018 zeigt, dass auch weitere Schäden im Baumbestand infolge der Dürre auf, wie verschlechterter Kronenzustand insbesondere bei Laubbäumen und eine wesentlich höhere Sterberate als im langjährigen Mittel.

Wenn wir die Wälder Sachsen-Anhalts fit für Klimaveränderungen machen, ihre wichtigen Funktionen für Luft, Boden, Wasser und den Menschen sowie als Wirtschaftsfaktor und damit Arbeitsplatz für viele Menschen erhalten wollen, denen wir für das bisher Geleistete unseren allerhöchsten Respekt zollen, sowie den Waldumbau vorantreiben wollen, müssen wir als Land alles nur Mögliche zur Unterstützung tun, Erleichterungen, Fördermöglichkeiten, unbürokratische Optionen bieten und uns nicht im Gewirr von Zuständigkeiten und persönlichen Befindlichkeiten verlieren. Und vergessen wir nicht, dass die riesigen Aufgaben nur gemeinsam und im ständigen Dialog von Praxis, Verwaltung, Politik und Forschung zu bewältigen sind.

Bereits vor einem Jahr haben wir mit unserem Antrag Sofort-Maßnahmeprogramm für die Wälder in Sachsen-Anhalt (Drs. 7/2866) Vorschläge zur Umsetzung unterbreitet und einen Diskussionsprozess im Landtag angestoßen. Manches wird bereits umgesetzt, mehr Personalstellen wurden bereitgestellt, aber ein wesentlicher Baustein sind eben auch finanzielle Mittel.

Nun hat der Bund 2018 zusätzliche 25 Millionen Euro verteilt auf fünf Jahre für Waldschäden bereitgestellt. Das ist jedoch bei weitem nicht ausreichend. Deshalb hat DIE LINKE. Fraktion im Bundestag zur Sitzung Anfang Juni einen Antrag eingereicht, ein Sonderprogramm „Soforthilfemaßnahmen für die Forstwirtschaft“ aufzulegen, das der Beseitigung von Sturm-, Dürre- und Brandschäden dient, sowie an die Bedingungen eines Waldumbaus und einer nachhaltigen Waldbewirtschaftungen geknüpft ist. Dazu sollen 200 Millionen Euro als Nothilfefonds in den Haushalt eingestellt werden. Daran geknüpft ist eine 50-prozentige Kofinanzierung durch die Länder und profitieren sollen vor allem kommunale und private Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer mit weniger als 50 ha Wald, also genau jene Gruppe die nach Aussagen der Fachleute die größten Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Schäden und einem notwendigen Waldumbau haben. Da kann ich Sie im Namen meiner Fraktion nur aufrufen: Tun Sie den Wäldern und ihren Bewirtschaftern in Sachsen-Anhalt etwas Gutes und fordern Sie Ihre Fraktionskolleginnen und -kollegen im Bundestag auf für den Antrag der Linksfraktion zu stimmen.