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Kerstin Eisenreich zu TOP 4: Reparieren statt Wegwerfen: Reparaturbonus nach Thüringer Vorbild auch in Sachsen-Anhalt einführen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Staubsauger, Waschmaschine, Handy oder Smartphone & Co. – sie begleiten uns, erleichtern uns den Alltag und gehen eben auch mal kaputt. Logischerweise immer genau im falschen Moment und nach unserem Eindruck viel zu früh. Hinzu kommt, dass eine Reparatur entweder nicht oder nur erschwert möglich bzw. im Vergleich zum Produktpreis meist recht teuer ist. Deshalb landen immer mehr Elektrogeräte auf dem Müll und hat der Gesellschaft nicht umsonst den Beinamen der Wegwerfgesellschaft eingebracht. Das möchte ich mit ein paar Zahlen verdeutlichen:

Allein in diesem Jahr fielen weltweit 57 Millionen Tonnen Elektroschrott an. Dies geht aus Angaben zum gestrigen Tag zur Vermeidung von Elektroschrott hervor. Jährlich steigt der anfallende Schrott von elektrischen und elektronischen Geräten um 3 bis 5 Prozent. Deutschland gehört dabei zu den Spitzenreitern mit 19,4 kg pro Einwohner und Jahr. Insgesamt werden nur etwa 17,5 Prozent des Elektroschrotts tatsächlich recycelt. Was für eine Verschwendung! Eine Verschwendung von Rohstoffen wie Metallen, Wasser, Chemikalien u.a., eine Verschwendung von Energie und schließlich von menschlicher Arbeitskraft, die zur Herstellung der Produkte eingesetzt wurden. So werden für eine Waschmaschine, die etwa 70 Kilogramm wiegt, im gesamten Lebenszyklus von der Herstellung bis zur Entsorgung 1400 Kilogramm Material eingesetzt, das Zwanzigfache des Eigengewichts! Ein Ersatz einer Waschmaschine rechnet sich daher eigentlich frühestens nach 17 bis 23 Jahren. Nun mag jeder für sich einmal überprüfen, wie lange die letzte Waschmaschine in Betrieb war oder ist.

Also sind Geräte, die länger halten und bei Bedarf repariert werden können, für viele Menschen nicht nur für den eigenen Geldbeutel wichtig, weil sie sich nicht dauernd neue Produkte leisten können, sondern auch aus Umweltschutzgründen nicht leisten wollen. Zudem ist vielen Menschen gerade auch hier im Osten die Wertschätzung für die Produkte und die Arbeit zu ihrer Herstellung wichtig. Sie empfinden das Wegwerfen von Geräten als wirklich allerletzte Option.

Würde man die Lebensdauer aller Waschmaschinen, Staubsauger, Handys und Smartphones in der EU nur um 1 Jahr verlängern, könnten 4 Millionen Tonnen CO2 eingespart und riesige Mengen Abfall vermieden werden. Mit dieser Erkenntnis wurde die Öko-Design-Richtlinie der EU weiter aktualisiert. So soll verschiedenen Aspekten zur Ressourcenschonung, Längerlebigkeit, Reparatur-, Ausbau- und Recyclingfähigkeit von Produkten Rechnung getragen werden.

Das ist ein wichtiger Schritt, aber auch konkret auf Landesebene können und sollten wir Rahmenbedingungen schaffen, um das Leben von Produkten zu verlängern. Damit stehen wir längst nicht allein: In Thüringen wurde im Juni dieses Jahres ein Reparaturbonus-Programm als Modellprojekt eingeführt, dass im Übrigen zu Beginn dieser Woche bereits ausgeschöpft war. Auch Sachsen diskutiert ein solches Programm und ich darf Ihre geschätzte Aufmerksamkeit auch mal über die Landesgrenzen der Bundesrepublik hinaus lenken. In Österreich haben mehrere Bundesländer zum Teil schon seit einigen Jahren einen solchen Reparaturbonus mit riesigem Erfolg eingeführt, sodass dort ab 2022 ein solcher Reparaturbonus auch bundesweit eingeführt werden soll. Allein die Stadt Wien hat für 2021 in ihrem Programm 1 Million Euro eingestellt. Zugleich wurde genau analysiert, welche Einsparungen durch das Reparieren – übrigens nicht nur von elektrischen Geräten – erzielt wurden: Es fielen 880 Tonnen weniger Abfall an. Das ist für eine Kommune ein nicht unerheblicher Befund. Und es wurden 620 Tonnen CO2-Äquivalente eingespart. Allein die im Zeitraum von September bis Dezember 2020 reparierten mehr als 8000 Gegenstände haben 190 Tonnen CO2 eingespart. Dabei wurde berechnet, dass eine Reparatur im Durchschnitt 24 Kilogramm CO2-Äquivalente einspart. Diese Zahlen sind doch eine hervorragende Motivation, diesem Weg zu folgen!

Deshalb stellen wir heute unseren Antrag „Reparieren statt Wegwerfen: Reparaturbonus nach Thüringer Vorbild auch in Sachsen-Anhalt einführen!“

Nach unseren Vorstellungen soll damit ein niedrigschwelliges Angebot und Anreiz für Verbraucher*innen geschaffen werden, um mit einem möglichst einfachen, leicht verständlichen und unbürokratischen, möglichst digitalem, Antragsverfahren mehr defekte Produkte reparieren zu lassen. Dabei sollen die Reparaturkosten in Höhe von 50 Prozent der Bruttoreparaturrechnung für ein Elektrogerät erstattet werden, maximal 100 Euro pro Verbraucher*in und Jahr. Dieser Reparaturbonus soll den Verbraucher*innen nach zügiger Prüfung des Antrages auf ihr Konto überwiesen werden. Das von uns vorgeschlagene Verfahren folgt den landesüblichen Gepflogenheiten, aber vielleicht hilft auch hier mal ein Blick nach Österreich, wie ein solches Verfahren verbraucher*innenfreundlich weiter vereinfacht werden könnte. Denn dort laden sich die Verbraucher*innen einen Bonusgutschein im Netz herunter und die entsprechende Summe wird gleich bei der Bezahlung der Reparatur abgezogen. Da sind wir gern bereit, in der Diskussion die beste Lösung zu finden.

Mir ist wohl bekannt, dass in Thüringen unter Verbraucher*innen Personen ab 18 Jahre verstanden werden. Das sehen wir allerdings anders. Wir sehen auch Kinder anspruchsberechtigt. Denn bekanntlich nimmt die Nutzung von elektrischen Geräten mit der Anzahl von Personen im Haushalt zu und damit auch die Anfälligkeit für Defekte.

Dieses Verfahren soll also die Verbraucher*innen einerseits motivieren, eine Reparatur einer Neuanschaffung vorzuziehen, um Umwelt, Klima und Ressourcen zu schonen, und vor allem Haushalte, die sich weder eine Reparatur noch ein Neugerät leisten können, entlasten.

Zur Abwicklung der Antrags- und Bewilligungsverfahren schlagen wir die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalts vor, die im Übrigen die Forderungen nach längerer Lebenszeit und Reparaturfähigkeit von Produkten unterstützen. Dazu bedarf es einer entsprechenden personellen und sächlichen sowie finanziellen Ausstattung. Bei letzterer sollten wir angesichts der Erfahrungen aus Thüringen nicht zu knausrig sein. Nach ursprünglich 150.000 Euro und einer Aufstockung auf 400.000 Euro ist diese Summe bereits nach 5 Monaten ausgeschöpft. In Sachsen hat Landtagsfraktion der Linken 750.000 Euro vorgeschlagen und meine Fraktion ist der Meinung, dass wir dahinter nicht zurückbleiben sollten. Aber darüber sollten wir dringend in den Haushaltsverhandlungen sprechen.

Letztendlich ist der von uns vorgeschlagene Reparaturbonus ein wichtiger Beitrag zur Stärkung des regionalen Handwerks, regionaler Wirtschaftskreisläufe und Wertschöpfung. Bewährt haben sich in allen Regionen Reparaturnetzwerke von Reparaturbetrieben und Ansprechpartnern, an die sich die Verbraucher*innen wenden können.

Verbraucher*innenschutz, Ressourcenschonung, Umwelt- und Klimaschutz, Wertschätzung von Produkten sowie die Unterstützung des regionalen Handwerks sollten hinreichende Argumente sein, sich unserem Vorschlag anzuschließen. Hier können alle eigentlich nur gewinnen.