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Kerstin Eisenreich zu TOP 3: Regierungserklärung: „Klimaschutz konkret! So erreichen wir unsere Ziele“; Antrag: Menschengemachten Klimawandel anerkennen – Treibhausgase drastisch reduzieren

Anrede

Anfang Mai und Mitte Mai haben Großbritannien bzw. Irland den Klimanotstand erklärt. Die britische Regierung muss jetzt innerhalb eines halben Jahres Maßnahmen für den Klimaschutz und für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft vorlegen. Gestern hat auch das kanadische Unterhaus einen entsprechenden Beschluss gefasst. Dieser Beschluss definiert dabei den Klimawandel als reale und akute vom Menschen verursachte Krise mit gravierenden Auswirkungen auf die Umwelt und Biodiversität, die Gesundheit der Bevölkerung und die Wirtschaft Kanadas. [real and urgent crisis, driven by human activity, that impacts the environment, biodiversity, Canadians´ health, and the Canadians economy]

Seit Anfang Mai haben sich bereits 10 deutsche Städte in die Schar weltweiter Städte und Regionen eingereiht und ebenfalls den Klimanotstand ausgerufen. Das kommt alles nicht von Ungefähr. Die von der Ministerin beschriebene Situation des vergangenen Jahres mit langanhaltender Hitze und Dürre, Orkan in Sachsen-Anhalt war wohl nur ein kleiner Ausblick auf das, was uns und den nachfolgenden Generationen droht. Parallel dazu nehmen auch Meldungen von Wetterextremen kein Ende: Fast jährlich korrigieren wir Hitze- und Sturmrekorde, Starkregenereignisse nach oben. Das Grönlandeis schmilzt aktuell so schnell, dass der Meeresspiegel weltweit in diesem Jahr um 7 mm steigen könnte. Der Permafrost taut viel früher und schneller als vorausgesagt. Indien und Pakistan stöhnen unter einer Hitzewelle bei Temperaturen mit bis zu 50 Grad, die schon ca. 50 Tote gefordert hat. Die Menschen kämpfen um Trinkwasser, wilde Tiere suchen menschliche Siedlungen auf der Suche nach Wasser heim. Das macht auch die soziale Dimension des Klimawandels und des Klimaschutzes deutlich. Wenn wir hier nicht endlich gegensteuern, werden immer mehr Menschen ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Und da glauben einige ernsthaft, dass die jungen Menschen, die sich weltweit für Klimaschutz engagieren, hysterisch sind? Wissenschaftler haben sich weltweit an die Seite der jungen Menschen gestellt. Die Ergebnisse ihrer Forschungen belegen, wohin wir uns bewegen.

Prof. Dr. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung formulierte einmal, ich zitiere:

„Ein stabiles Klima ist eines der wichtigsten Gemeinschaftsgüter der Menschheit. Deshalb muss die Gesellschaft wissen, wie diese Stabilität bedroht ist, welche gravierenden Auswirkungen der Stabilitätsverlust hätte und wie der Gefahr noch begegnet werden kann – durch zügige Transformation des fossilen Wirtschaftssystems und durch solidarische Anpassung an das nicht mehr Vermeidbare.“ (Zitat Ende)

Immerhin haben wir allein in diesem Jahr bereits dreimal hier im Landtag Debatten zum Klimaschutz geführt. Doch selbst angesichts der dramatischen Entwicklungen handeln wir immer noch zögerlich. Eine drastische Reduktion der Treibhausgase muss endlich in Angriff genommen werden, in allen Bereichen. Die Energiewende allein wird es nicht reißen. Ja, mit dem Klima- und Energiekonzept hat das Land konkrete Maßnahmen zur Einsparung von Treibhausgasen im Blick, die nun schnellstmöglich umgesetzt werden müssen, um das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel von 31,3 t CO2-Äquivalenten für 2020 zu erreichen. Deshalb ist es gut, dass die Maßnahmen ein höheres Einsparpotenzial haben. Dass manche Leistungen und Maßnahmen, wie Bürgerbeteiligung und Teilhabe an erneuerbaren Energien oder die Reduzierung von Nahrungsmittelverschwendung bisher noch nicht hinsichtlich CO2-Einsparpotenzial und auch Kosten zu beziffern sind, ist nicht verwunderlich. Wenn das Klima- und Energiekonzept im Bereich Verkehr zu dem Schluss kommt, dass die Verlagerung vom Individual- zum Öffentlichen Verkehr ein schwieriges Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist mit im Vergleich zu anderen Maßnahmen geringem Einsparpotenzial und hohen Kosten, so darf das nicht dazu führen, genau in diesem Bereich auf Maßnahmen zu verzichten.

Denn eines muss hier ganz klar gesagt werden: Bei allen Maßnahmen, bei der Diskussion um die Energie-, Wärme- und Verkehrswende sowie Änderungen in der Landwirtschaft wird zwar stets über hohe Kosten debattiert und dies auch immer als Grund dafür angeführt, dass dies nicht umsetzbar sei. Aber hier wird vergessen, dass in der gesamten Bundesrepublik und auch weltweit enorme klimaschädliche Subventionen gezahlt und gleichzeitig immense Summen für den Umweltschutz aufgewendet werden.

Das Umweltbundesamt führt in seiner 2016 aktualisierten Informationsbroschüre „Umweltschädliche Subventionen in Deutschland“ an, dass die Bundesrepublik im Jahr 2010 35,8 Milliarden Euro für den Umweltschutz aufgewendet hat.

Gleichzeitig hat die OECD in ihrem Prüfbericht von 2001 festgestellt, dass in Deutschland 35 Prozent aller Subventionen umweltschädlich sind. 2012 waren das immerhin mehr als 57 Milliarden Euro, die überwiegend vom Bund sowie über Gemeinschaftssteuern und Kofinanzierungen von den Ländern in umweltschädliche Subventionen flossen.

Da wird u.a. das Kerosin von der Energiesteuer, internationale Flüge von der Mehrwertsteuer befreit, produzierendes Gewerbe erhält Energiesteuerermäßigungen und CO2-Emissionsberechtigungen wurden kostenfrei zugeteilt. Der Katalog ist wesentlich umfangreicher. Diese klimaschädlichen Subventionen betrachten neben Finanzhilfen auch Steuervergünstigungen und -ausnahmen, verdeckte Subventionen wie ermäßigte Umlagesätze bei der EEG-Umlage für energieintensive Industrien usw.

Gemein ist all diesen Subventionen, dass sie dem Verursacherprinzip zuwiderlaufen. Dadurch legen die Verursacher einen Teil der Produktionskosten und des Konsums auf die Gesellschaft um. Das ist doch ungerecht. Gleichzeitig trägt diese Gesellschaft auch die Kosten für die Folgen der umweltschädlichen Produktion. Die Verursacher bürden der Allgemeinheit mindestens mehrfach die Kosten ihrer Produktionsweise auf. Sie belasten öffentliche Haushalte mit Mehrkosten für die Subventionen, mit Mindereinnahmen, mit den erhöhten Folgekosten für die Beseitigung von Umweltschäden und die Gesundheit und mit Mehrausgaben für eine stärkere Förderung umweltgerechter Technologien, damit diese überhaupt eine faire Marktchance haben. Ist das etwa gerecht? Ist das nachhaltig? Es werden öffentliche Haushalte mehrfach belastet und niemand stört sich daran? Hier lauern schon ein ordentliches Einsparpotenzial und Finanzminister könnten angesichts solcher Aussichten für die Entlastung des Haushaltes Freudensprünge hinlegen, zumal das Geld anders eingesetzt werden könnte. Und warum machen wir es dann nicht?

Trotz vollmundiger Versprechen der Bundesrepublik, umweltschädliche Subventionen systematisch abzubauen, passiert seit Jahren nichts. Ein Grund dafür sind viel zu starke und einflussreiche Lobbyisten in Deutschland. Ein weiterer Grund ist, dass der Steuerzahler als Nutznießer weniger gut organisiert und stark heterogen ist und dadurch sich weniger Gehör und öffentliche Wahrnehmung verschafft. Dazu kommen juristische Hürden durch verbindliche EU-Regelungen wie beim Beispiel Kerosinsteuer.

Subventionen müssen endlich systematisch daraufhin überprüft werden, welche Auswirkungen sie auf Umweltgüter wie Klima, Luft, Wasser, Boden, Artenvielfalt und Landschaft, auf Gesundheit und Rohstoffverbrauch haben, und dürfen sich nicht nur an Wachstums-, Verteilungs- und Wettbewerbspolitischen Kriterien orientieren. Diesen Anspruch hat die Bundesregierung in ihren Leitlinien zur Subventionspolitik selbst formuliert. Allein der Umsetzungswille ist sehr mangelhaft ausgeprägt.

Nehmen wir das Beispiel der Subventionen für fossile Energieträger: Nach Angaben der Internationalen Energieagentur waren 2013 die Subventionen für fossile Energieträger weltweit viermal so hoch wie für erneuerbare Energien. Würden diese Subventionen bis 2020 abgeschafft, ergäbe dies eine CO2-Einsparung von 7 %. Das wiederum entspricht den gesamten CO2-Emissionen von Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien zusammen. Im Übrigen würde erst der Abbau umweltschädlicher Subventionen im Energiesektor überhaupt für gleiche Wettbewerbsbedingungen für verschiedene Energieträger, also die Erneuerbaren, sorgen und zugleich der Förderbedarf für Erneuerbare Energien sinken.

Zur Abschaffung dieser umweltschädlichen Subventionen hat sich die Bundesrepublik seit vielen Jahren in internationalen Erklärungen als Selbstverpflichtung bekannt, seien es das Kyoto-Protokoll, G-20-Beschlüsse 2009 und deren Bestätigung 2016, die Vereinbarung der G7 vom Mai 2016 zur Beendigung der finanziellen Unterstützung für Öl, Kohle und Gas bis 2025 oder die EU-Strategie 2020 mit den „Leitlinien ressourcenschonendes Europa“ sowie das Abschlussdokument von Rio 2012, die Agenda 203 der UN-Mitgliedsstaaten von 2015. Und die Umsetzung? Fehlanzeige. Wer also ernsthaft dafür sorgen will, dass die Klimaschutzziele erreicht werden – und wir sind da noch auf keinem guten Weg, weil wir die für 2020 nicht erreichen werden – muss auch bei klimaschädlichen Subventionen Hand anlegen, und zwar mit verbindlichen Zielen und Fahrplänen. An denen fehlt es bisher.

Im Bereich des Luftverkehrs wird deutlich, wie schädlich Subventionen sind, wenn die Wirkung auf die Umwelt nicht mitbetrachtet werden. So ist es mir absolut unverständlich, dass Flugtickets innerhalb Deutschlands oder auch der EU günstiger sind, als die Reise mit der Bahn. Genauso wenig logisch ist, dass das Flugticket von Berlin über München nach Ljubljana weniger kostet, als das Ticket von München nach Ljubljana. [Anrede] da läuft doch etwas gewaltig schief. Wer also in Auswertung der Maßnahmen im Klima- und Energie-Konzept bedauert, dass die Kosten im Verhältnis zur CO2-Reduzierung im Bereich Verkehr sehr hoch seien, hat doch diesen Punkt nicht mitbetrachtet. Deshalb müssen hier endlich in der Bundesrepublik und in Europa Änderungen her. Kerosin muss in der EU einheitlich und entsprechend seines Beitrages zur Emission von Treibhausgasen besteuert werden.

Wer Anreize für klimagerechtes Handeln schaffen und klimaschädliche Produktion sowie Produktions- und Lebensweisen benachteiligen will, kommt auch an der Diskussion um die Bepreisung oder Besteuerung von CO2 nicht herum. Ich habe dies hier im Parlament schon gesagt: es geht nicht darum, einfach eine neue Geldquelle für den Staat zu schaffen, sondern um eine Abgabe, die dafür sorgt, dass Verursacherprinzip umzusetzen. An der Stelle brauchen wir einen ordnungspolitischen Rahmen und Modelle, die die richtigen Anreize für klimagerechtes Handeln schaffen. Das haben uns Länder wie die Schweiz und Schweden bereits voraus.

Mit einer solchen Steuer lässt sich die Nachfrage effizient lenken und sie bemisst sich nicht am Einkommen. Da Menschen mit höherem Einkommen eine solche Steuer besser wegstecken können, könnte die eingenommene Klimasteuer als Dividende pro Kopf der Bevölkerung komplett wieder ausgeschüttet werden. Im Ergebnis trifft die Klimasteuer vermögende Menschen stärker, während ärmere mehr zurückbekommen, als sie eingezahlt haben. In Kanada führt die Regierung gerade eine ähnliche Steuer ein und hat den Effekt berechnen lassen: 70 % der Haushalte werden nicht zusätzlich belastet, viele dagegen entlastet. Und wer das Klima über Gebühr beansprucht, der zahlt drauf.

Und darüber hinaus liegt es auch genau in der Hand der Politik über angepasste Sozialtransferleistungen und die Berücksichtigung von besonderen Lebenssituationen, wie die von Pendlern, sozialen Ausgleich zu schaffen. Auch die Abschaffung der Stromsteuer würde Verbraucherinnen und Verbraucher entlasten. Das fordert DIE LINKE übrigens seit Langem.

Solange umweltschädliche Produktion, Produktions- und Verhaltensweisen günstiger sind und deren Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird, werden umweltfreundliche benachteiligt und sogar gehemmt. Der Wandel zu umweltgerechten Produktionsweisen würde darüber hinaus die Wettbewerbsfähigkeit langfristig sogar stärken. Hinzu kommen starke Profite für öffentliche Haushalte, die wiederum finanzielle Freiräume für eine nachhaltige Politik bieten.

Klimaziele bis hin zur Klimaneutralität bis 2050 werden nur zu erreichen sein, wenn auch die klimaschädlichen Subventionen systematisch und konsequent abgebaut werden und Deutschland damit auch endlich seinen international gegebenen Versprechungen nachkommt. Über die damit verbundenen Vorteile – auch finanzpolitisch – habe ich in meiner Rede verwiesen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.