Gegen jede Form von Antisemitismus und Rassismus – Gedenken, Erinnern, Handeln
Hendrik Lange, zuständiger Abgeordneter für Halle, erklärt anlässlich der heutigen Debatte im Landtag um die Erinnerung an den 9. Oktober 2019:
„Am 9. Oktober 2019 ereignete sich in Halle und Wiedersdorf ein brutaler Angriff, ein Akt rechten Terrors. Die Tat markiert eine Zäsur, die wir noch lange spüren werden. Vor allem trifft dies für die Hinterbliebenen zu, für die Angehörigen und die weiteren Betroffenen. Zwei Familien und Freundeskreise trauern um ihre Toten, um Jana und Kevin. Mindestens drei weitere Menschen in Halle und Wiedersdorf wurden verletzt. Auch für über 50 Menschen in der Synagoge in Halle änderte der Anschlag alles. Die abstrakte Bedrohung des Antisemitismus wurde konkret, unabweislich, sie wurde persönlich. Wer den Hinterbliebenen zuhört, die Überlebenden trifft, dem zerreißt es das Herz. Terror ist ein öffentliches Bekenntnis, aber die unmittelbaren Folgen tragen die Opfer und die direkt Betroffenen. Aus dem Leben gerissen wurden am 9. Oktober 2019 zwei Menschen, herzensgut, verbunden mit ihren Familien und Freundeskreisen.
Die Jüdische Gemeinde zu Halle, deren Mitglieder der Täter ermorden wollte, wird bis heute von Terror-verherrlichenden Zuschriften überschwemmt. Zuvor gab es bereits antisemitische Schmähungen und Hetze gegen die Gemeinde, die einen Bezug zum Terror des 9. Oktobers hatten.
Erst in dieser Woche wurden in Halle Stolpersteine zerstört, die an die Opfer des Naziterrors erinnern. Vor wenigen Tagen geschah dies in Zeitz. Das betraf etwa den Stolperstein für Gustav Flörsheim. Der deutsch-jüdische Mediziner wurde von den deutschen Faschisten in Auschwitz ermordet und zuvor im Roten Ochsen in Halle gefoltert – als Widerstandskämpfer und als Jude.
Alle Erscheinungsformen des Antisemitismus müssen nachhaltig bekämpft werden. Unsere Solidarität gilt den jüdischen Gemeinden im Land, gilt bedrängten Nachbarn, Studentinnen, Gastronomen und Künstlern. Der damalige Kiez-Döner, der heute der Erinnerungsort TeKiez ist, wird bis heute immer wieder angegriffen. In der Nacht vor dem Gedenken zum fünften Jahrestag wurde der Ort mit Hakenkreuzen beschmiert. In Halle kommt es wie auch an anderen Orten Sachsen-Anhalts immer wieder zu rassistischen Übergriffen und brutalen Attacken. Menschen mit vermeintlicher oder tatsächlicher Migrationsgeschichte werden zum Problem erklärt, werden verdrängt und im Alltag diskriminiert.
Dieses Land hat die Pflicht, sich gegen jeden Antisemitismus und gegen jeden Rassismus zu stellen! Dafür ist politisch noch viel zu tun. Derzeit geraten antirassistische und antifaschistische Projekte bundesweit unter Druck. Eine Welle des Antisemitismus erfasst etliche gesellschaftliche Bereiche und die Verhöhnung der Opfer des Terrors vom 9. Oktober sowie die Verherrlichung der faschistischen deutschen Geschichte haben Konjunktur. Dagegen muss es heißen: Erinnern heißt Handeln!
Wir müssen handeln, indem wir den Betroffenen und Überlebenden zuhören. Es kann und darf kein Gedenken ohne Betroffene geben. Diese müssen endlich vollumfänglich unterstützt werden. Ihr Leid muss offiziell gesehen werden, genau wie sie klar als Betroffene antisemitischen und rassistischen Terrors anerkannt werden müssen. Bürokratische Probleme und Abwehrhaltungen dürfen wir uns nicht erlauben.
Wir müssen handeln, indem wir uns solidarisieren und diejenigen unterstützen, die Rassismus und Antisemitismus entgegentreten und an die Gefahren des rechten Terrors erinnern. Gemeinsam können wir geschändete Stolpersteine ersetzen, uns rassistischer und antisemitischer Hetze entgegenstellen, ein würdiges Gedenken fördern und verhindern, dass die rassistische und antisemitische Propaganda verfängt. Dazu gehört auch, dass die Leistungsfähigkeit der Landeszentrale für politische Bildung nicht durch den Stopp der Besetzung freiwerdender Stellen geschmälert wird.
Lassen sie uns die offene Gesellschaft gegen Terror und Demagogie, gegen Hass und Hetze, gegen Unrecht, Antisemitismus und Rassismus verteidigen. Lassen Sie uns gedenken, erinnern und handeln.“
Magdeburg, 24. Oktober 2024