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Eva von Angern zu TOP 12: Aktuelle Debatte: Verkehrsblockaden durch Öko-Gruppen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Debatte zu den Klimaprotesten ist hier eigentlich ganz richtig. Denn, im Parlament, wird Klimapolitik durchgesetzt. Oder eben auch nicht. Hier könnte z.B. schon Morgen ein neues 9-Euro-Ticket beschlossen werden. Denn, wir, die Linksfraktion, haben das beantragt. Das wird aber nicht geschehen. Und immer mehr Menschen fragen sich, warum eigentlich nicht. Abgeordnete fahren übrigens zum 0-Euro-Ticket. In der 1. Klasse. Wenn erstklassige Mobilität für Volksvertreterinnen so selbstverständlich ist, warum nicht auch fürs Volk?

Wer im Sommer Bahn gefahren ist, der hat gesehen, wie viele Leute ansonsten ausgeschlossen sind. In Straßen- und Regionalbahnen saßen Jugendliche, migrantische Familien, Rentnerinnen und Rentner. Das 9-Euro-Ticket war ein gigantisches Teilhabeprogramm. Die Bahnen waren voll.

Ökologie und Demokratie kommen in diesem Fall zusammen. Bekanntlich ist diese Mischung für manche Parteien äußerst schwer verdaulich. Die FDP musste im Bund noch beim 9-Euro-Ticket mitziehen.

Hier in Sachsen-Anhalt hat die Verkehrsministerin schnell alles versucht, um das Nachfolge-Ticket möglichst zu beerdigen.

Auch ein Tempolimit kommt für die „Jetzt komm ich“-Parteien FDP, CDU und CSU und selbstverständlich auch die AfD nicht in Frage. Im anderen Team, für ein Tempolimit, spielen bekanntlich die evangelische Kirche, die LINKEN, Grünen und die SPD, aber auch der Automobilclub mit.

Und, nicht zu vergessen, die Mehrheit der Deutschen und eben auch die Klimaaktivistinnen. Wenn der Pfarrer 100 auf der Autobahn fährt, haben wir in der Regel kein Problem mit Extremismus, und wenn’s Klimaaktivisten auf Pappschildern fordern, eben auch nicht.

Es ist doch interessant, wer aus diesem gesellschaftlichen Konflikt eine innenpolitische Bedrohungslage ableiten will.

Die „jetzt komm ich“ Parteien rufen nach der Polizei, die Gruppe „letzte Generation“ ruft nach der Verantwortung des Staates für eine lebensfähige Zukunft. Wie sieht es denn aus mit dieser Verantwortung? Wer vom schönen Sachsen-Anhalt ins schöne Bayern fährt, der braucht keinen Aufsatz zum Ausbaustand der erneuerbaren Energien zu lesen.

Der muss einfach aus dem Zugfenster schauen. Wer mit den Kindern Windräder zählen will, muss im Osten anfangen, denn in Bayern gibt es nichts mehr zum Zählen.

Seit 50 Jahren liegen die Analysen und Vorschläge auf dem Tisch, aber eine Energiewende hin zu den Erneuerbaren, sicher und bezahlbar für alle, steht bekanntlich aus. Trotz der Erkenntnis, das Wachstum Grenzen hat und fossile Ressourcen endlich sind.

Weil sich das rechnet. Weil sich das lohnt. Die Gaslieferungen aus Russland waren doch kein Freundschaftsprogramm deutscher Diplomatie, schon gar kein ostdeutsches, denn wir spielen ja im diplomatischen Korps der Bundesrepublik bekanntlich nicht so die Rolle.

Die Abhängigkeit war zuvörderst eine bewusste Entscheidung der Großindustrie.  Die Pipelines aus Russland gehen direkt zum Werk von BASF in Ludwigshafen am Rhein. Es geht um Kosten und um Nutzen.

Vor dem furchtbaren Krieg in der Ukraine war die heutige Abhängigkeit über Jahrzehnte hinweg ein Standortvorteil, der Milliarden eingebracht hat. Kohle und Öl bringen die Ökosysteme an den Abgrund, aber die Börse in Bewegung. Der Kurs des Weiterso hat hier und weltweit mächtige Verbündete.

Es ist doch eher erstaunlich, dass wir heute überhaupt wieder über Klimaproteste sprechen können. Man muss doch nüchtern feststellen: Erst die Jugendbewegung um Greta Thunberg hat den industriegemachten Klimawandel wirklich zum Thema gemacht. Erst die Schulstreiks haben unsere Aufmerksamkeit erzwungen. Aber was ist seitdem passiert?

Das neue Umweltbewusstsein ist längst absorbiert vom kapitalistischen Markt. Renitente Teenager sind längst neue Rollenmodelle der Werbeindustrie. Plastefreie Trinkhalme, Fleischersatz und Hafermilch,  - das alles macht das Verkaufs-Regal zwar voller, aber längst nicht aufgeräumter. Nicht weniger Waren sind die Konsequenz, nicht „Jute STATT Plastik“, sondern mehr Waren und neue Marktanteile, also Jute UND Plaste. Die Wirtschaft freut’s, viele in der Politik nicht minder, ist halt für jeden was dabei.

Den Job der Regulierung, den die Politik verweigert, sollen also die Verbraucherinnen und Verbraucher machen.

Aber die haben eben nur die Wahl, und nicht die Macht. 

Wie also macht man weiter Druck für mehr Klimaschutz?

Schulstreiks haben sich doch eher abgenutzt. Und in Sachsen-Anhalt herrscht Lehrermangel, da fällt freitags der Unterricht sowieso schon aus. Man muss ja froh sein, wenn sich Jugendliche bei uns nicht an die Schulbank kleben, um sich den Unterricht zu ertrotzen. Eins muss man jedenfalls feststellen, die Klimabewegung tritt auf mit offenem Visier.

Wer sich filmt, ist nicht auf geheimer Mission. Wer sich festklebt, kann nicht türmen. Und wer das 9-Euro-Ticket fordert, plant keinen Staatsstreich, sondern will, dass diese Bundesregierung sich selbst und die eigenen Entscheidungen ernst nimmt. Mit Blick auf die innenpolitische Diskussion muss man sich schon wundern. Sitzblockaden sind vom Versammlungsrecht gedeckt. Auch wer dafür Sekundenkleber mitbringt, kann Akteur bei einer politischen Meinungsäußerung sein. Nach dem Freispruch einer Klimaaktivistin in Berlin erklärte der zuständige Richter, jede Aktion gehöre differenziert beurteilt und eine binnen Minuten beendete Klebeblockade sei vom Demonstrationsrecht gedeckt.

Jede politische Demonstration sei zwar lästig, aber unerlässlich für den Rechtsstaat. Die allermeisten Menschen in Sachsen-Anhalt wissen schon, dass die Aktionen der „letzen Generation“ letztlich Nadelstiche in einem ungleichen Kampf sind.

Manche der Aktiven wirken so aufgewühlt, dass es einen betroffen macht. Gerade die Wahrnehmung eines Generationskonfliktes wirkt verstörend, denn: In aller Regel ist das Gefühl von Eltern gegenüber ihren Kindern größte Selbstlosigkeit. Keine Gesellschaft schickt ihre Nachkommen willentlich ins Verderben. Um das zu diskutieren, muss man im Dialog bleiben können. Dieser Dialog ist augenscheinlich gestört. Denn, wer die Aktivisten kritisiert, muss auch die Ursachen für Ignoranz und Zähigkeit in der Klimapolitik reflektieren.

Aber auch die Klimabewegten müssen sich fragen lassen, ob sie Verantwortung nicht falsch adressieren. Das breite Unverständnis etwa für die unkalkulierbare Bilderstürmerei oder gegenüber lebensgefährlichen Autobahnaktionen sind auch eine gesellschaftliche Rückkoppelung.

Die AfD allerdings, die will nichts hinterfragen. Sie will keine Vermittlung, sie will den Graben tiefer machen.

Nochmal wird heute von der AfD die verunglückte Radfahrerin in Berlin vereinnahmt, obwohl längst klar ist, dass der zerschundene Körper dieser Frau nichts mit der Straßenblockade zu tun hatte.

Ihnen, der AfD ist nicht an Aufklärung und Mäßigung gelegen, aber im Nebelkerzen zünden, da sind sie groß. Der Klimawandel verschärft die Probleme der Ärmeren und des globalen Südens, - das passt perfekt für Trump, für Bolsonaro oder auch für die AfD, denn der Westen und die Gutsituierten haben bisher immer profitiert von den Ungerechtigkeiten in dieser Welt.

Autokraten leugnen den Klimawandel öffentlich, nicht weil sie ihn nicht zur Kenntnis nehmen, sondern weil sie wissen, dass es zuerst die Länder derjenigen trifft, die heute schon im Mittelmeer ertrinken.

Ausgerechnet eine Partei, gegen die bereits das Verbotsverfahren diskutiert wird, will über die Klimabewegung richten. Schicken sie ihre juristischen Einschätzungen doch an die Beschuldigten im kommenden Reichsbürgerverfahren.

Da scheint auch bei Mitgliedern ihrer Partei etwas grundsätzlich durcheinander zu gehen. Während die Klimaaktivisten einen in Zukunftsfragen handlungsfähigen Staat fordern, zweifelt eine ehemalige Bundestags-Abgeordnete der AfD daran, ob es diesen Staat überhaupt gibt.

Die einen sitzen friedlich auf der Straße, die andern trainieren für den bewaffneten Straßenkampf. Ich muss ihnen sagen: Sie können heute aufwiegeln, wenn sie wollen, aber von Prinz Reuß, noch dazu einem 13., möchte niemand regiert werden, schon gar nicht hier in Sachsen-Anhalt.

Und, ausgerechnet eine Partei, die selbst auf Millionen von Euro sitzt, will hier über Finanzen der Klimabewegung informieren. Da ist sie wieder, die alte Story von den Hinter-Männern und Strippenzieherinnen, die wird ja immer gern genommen, wenn man über das eigentlich Problem nicht sprechen will. Was haben sie denn auf der Website der Klimaaktivisten gefunden? Reiche Erben fördern die Klimaproteste. Schau an: Superreiche nehmen also Einfluss auf die Meinungsbildung in unserer Welt.

Ist der AfD schon selbst passiert, ein Mann aus Niedersachsen hat ihr erst vor ein paar Jahren ein goldenes Erbe von mindestens 14 Millionen Euro vermacht.

Schon seit den Anfangszeiten ihrer Partei konnten sie sich auf die Millionen ihrer Förderer verlassen. Nun, jeder nach seiner Fasson: Wir, DIE LINKE, kritisieren ein Steuer- und Erbschaftsrecht, das Reichtum und Armut auf Generationen fortschreibt.

Wir fragen nach Umverteilung, auch zur Finanzierung einer sozialen Energiewende, aber die AfD fragt lieber nach dem Kassenzettel für Tomatensuppe und Sekundenkleber. Aber ginge es nach ihnen, würde gar kein Monet oder Raffael in einem deutschen Museum hängen, also sparen sie sich ihre falsche Empörung.