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Doreen Hildebrandt zu TOP 4: Aussprache zur Großen Anfrage "Engagement und Demokratieförderung"

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich beginne mal mit einigen der Meldungen der Volksstimme auf den Lokalseiten der Haldensleber Rundschau von gestern:

„Nordgermersleber Dartfreunde planen Turnier für Kinder und Jugendliche“

„Spielplatz ist bereit für den Winter – was fleißige Helfer beim Arbeitseinsatz in Hillersleben geleistet haben“

„Mitglieder der Interessengemeinschaft Optische Telegrafie bieten Rundgang in der Telegrafenstation Neuwegersleben“

„Liederkranz-Männer singen seit 160 Jahren – Chor feiert Geburtstag mit großem Konzert“

„Ältere Menschen im Straßenverkehr – Seminar der Kreisverkehrswacht in Weferlingen“

„Tag der offenen Tür bei der Feuerwehr Calvörde“

„Spezialitäten aus aller Herren Länder – Interkulturelles Treffen in Flechtingen vereint 10 Nationen“.

Das alles zeigt die Vielfalt von bürgerschaftlichem Engagement und ich glaube, nicht nur die Volksstimme ist dankbar, damit ihre Seiten zu füllen. Auch wir sprechen allen engagierten Menschen im Land unseren Dank für ihre Arbeit aus.

Unsere grundsätzliche Position zum bürgerschaftlichen Engagement hat Dr. Rosemarie Hein bereits aus Anlass der Bundestags-Enquete „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ sinngemäß folgendermaßen zusammengefasst:

Ein zentrales Merkmal von Zivilgesellschaft ist Solidarität. Bürgerschaftliches Engagement baut auf mündige Persönlichkeiten, die sich kritisch und gestaltend in die Gesellschaft einbringen. Dieses Einbringen kann auch unbequem für politische Akteure werden, wie zur Zeit die Bewegung „Fridays for Future“ zeigt. Wir verstehen bürgerschaftliches Engagement als eine Form der politischen Teilhabe, die neben dem Staat selbständig Gesellschaft verändert und gestaltet.

Es ist für uns kein Vehikel für die Umsetzung einer Theorie vom schlanken Staat. Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge dürfen nicht aus der staatlichen Verantwortung herausgelöst werden und freiwilligen, unentgeltlichen Akteuren übertragen werden. Das geschieht seit Jahren aber leider an vielen Stellen. Beispiele dafür sind Dorf- und Stadtbibliotheken, Schwimmbäder oder Bürgerbusse. Diese Form der Entstaatlichung, der Privatisierung der öffentlichen Aufgaben kritisieren wir aufs Schärfste.

Wir kritisieren aber nicht die engagierten Menschen, die angesichts des Staatsversagens hier einspringen, damit ihre Umgebung lebenswert bleibt, sondern den Staat, der sich immer weiter zurückzieht.

Weil das leider die Realität ist, gehört das bürgerschaftliche Engagement jetzt erst recht gestärkt.

Deshalb unterstützen wir auch den vorliegenden Antrag. Die Antworten auf die Fragen 27 bis 30 und die Frage 33 in der großen Anfrage „Engagement- und Demokratieförderung“ der SPD-Fraktion in der Drucksache 7/3933 zeigen, dass es zahlreiche Programme und Maßnahmen in fast allen Bereichen des Lebens nebeneinander hergibt. Das ist nicht nur unüberschaubar sondern folgt auch keiner Strategie. Und die Antwort auf die letzte Frage Nr. 44, dass das Land abwartet, was der Bund mit seinen Plänen zur Engagementsstiftung macht, ist völlig unbefriedigend. Zumal wir in Sachsen-Anhalt dann wieder die Chance liegenlassen, dass die Strukturen und Arbeitsweisen der Zivilgesellschaft im Osten überhaupt berücksichtigt werden. Bei uns hat sich nach 1990 das bürgerschaftliche Engagement weitgehend neu entwickelt. Ich zitiere aus dem Newsletter für Engagement und Partizipation in Deutschland 17/19 vom Bundesnetzwerk bürgerschaftliches Engagement: „Aktuelle Studien – z.B. das ZiviZ-Survey verweisen auf einen rasanten Strukturwandel der ostdeutschen Vereinslandschaft: während zahlreiche nach der Wende gegründeten Vereine oder aus Westdeutschland übertragenen Verbände über einen Rückgang des Ehrenamtes klagen und ihre Engagement-Aktivitäten teilweise ein- oder auf bezahlte Kräfte umstellen mussten, entstehen vielerorts neue junge Vereine und Initiativen, die projekt- und themenorientiert eine wachsende Zahl freiwillig Engagierter gewinnen.“ Zitat Ende. Das könnte die gesamtdeutsche Engagementlandschaft prägen. Nur auf den Bund zu warten, ist also der falsche Weg. Zumal die Signale auf Bundesebene derzeit auch katastrophal sind: Die geplante Engagementsstiftung ist bisher nur schwammig angedeutet und das Bundesprogramm „engagierte Stadt“, das in Naumburg, Stendal und der Hohen Börde den Aufbau von Anlaufstellen für Freiwillige ermöglicht hat, läuft zum 31.12. dieses Jahres aus. Nur zu beten, dass diese erfolgreiche Arbeit dann nicht untergeht, so wie das mit den über ABM geförderten Engagementzentren in der Vergangenheit passiert ist, wird nicht reichen.

Wir brauchen im Land als ersten Schritt eine Strategie. Danach muss aber eine Förderung des bürgerschaftlichen Engagements folgen, damit ein flächendeckender Auf- und Ausbau von Engagementzentren und Freiwilligenagenturen erfolgen kann.

Wir werden deshalb in den Haushaltsverhandlungen darauf drängen, dass die Engagementförderung finanziell gestärkt wird und auch nach der Verabschiedung des Haushalts am Thema dranbleiben. Bürgerschaftliches Engagement verdient nicht nur Anerkennung, sondern auf allen Ebenen abgestimmte Strategien, mehr Kooperation, stabile Netzwerkstrukturen und langfristig angelegte Programme. Das sind wir allen engagierten Menschen im Land schuldig.

Vielen Dank.