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Dagmar Zoschke zu TOP 26: Perspektiven schaffen – Dem Fachkräftemangel in der Pflege innovativ begegnen

Anrede!

Nicht zum ersten Mal beschäftigt sich der Landtag mit dem Thema Pflege und wir gehen davon aus, auch nicht zum letzten Mal.

Wir legen einen Antrag vor, der sich mit dem Fachkräftemangel im Bereich Pflege beschäftigt und zum Finden von innovativen Lösungen auffordert. Den letzten Anstoß für diesen Antrag hat die in der vergangenen Woche veröffentliche Pressemitteilung von ver.di gegeben. Darin heißt es, in den mitteldeutschen Kliniken sind 2019 bereits drei Millionen Überstunden angehäuft worden. Ich zitiere:

„Die Pflegebranche entwickelt sich damit gegen den Trend. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat für alle Branchen das erste Quartal ausgewertet. Danach hat jeder Deutsche 48 Minuten weniger bezahlte und unbezahlte Überstunden gemacht als im Vorjahreszeitraum.“

Laut Ver.di müssten in der Pflegebranche allein für den Abbau der Überstunden 1.900 Vollzeitkräfte eingestellt werden.  Wenn dies keinen umtreibt, weiß ich auch nicht weiter! Es herrscht ein Fachkräftemangel, ihn zu beseitigen, bedeutet in erster Linie ihn anzuerkennen.  Ja, wir wissen auch, sowohl die bundesgesetzliche Ebene, als auch die Länder sind gegenwärtig in diesem Bereich nicht untätig.  Zwingt sie allein das Pflegeberufereformgesetz dazu, tätig zu werden. Es bleibt dennoch die Frage, woher nehmen wir die fehlenden Pflegekräfte? Irgendwie komme ich mir manchmal so vor, als hätten wir zwar in den letzten zwanzig Jahren viel über den demografischen Wandel diskutiert, dass er tatsächlich kommt und Konsequenzen hat, haben wir bisher weniger begriffen.

Auch die Enquetekommission „Die Gesundheitsversorgung und Pflege in Sachsen-Anhalt konsequent und nachhaltig absichern“ hat sich in zwei inhaltlichen Beratungen mit dem aktuellen Stand der Umsetzung Gesetzes zur Pflegeberufereform beschäftigt. In der letzten Beratung war die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit Sachsen-Anhalt-Thüringen unter den Anzuhörenden. Herr Senius hat u.a. deutlich in seinem Redebeitrag gemacht, selbst wenn es uns gelänge, alle Absolventen der Schulen eines aktuellen Jahrganges dazu zu bringen, eine Ausbildung in der Pflege aufzunehmen, könnten wir das Fachkräfteproblem dieser Branche nicht lösen.

Was sollte denn nun einen jungen Menschen dazu bringen eine Ausbildung und Beschäftigung in der Pflege aufzunehmen?

Ich will mal an dieser Stelle ein bisschen sarkastisch sein, die aktuellen Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sind es bestimmt nicht. 365 Tag im Jahr abrufbar im Dienst, unter Umständen an Sonn- und Feiertagen arbeiten - wenn andere mit ihren Familien was unternehmen können, Früh- und Abenddienste absolvieren müssen, los zu müssen, wenn andere in ihren Feierabend gehen. Hinzu kommen besagte Überstunden, verursacht durch Situationen – wie Kollegen krank oder im Urlaub oder gekündigt, weggezogen, in anderen Beruf abgewandert oder zur Weiterbildung. Und dass bei einer Bezahlung, die unterirdisch ist.

Aus diesem Grund bleiben wir bei unserer Forderung nach einem einheitlichen flächendeckenden Tarifwerk für die Pflegebranche. Wir begrüßen es außerordentlich, dass sich letzten Freitag, also am 14.Juni 2019 die Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche gegründet hat und damit eine wichtige Voraussetzung für den Flächentarif gegeben ist. Und damit es nicht zu Lasten der zu pflegenden Menschen geht, muss die Pflegeversicherung in eine Voll-Kasko-Versicherung umgewandelt werden.

Alle bisherigen Lohn- und Gehaltsverbesserungen in den stationären Einrichtungen haben zu Erhöhungen der einwohnereinheitlichen Eigenanteile geführt und ich habe schon oft den Satz von Angehörigen gehört, wenn das so weiter geht, holen wir eben den Opa wieder aus dem Heim, weil wir es uns nicht mehr leisten können.

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir reden hier von den Generationen, die mit ihrer Arbeit uns unser Leben ermöglicht haben und sie sind am Lebensabend gezwungen, um die eigene Versorgung und Betreuung weiter zu ermöglichen, ein Sozialhilfefall zu werden – das kann nicht unser Anliegen sein.

Ja, woher sollen denn nun die fehlenden Fachkräfte kommen?

Eine reale und für unser Verständnis auch innovative Lösung sehen wir in dem Angebot an geflüchtete Menschen in unserem Land das Modellvorhaben „Pflegehelfer*innen-Ausbildung mit integriertem Hauptschulabschluss“ umzusetzen. Dazu gibt es neben funktionierenden Konzepten in anderen Bundesländern (z.B. im Nachbarland Niedersachsen) auch interessierte Träger sowohl der theoretischen als auch der praktischen Ausbildung. Bereits 2015 hat die Arbeiterwohlfahrt sowohl mit einem inhaltlichen als auch einem Finanzierungskonzept den Versuch unternommen, über dieses Vorhaben sowohl Integration zu ermöglichen als auch den Fachkräftemangel zu minimieren. Neben dem Erlernen der Sprache, dem Wissenserwerb für den Hauptschulabschluss auch noch eine Orientierung für eine mögliche spätere Berufstätigkeit zu erhalten, ist ein interessantes und wir meinen auch innovatives Angebot.

Und bei einem erfolgreichen Abschluss sind auch die Voraussetzungen gegeben für die anschließende berufsbegleitende Qualifizierung, Weiterbildung zur Pflegefachkraft. Das setzt allerdings auch das Bleiberecht voraus. In der Enquete-Kommission ist auch ein Fall geschildert worden, wo ein Träger der sowohl die theoretische als auch die praktische Ausbildung angeboten hat, einem jungen Geflüchteten mit einem hohen Eigeninteresse des Geflüchteten genau diesen Weg beschritten hat. Am Ende seiner Ausbildung, bereits mit dem Wissen um einen Arbeitsvertrag ist er dann in sein Heimatland abgeschoben worden. So ist keinem geholfen. Und wenn es denn schon machbare Konzepte gibt, können wir nicht verstehen, warum nicht ernsthaft über diese Möglichkeiten nachgedacht wird.

Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, die notwendigen Voraussetzungen zeitnah zu schaffen, um mit der Umsetzung des Modells der Pflegehelfer*innen-Ausbildung mit integriertem Hauptschulabschluss zu beginnen. Selbstverständlich meinen wir es ernst mit dem Zusatz „zeitnah“ und fordern daher bereits im III. Quartal in diesem Jahr eine Berichterstattung in den Ausschüssen für Bildung und Kultur und Arbeit, Soziales und Integration.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.