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Dagmar Zoschke zu TOP 25: Soforthilfeprogramm für Sachsen-Anhalts Apotheken

Sehr geehrte Damen und Herren,

„Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen sie die Packungsbeilage und fragen sie ihren Arzt oder Apotheker“ – wer kennt sie nicht, diese Worte.

Wir alle verlassen uns darauf, in der Apotheke unseres Vertrauens nicht nur gut beraten und betreut, sondern auch kontinuierlich mit den notwendigen Medikamenten und Hilfsmitteln versorgt zu werden, und dies quasi rund um die Uhr.

Damit ist Apotheke Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge und die Sicherung ihrer Existenz sollte uns allen am Herzen liegen.

Auch und besonders in der im Frühjahr erlebten und gegenwärtig erneuten Pandemieentwicklung haben sich die Apotheken unseres Landes als wichtige und verlässliche Säule des Gesundheitswesens gezeigt und haben zahlreiche Herausforderungen mit Bravour gemeistert.

Alle Apotheken sind dafür eingestanden, dass eine reibungslose Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten und Hilfsmitteln garantiert bleibt. Darüber hinaus sind auch gerade in den Anfangszeiten der Lockdowns die Apotheken sehr einfallsreich in die Versorgung mit Desinfektionsmitteln und anderen Schutzmaterialien eingestiegen.

Und dabei ist ihre Lage insgesamt nicht gerade rosig zu nennen.

Seit Jahren müssen sie sich mit der Konkurrenz „Versandapotheke“ herumschlagen, die scheinbar kostengünstiger für den Endverbraucher arbeitet, sie haben wie viele andere Berufsgruppen Probleme in der Nachwuchsgewinnung – wer eine Apotheke übernehmen möchte, muss zwingend Pharmazie studiert haben- und selbstverständlich müssen sich Apotheken etwas einfallen lassen, um tatsächlich in der Fläche auch weiterhin in hoher Qualität und Quantität versorgen zu können, besonders da, wo in der Zwischenzeit Apotheken besonders im ländlichen Raum geschlossen wurden, aus welchen Gründen auch immer.

Hinzu kommt aktuell die Einführung des „e-Rezeptes“, von uns allen gewollt. Dafür müssen Apotheken technisch ausgestattet sein, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult, die Verbindung zu den niedergelassen Ärzten stabilisiert und der technische  Anschluss garantiert sein.

Wir alle wissen um die weißen Flecken im Breitbandausbau und können erahnen, welche Herausforderungen vor den Apothekerinnen und Apothekern unseres Landes liegen.

Nun kam zum Ausgang des Sommers die Meldung, dass ein Apotheken-Rechenzentrum- nämlich AvP Deutschland GmbH- Insolvenz angemeldet hat.

Die Abrechnungsmodalitäten sind äußerst komplex und kompliziert, keine Apotheke kann dies selbst und allein leisten. Der Paragraf 300 im SGB V ermöglicht ihnen, sich mit dieser Aufgabe  eines Rechenzentrums zu bedienen. Jede Apotheke geht einen Vertrag mit dem Rechenzentrum ihrer Wahl zur Abrechnung der Rezepte gegenüber den jeweiligen Krankenkassen der Versicherten ein.

Im Übrigen ist eines der Probleme, die gegenwärtig aufploppen, die Tatsache der zahlreichen und sehr differenten Vertragsgestaltung zwischen den Apotheken und dem sich in Insolvenz befindlichen Rechnerzentrum

Auf Grund dieser Verfahrensweise sind die Rechenzentren der finanzielle Vermittler zwischen Apotheke und Krankenkasse. Beide Partner müssen sich auf den ordnungsgemäßen Vollzug des Verfahrens verlassen können, der Finanzfluss muss gesichert sein.

Aktuell existieren in der Bundesrepublik  noch 18 Rechenzentren, wovon 14 im Frühjahr 2018 den Bundesverband Deutscher Apothekenrechenzentren gegründet haben, die für eine bessere infra- und interstrukturelle Zusammenarbeit mit der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und dem Bundesverband Deutscher Apothekensoftwarehäuser e.V. Kooperationen eingegangen sind.

Auch für 121 Apotheken in unserem Land sind die fälligen Abschlagszahlungen des Finanzdienstleisters Anfang September 2020 ausgeblieben.

Am 15. September 2020 stellte die AvP Deutschland GmbH einen Insolvenzantrag, einen Tag später wurde das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Finanzdienstleister bediente gut 3200 Apotheken , etwa 2900 davon öffentliche Apotheken, aber auch Krankenhausapotheken und Sanitätshäuser. Die Dienstleistungen für die Krankenhausapotheken und die Sanitätshäuser werden durch den Insolvenzverwalter weitergeführt, die Leistungen für die Apotheken eingestellt.

Diese unterliegen nun dem Insolvenzverfahren und es ist offen, ob am Ende des Verfahrens noch genug Geld auf den Konten vorhanden ist, um alle betroffenen Apotheken in ihrer Schadenshöhe zu bedienen.

Von den 121 betroffenen Apotheken in unserem Land haben in der Zwischenzeit wohl 72 ihre Forderungen gegenüber der AvP Deutschland GmbH beziffern können.

Ich will dies hier noch einmal ausdrücklich betonen, alle 121 Apotheken in unserem Land sind unverschuldet in diese, ihre existenzbedrohende Lage geraten.

Und die sich daraus ergebende prekäre Situation der betroffenen Apotheken muss durch uns, Land und besonders Landesregierung anerkannt werden. Die einzige Schlussfolgerung daraus ist, das Erfordernis des unverzüglichen Handelns der Landesregierung.

Doch was mussten Apotheken und auch wir erleben: zunächst wurde erst einmal die Frage aufgeworfen, sind wir überhaupt zuständig und wenn ja, wer?
Wir halten diese Frage für rein akademisch, denn es muss uns allen zum einen um die Realisierung des Verfassungsgrundsatzes der gleichwertigen Lebensverhältnisse in unserem Land gegen. Dies bedeutet auch dafür Sorge zu tragen, dass eine flächendeckende Beratung, Betreuung und Versorgung mit Medikamenten und Hilfsmitteln professionell garantiert bleibt.

Und zum anderen haben sich die Apotheken bisher als wichtige, tätige Säule des Gesundheitswesens bewährt- ich erinnere uns alle hier nur noch mal an die Pandemie- und müssen, davon sind wir überzeugt-  genau dann, wenn sie einmal Hilfe und Unterstützung benötigen, selbige auch von der Politik erwarten.

Wer sich dann mal vor Augen führt, wie teuer ein Medikament sein kann, z.B. bei seltenen Erkrankungen oder in der Krebstherapie, wird erahnen, dass es sich bei dem angemeldeten Finanzbedarf der bisher 72 Apotheken nicht nur um kleine Summen handelt.

Aus einer Kleinen Anfrage zu diesem Thema geht hervor, dass die vorläufige Gesamtschadenssumme aktuell bei 8 Millionen Euro liegt. Die gemeldeten Einzelschäden liegen zwischen 1.500 und mehr als 1 Million Euro. Allerdings gibt es auch Apotheken, die ihren Liquiditätsbedarf noch nicht vollständig erfasst und auch noch nicht geklärt ist, ob sie diesen selbst schließen können. Genau aus diesen Gründen ist es dringend geboten, ein Soforthilfeprogramm – quasi einen Rettungsschirm – einzurichten, um durch das unbürokratische Bereitstellen von zinslosen Krediten oder anderen Formen, diesen Apotheken den Fortbestand zu ermöglichen. Letztendlich müssen die Apotheken auch Rechnungen mit Großhändlern begleichen, Mieten, Löhne und Sozialversicherungskosten für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zahlen.

Dieser kleine Schritt ist eine kurzfristige Lösung dieses bestehenden Problems.

Dass dies durchaus als eine der Möglichkeiten, hier Hilfe und Unterstützung zu leisten, in Erwägung gezogen wird, zeigen die Beratungen und Diskussionen auf Bundesebene, sowohl im Gesundheitsausschuss zu diesem Thema. Zu dieser Beratung im Ausschuss waren alle relevanten Partner- vom Insolvenzberater bis zu den Selbstverwaltungsgremien der Apotheken auf Bundesebene und die Kostenträger- vertreten. Darüber hinaus wird innerhalb eines  Gesetzgebungsverfahrens darüber diskutiert. 

Bevor dort allerdings eine Entscheidung getroffen wird, kann dies für Apotheken in unserem Land schon zu spät sein.

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich selbstverständlich auch die Aufforderung, politisch dafür zu sorgen, dass ein Insolvenzverfahren eines Finanzdienstleisters- das für die Wirtschaftsexperten unter ihnen selbstverständlich auch zur Marktwirtschaft dazugehört- im Bereich der öffentlichen Daseinsversorgung aus den in diesem Fall wirkenden Mechanismen ausgeschlossen wird. Aus diesem Grund fordern wir die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative zur forcieren, die im Paragrafen 300 des Sozialgesetzbuches V die insolvenzfeste Verwaltung der Fremdgelder durch die Rechenzentren festschreibt. Schließlich geht es hier auch und besonders um die Mitgliedsbeiträge von Versicherten, um mal den Lieblingssatz der Krankenkassen zu zitieren.

Nicht zuletzt möchten wir, dass die Ausschüsse für Arbeit, Soziales und Integration und der Finanzausschuss regelmäßig über das zeitnahe und unbürokratische Aufspannen des Rettungsschirmes für die Apotheken des Landes informiert werden. Nicht zuletzt deshalb, weil wir u.a. mit dem Hebammenfond – hier hat das Erarbeiten der Richtlinie beinahe länger gedauert, als die Existenz des Fonds überhaupt- schlechte Erfahrungen gemacht haben.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.