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Dagmar Zoschke zu TOP 22: Anpassung der Kosten für Gebärdensprachdolmetscher*innen

Anrede,

Sowohl mit der UN- Behindertenrechtskonvention als auch mit unserem Landesaktionsplan haben wir die Aufgabe, angemessene Vorkehrungen für die Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben zur treffen. Dazu stehen uns eine Vielzahl gesetzlicher Grundlagen, sowohl im Bund als auch im Land, zur Verfügung.

Viel ist diskutiert worden zum Thema Barrierefreiheit, auch bereits in dieser Legislaturperiode. Oft wird unter diesem Thema ganz schnell auf Rampen oder Fahrstühlen für Rolli-Fahrerinnen und Rollifahrer verwiesen, aber Barrierefreiheit hat viele Facetten.

Eine davon ist die Barrierefreiheit in Kommunikation und Information, diesem Thema bzw. einem Teilbereich ist der heute hier vorgelegte Antrag gewidmet.

Es geht uns konkret um die Anpassung der Kostensätze für Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher in unserem Land.

Lassen sie mich zunächst etwas in die Entwicklung der Gebärdensprache blicken.

Die Sprache über Gesten, Mimik oder der Nachbildung von Formen durch beide Hände ist bereits aus der Antike bekannt. Bereits Plato, Augustinus und Leonardo da Vinci berichten über gebärdende taube Personen. Die moderne Geschichte der Gebärdensprache beginnt im 18. Jahrhundert mit der Bildung tauber Kinder. Seit 1975 wurde die deutsche Gebärdensprache systematisch erforscht und 1982 ist das Institut für die Deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser entstanden.

Erst 2002 erfolgte die offizielle Anerkennung in unserem Land als Sprache. Im Zuge dieser Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache (DGS) verständigte man sich auch erstmals über konkrete Regelungen der Bezuschussung bzw. der Übernahme der Kosten auf gesetzlicher Grundlage.

An dieser Stelle gebe ich gern zu, dass ich mit stetig wachsender Begeisterung und auch voller Bewunderung diese Form der Sprache, der Vermittlung zwischen Hörenden und Nichthörenden Respekt zolle. Die Geschwindigkeit der Gesten, das Einstellen auf die jeweilige Situation und die agierenden Personen, die mitunter sehr schwierigen Texte und auch die Genauigkeit der Übersetzung sind einfach toll.

Auch unsere Beratungen hier im Plenum werden seit dieser Legislaturperiode regelmäßig für Nichthörende erlebbar gemacht, simultan übersetzt. Und wenn ich an die eine oder andere Debatte hier im Haus erinnere, dann ist dies mit Sicherheit nicht die leichteste Aufgabe, deshalb lassen sie uns an dieser Stelle den Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher hier im Haus recht herzlich danken.

Geregelt sind die angesprochenen Kostensätze über die Verordnung zur Verwendung von Gebärdensprache und andere Kommunikationshilfen im Verwaltungsverfahren nach dem Behindertengleichstellungsgesetz. In der Anlage 1 dieser Behindertengleichstellungsverordnung heißt es: Ich zitiere: „Gebärdensprachdolmetscher mit fachlicher Eignung (..) erhalten als Vergütung ein Entgelt in Höhe von 27,50 Euro je angefangene 30 Minuten Dolmetschzeit. Die Umsatzsteuer wir zuzüglich erstattet.“ (Zitatende)

Entstandene Fahrt- und Wartezeiten sowie die Fahrtkosten werden über eine Pauschale vergütet. Nicht einberechnet sind die konkreten An- und Abreisezeiten, mögliche Wartezeiten am Einsatzort, eventuelle andere anfallende Kosten der Dolmetscherin, wie z.B. angefallene Parkgebühren. Auch nicht eingepreist ist die allgemeine Kostenentwicklung.

Sehen wir im Vergleich dazu in die Justizvergütungs- und entschädigungssatzung an, stellen wir fest, dass nach dem § 9 dieser Satzung für die erbrachte Simultandolmetschleistung ein Honorar für jede Stunde einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten in Höhe von 75 Euro gezahlt wird. Die Fahrtkosten werden in tatsächlicher Höhe erstattet, dies regelt der § 5 der Satzung.

Im Ergebnis dieser Betrachtung können wir konstatieren, die Gebärdendolmetscherinnen und Gebärdendolmetscher in Sachsen-Anhalt haben nun vier lange Jahre ca. 25 % weniger Honorare im Vergleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern erhalten. Und dennoch haben sie uneingeschränkt mit einem sehr hohen persönlichen Engagement tauben und schwerhörigen Menschen für Kommunikation und Teilhabe zur Verfügung gestanden.

Vielleicht haben sie schon einmal persönlich Gebärdensprachdolmetscherinnen in Aktion erlebt. Sei es als sie sich selbst mit einem gehörlosen oder schwerhörigen Menschen unterhalten wollten oder in den verschiedenen Teilhabebereichen.

Aufgabe von Gebärdensprachdolmetscherinnen ist es, die Kommunikation zwischen Hörenden und Hörgeschädigten – also gehörlosen, schwerhörigen, ertaubten oder allerdings sehr selten taubblinden Personen – zu ermöglichen.

Dies ist in allen Bereichen des Lebens notwendig. So zum Beispiel für den Bereich „Beruf und Arbeit“. Hier sind die Gebärdensprachdolmetscherinnen bei Betriebsversammlungen, Arbeitsbesprechungen, in der Aus- und Weiterbildung, bei Terminen auf dem Arbeitsamt oder im Jobcenter oder eben auch einfach am Arbeitsplatz des Hörgeschädigten gefordert.

Im persönlichen oder Familienleben sprachdolmetschen sie bei Familienfeiern, bei Elternversammlungen, bei Arztbesuchen. Dazu zählen weiterhin so wichtige Einsätze wie schulärztliche Untersuchungen, Termine beim Standesamt oder anderen Behörden, Elternabende, Termine bei Rechtsanwälten oder Notaren.

Aber auch bei öffentlichen Veranstaltungen, wie zum Beispiel Landtagssitzungen, Beratungen der kommunalen Vertretungen oder in den Ehrenämtern in Vereinen und Verbänden werden diese Dolmetscherleistungen erbracht und sind notwendig. Gerade dem Bereich des Ehrenamtes, der politischen, demokratischen Teilhabe von hörbeinträchtigen Menschen müssen wir in Zukunft eine größere Aufmerksamkeit widmen.

Ein weiterer Bereich in dem diese Kommunikationsform benötigt wird, ist der juristische bzw. Verwaltungsbereich, bei Behördenterminen, bei Anwälten, vor Gericht oder bei der Polizei kommt ohne das Wirken von Gebärdensprachdolmetscherinnen keine Kommunikation zustande.

Sie sind für das Übertragen des gesprochenen Wortes in eine andere Sprache und auch wieder zurück zuständig. Sie dolmetschen in den meisten Fällen simultan, unter Umständen mit einer kleinen Zeitverzögerung parallel zur Sprecherin in eine visuelle Gebärdensprache.

Dabei sprechen die Fachfrauen und -männer von lautsprachbegleitenden Gebärden, von lautsprachunterstützenden Gebärden oder auch von dem vielen bekannten Fingeralphabet.

Soweit zum notwendigen theoretischen Wissen. Es kommt im täglichen Geschehen zu vielen Einsatznotwendigkeiten von Gebärdensprachdolmetscherinnen. So war ich unlängst Zeugin eines Einsatzes: Eine Gehörlose kommt zum Termin ins Jobcenter, keiner spricht ihre Sprache. Um überhaupt etwas zu erreichen wird alles aufgeschrieben und die Zettel über den Tresen im Job-Center hin und her geschoben. Zugutehalten möchte ich beiden Seiten, dass es die in diesem Moment tatsächlich einzig mögliche Art und Weise der Kommunikation war. Dann erlebten beide Seiten den nächsten Schwierigkeitsgrad. Unsere, in einzelne Wörter ausgedrückte Lebenswelt entspricht eben nicht eins-zu-eins der Lebenswelt von Gehörlosen. Auch das macht erneut deutlich, Gebärdensprachdolmetscherinnen sind dringend notwendig.

Neben der aktuellen Anpassung der Kostensätze sollte das Land die eingeräumten Möglichkeiten ausschöpfen. Es ist empfohlen, dass die Grundlage der Kostensätze die Justizvergütungs- und entschädigungssatzung ist und dass mit den Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher abweichende Rahmenvereinbarungen abgeschlossen werden können. Davon sollten wir Gebrauch machen, können wir hier doch z.B. auch Regelungen zur Dynamisierung der Kostensätze festschreiben.

Die Gebärdendolmetscherinnen sind freiberufliche Gebärdendolmetscherinnen und müssen aus betriebswirtschaftlichen Gründen nach einer Kostendeckung für ihre Dienstleistung suchen. Wir haben hier in Sachsen-Anhalt offensichtlich eine große Lücke geschaffen, die u.a. auch dazu führt, dass die gut ausgebildeten Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher nach ihrer Ausbildung oder auch nach den ersten Jahren Einsatz in unserem Land in andere Bundesländer abwandern, weil sie dann für ihre Dienstleistung eine bessere Bezahlung erhalten. Diese Abwanderung können wir verhindern, werte Kolleginnen und Kollegen.

Besonders schwierig ist die Situation außerhalb der Großstädte. In Halle und Magdeburg ist die Zahl der Dolmetscherinnen und Dolmetscher höher als in den ländlichen Regionen. Somit sind die in den ländlichen Regionen lebenden gehörlosen Menschen eindeutig benachteiligt. Sie können nicht die gleichen Teilhabemöglichkeiten nutzen. Damit schließen wir Menschen von der Teilhabe aus.

Die derzeitige Vergütungspraxis gefährdet aber nicht nur die Betroffenen in den ländlichen Regionen, sondern eben auf lange Sicht alle. Die Gebärdensprachdolmetscherinnen können ihre Kosten immer weniger decken und damit auch ihren Lebensunterhalt hier bestreiten.

Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die in der UN- Konvention festgehaltenen Rechte sind universelle Menschenrechte. Unsere Aufgabe ist die Schaffung der angemessenen Vorkehrungen. Stimmen sie unserem Antrag zu.

Der Alternativantrag der Koalitionsfraktionen ist lediglich ein Prüf- und Berichterstattungsantrag. Das wird dem Anliegen unseres Antrages keinesfalls gerecht, deshalb werden wir ihn ablehnen.

Danke für ihre Aufmerksamkeit.