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Dagmar Zoschke zu TOP 18: Verlässliche Vorgaben für Alten- und Pflegeeinrichtungen – Rechtssicherheit für alle Beteiligten gewährleisten

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin,

Unser Alltag ist in den letzten Wochen und Monaten völlig auf den Kopf gestellt worden. Vieles von dem, was wir erlebt haben, ist mit unserer bisherigen Erfahrungswelt nicht in Übereinstimmung zu bringen. Bei den Hochwassern der vergangenen Jahre haben wir gelernt, was man alles tun kann, um sich selbst und andere zu schützen, schnell hatten die Arbeitsabläufe an den Sandsackdämmen von uns Besitz ergriffen. Mit dieser Situation, das haben wir gelernt, kann man umgehen.

Anders- heute.

Es war und ist nicht zu erkennen, an welchen Stellen die Gefahr lauert und ob das, was angeordnet wurde und wird, tatsächlich hilft. Alles das, was wir alle in den letzten Wochen und Monaten erlebt haben, übersteigt unsere bisherigen Erfahrungswerte, alles bisher Erlebte wird in den Schatten und in Frage gestellt. Dabei sind es nicht nur neue Erfahrungen schlechthin, sondern alles war und ist eine Probe für unsere Einsichtsfähigkeit, unser Verständnis, gegenseitige Hilfe und Unterstützung.  Dabei hat es viel damit zu tun, welche Informationen gibt es, wie kommen wir zu diesen Informationen, es hat mit verbalem Austausch und mit konkreten Antworten auf konkrete Fragen zu tun.

Die Pandemie hat für alle Menschen eine Unmenge von Einschränkungen, Verzichten und neuen Herausforderungen gebracht, deren Auswirkungen heute noch nicht zu überblicken sind und die wir alle noch sehr lange verspüren werden.

Nur sehr langsam kehren wir zur Normalität zurück und die Gefahr einer zweiten Ansteckungswelle ist allgegenwärtig.  

Die wohl drastischsten Einschränkungen haben die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen hinnehmen müssen, wohlgemerkt – zu ihrem Schutz.  

Sie durften von einen Tag auf den anderen keine Besuche mehr empfangen, die Einrichtung nicht mehr verlassen und waren auch im Umgang in der Einrichtung auf wenige Kontakte mit dem Pflegepersonal beschränkt. Die Bewohnerinnen und Bewohner fühlten sich in ihren schönen Einrichtungen eingesperrt und vom Leben abgeschnitten. Viele waren plötzlich allein und einsam – dies wünscht man keinem. In einem Schreiben eines betroffenen Ehepaares ist von einer entwürdigenden Situation und haftähnlichen Bedingungen die Rede.

Sicher eine Sache von Gefühlen und dennoch erschreckend!!

Viele der Bewohnerinnen und Bewohner leiden unter diesen Umständen. Aber auch für die Angehörigen war diese Zeit keine leichte Zeit.

Wie oft haben wir uns über die Personalsituation in der Pflege gestritten. Sie war vor Corona, sie ist während Corona und sie wird auch in absehbarer Zeit, nicht rosig sein.

Mit großer Wahrscheinlichkeit hat gerade diese bestehende Personalsituation zur Verschärfung der eh schon schwierigen Lage beigetragen und die bestehenden Lebensbedingungen in den Einrichtungen mit erschwert.

An dieser Stelle möchte sich meine Fraktion erneut und auf das Herzlichste bei allen Pflegekräften, in den stationären Einrichtungen und bei den Pflegediensten, aber auch bei allen pflegenden Angehörigen für ihren unermüdlichen Einsatz bis zum heutigen Tage bedanken, wir wünschen ihnen allen weiterhin viel Gesundheit, Kraft und auch den erforderlichen  Optimismus, diese und zukünftige Anforderungen zu meistern.

Ja, die alten und älteren Menschen bilden eine Risikogruppe und die getroffenen Maßnahmen sollten sie ganz besonders schützen- genau dies, macht alles Agieren besonders kompliziert.

Deutlich wurde auch, dass sich nicht alle gleichermaßen an die Auflagen gehalten haben, die Folgen dieses Nichteinhaltens werden ausgeblendet und führen wieder zu drastischen Maßnahmen, unter denen dann auch diejenige leiden, die sich an alles gehalten haben.

Darüber hinaus ist es u.a. eben nicht erklärbar, dass die Bewohnerinnen und  Bewohner so eingeschränkt leben, dass Pflegepersonal nach jedem Dienst das Haus verlässt, mit zig anderen Menschen in Kontakt gerät und am nächsten Tag ohne Test wieder an die Arbeit geht.

Auch deshalb jetzt unser Antrag!

Schätzungsweise leben bundesweit 885 000 Menschen in insgesamt 11 488 Alten- und Pflegeheimen. Schon diese Zahl macht deutlich, dass es sich hier nicht um einen kleinen Kreis Betroffener dreht. Dennoch macht sich das Gefühl breit, dass diese Gruppe von Menschen bei den vielen Überlegungen der Rückkehr zu mehr Normalität keinerlei Beachtung finden.

Und das ärgert uns gewaltig.

Wir halten es für selbstverständlich, dass, wenn die Gesellschaft beginnt, mit kleinen, vorsichtigen Schritten oder aber auch mit Größeren in den gewohnten Alltag zurückzufinden, dass es dann auch Maßnahmen geben muss, die in den Alten- und Pflegeeinrichtungen  gleichermaßen zu Lockerungen und Vereinfachungen der bestehenden Prozesse führen.

Es war nicht überhörbar, dass sich Träger von Einrichtungen und Pflegedienstleitungen hier ganz deutlich bundeseinheitliche Standards gewünscht hätten. Die Ankündigungen der Bundeskanzlerin und der Regierungscheffinnen und –chefs der Länder Anfang Mai haben auch anders vermuten lassen.

Gegenwärtig führen die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Maßnahmenpakete mehr zu Verunsicherungen, denn zu mehr Sicherheit. Dies bringt Träger und Einrichtungsleiterinnen und Einrichtungsleiter in Zwangslagen und führt nicht immer zu klugen und mutigen Entscheidungen.

Auch nach unserer „Sechsten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus Sars-Cov-2 in Sachsen-Anhalt“ vom 26.Mai 2020 sind die Besuchsmöglichkeiten für Bewohnerinnen und Bewohner, Patientinnen und Patienten auf eine Person am Tag, für eine Stunde eingeschränkt. Entscheidungen soll jeder Träger, jede Einrichtung entsprechend der konkreten Infektionslage vor Ort treffen. Darüber hinaus sind auch hier Maßnahmepakete für die erforderliche Hygiene notwendig, die personelle und materielle Ressourcen erfordern, die Einrichtungen an deutliche Grenzen stoßen lassen.

Und ich will an dieser Stelle mal die Gesundheitsministerin unseres Landes, als eine der wenigen Gesundheitsministerinnen dieser Bundesrepublik ausdrücklich lobend erwähnen, die öffentlich beklagt hat, dass die Risikogruppe Senioren zu oft vergessen wird und dass sie trotz Pflegebedürftigkeit auch das Recht auf Selbstbestimmung und Freiheit haben.

Es soll Einrichtungen und Träger geben, die aus Angst vor möglichen strafrechtlichen Konsequenzen im Falle eines möglichen Infektionsgeschehens den Ausgang der Bewohnerinnen und Bewohner auf den eigenen Außenbereich beschränkt bzw. in Gänze unterbunden und bei Zuwiderhandlungen mit der Fortsetzung von Quarantänemaßnahmen gedroht haben. Ich will gleich dazusagen, dies ist eine drastische Ausnahme, aber bei den bestehenden Ängsten und Unsicherheiten tatsächlich existent. Und es ist mitnichten unsere Erfindung, sondern eine Feststellung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen.

Dies bringt uns zu unserer ersten Forderung im Antrag. Von der Politik werden klare, eindeutige Vorgaben erwartet.

Auch und besonders, wenn man bedenkt, dass im jüngsten Konjunkturpaket der Bundesregierung die Pflegekräfte, deren schlechte Bezahlung ein wesentlicher Grund für die schlechte Personalausstattung in vielen Heimen ist, überhaupt nichts abbekommen.

Auch das ist ein Skandal!

Wir wollen eine allgemeinverbindliche Anordnung für alle Alten- und Pflegeeinrichtungen über das Verlassen und die Rückkehr in die Einrichtung und über die erforderlichen Hygienemaßnahmen für diesen Fall. Ziel müssen Glaubwürdigkeit und Machbarkeit der Maßnahmen sein, um so, zu mehr Verständnis bei den zu Pflegenden, ihren Angehörigen und dem Personal zu gelangen. Ebenso klare und verständliche Regelungen müssen die Gestaltung der persönlichen Kontakte zur Familie und Freunden der Bewohnerinnen und Bewohner beinhalten.  

Wir sind uns sicher einig, dass für viele alte und ältere Menschen der regelmäßige Kontakt zu Familie, Freunden oder anderen Bezugspersonen auch einen therapeutischen Hintergrund besitzt.  Angehörige sind Bestandteil des Pflegesettings, sie helfen und unterstützen bei der Nahrungs- und Getränkeaufnahme, bei der regelmäßigen Medikamenteneinnahme, sie lesen vor oder gehen mit ihren Angehörigen spazieren. Sie helfen Erinnerungen wachzuhalten und das Interesse am aktuellen Geschehen. Sie helfen mit ihrem Tun auch die gegenwärtige Situation zu erklären und können damit das Verständnis für die zu bewältigenden Maßnahmen erhöhen. Damit entlasten sie die Pflegekräfte deutlich.

Darüber hinaus gelingt es auch mit ihrer Hilfe, die Herausforderungen an die aktuelle, gesundheitliche Prävention und die Gesundheitsfürsorge für die nähere und weitere Zukunft gemeinsam mit ihren zu Pflegenden zu ermitteln und zu gestalten- von Bewegungstherapie bis Zahnarztbesuch.

Unsere Aufgabe als Politik ist es weiterhin, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Träger der Einrichtungen und die Pflegedienstleitungen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den stationären Einrichtungen selbst, aber auch bei den Pflegediensten mit der erforderlichen Schutzkleidung auszustatten.

Ein bisher zu wenig beachteter Aspekt ist die dringend notwendige Testung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen und bei den Pflegediensten und für die Bewohnerinnen und Bewohner. Hier stehen wir offenbar noch ganz am Anfang, müssen aber schnelle und gute Lösungen schaffen. Auch dies ist Gegenstand unseres Antrages.

Auch wir können kein Personal backen. Dennoch müssen wir gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren nach Möglichkeiten der personellen Unterstützung besonders für die stationären Einrichtungen suchen. Da ist unserer Meinung nach noch viel Luft nach oben offen.

Nicht zuletzt erwarten wir, u.a. auch vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration des Landes die Erarbeitung einer Handlungsempfehlung für die Akteure der häuslichen Kranken- und Altenpflege. Neben der notwendigen hygienischen Standardausstattung mit Desinfektionsmitteln und Schutzkleidung und deren zusätzlicher Finanzierung müssen auch Fragen der Notbetreuung für Pflegende geklärt werden, um die pflegerische Versorgung auch beim Ausfall der Pflegeperson sicher zu stellen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen fordert überdies auch ein freiverfügbares Budget für pflegende Angehörige, um flexibel Unterstützung organisieren zu können. Für besonders wichtig erachten wir ein Beratungs- und Betreuungsangebot für pflegende Angehörige, dass entsprechend der aktuellen Lage sieben Tage die Woche erreichbar ist.

Nun noch ganz kurz zu ihrem Änderungsantrag, werte Koalitionsfraktionen. Ich habe manchmal den Eindruck, sie besitzen einen Dauerbezugsschein für Weichspüler. Das Problem wird zwar erkannt, aber das Lob über das bisher Getane überwiegt und es folgt, da alles richtig war, machen wir so weiter. Das wird auf Dauer und ganz speziell hier nicht helfen.

Selbstverständlich ist der Katalog der Möglichkeiten nach oben offen, lassen sie uns beginnen- wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.