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Birke Bull zu TOP 6c: Aktuelle Debatte "Linksextremismus im politischen Diskurs"

Anrede,

Die Landtagswahl am 16. März 2016 war ein demokratischer Akt. Der Uniprotest am 12. Januar 2017 war es ebenso.

Beide Ereignisse treffen heute aufeinander. Und wenn die AfD hier im Landtag darüber debattieren möchte, warum Studentinnen und Studenten in der Universität nicht mit ihnen diskutieren wollten, dann tun wir das als LINKE gern. Ich begrüße die Studierenden und andere Hochschulangehörige und weiteres Gäste sehr herzlich. Wenn wir schon über sie reden sollen, dann sollten sie doch auch bei uns sein.

Ein Studium tritt man in aller Regel an, um die Welt danach spezialisierter, fundierter, aber auch differenzierter betrachten zu können. In den meisten Fällen, nicht allen wohlgemerkt, aber doch meistens, lernt man ihm Studium, dass zwischen Schwarz und Weiß ein unfassbares Spektrum von Grautönen – und Farben liegt.

Meistens wird man dadurch klüger.

Meistens wird man dadurch freier.

Die Studentinnen und Studenten haben am 12. Januar genau diese Ziele verteidigt. Sie wollen an der Uni ihren Horizont erweitern, statt ihn sich von einer Partei wieder zumauern zu lassen. Man will doch nicht als junge Frau ein Studium beginnen, um dann von einer Partei zu hören, dass man eigentlich nicht an die Uni gehört. Man will nicht Humanwissenschaften studieren, damit einem eine Parteihochschulgruppe erklärt, welche Menschen Anerkennung verdienen und welche nicht.

Ich grüße die Studentinnen und Studenten, die am 12. Januar stand- und aushielten, die ihren Platz nicht verlassen haben. Aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung kennen wir dieses Mittel, die Sitins. Sitzen bleiben, da wo man unerwünscht ist, da wo man Menschen ansonsten ihre Rechte verweigert. Vor 60 Jahren haben die Aktivisten viel riskiert – heute versucht eine Partei, die bedrückenden Situationen von damals zurückzuholen. Kann man solche historischen Linien ziehen? Wenn ich in die USA schaue, wenn ich nach Europa schaue, wenn ich mich im Landtag umschaue, muss ich sagen: leider ja.

Ich grüße alle, die diesen Abend für die Universität durchdacht haben. Was bedeutet ein Vortrag und eine AfD-Veranstaltung, die die Gleichberechtigung von Frauen und Männern als, Zitat, „geselligen Zeitvertreib für Leute ohne Probleme" bewertet? Die Studierenden haben ein Programm organisiert, mit dem sich Frauen-, Schwulen und Lesbenorganisationen vorstellen konnten. An diesem Abend ist nicht nur eine Veranstaltung der AfD verhindert worden, – es haben auch Veranstaltungen stattgefunden – für die gleichen Rechte von Frauen und Männern, für die gleichen Rechte von Minderheiten und Mehrheiten – also für das Recht und den Anspruch jedes Menschen auf Glück und Entfaltung seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten.

Ich danke für die angemalten Schnurbärte, ich danke für die Luftballons und danke für das Ausharren, besonders denen, die dafür auch etwas Beklommenheit, etwas Furcht überwinden mussten.

Ich danke für gar nichts, dem- oder derjenigen, die sich den übergeblieben Knaller von Silvester einsteckten und im Raum warfen. Das war leichtfertig und verantwortungslos. Auch wenn in der Situation vor Ort danach gar nichts geschah: Es hat auch den perfekten Aufhänger dafür geliefert, um zu versuchen, den Protest von 300 Studierenden und Gästen unsichtbar zu machen. Aber es bleibt dabei, es war ein voller Hörsaal, der dort Fakten geschaffen hat.

Ich grüße herzlich den Dekan Herrn Dick, der nach vielen Schilderungen eine ausgesprochen gute Rolle an diesem Abend eingenommen hat. Er hat das Recht der Studentinnen und Studenten verteidigt, an einer Universität klüger und freier zu werden. Er hat alles getan, um die Situation zu beruhigen und um Gewalt zu verhindern.

Ich möchte hier – ausdrücklich in der von der AfD beantragten Debatte – darauf hinweisen, was nach diesem Abend geschah. Die Medienberichte zum Ersten: Die eine Hälfte der Landeskorrespondenten war zum Neujahrsempfang des Ministerpräsidenten, die andere Hälfte war im Hörsaal.

Diejenigen im Hörsaal und auch diejenigen, die von denen dort abschrieben, forderten in ihrer Berichterstattung, man hätte dort eine wissenschaftliche Debatte über Hirnforschung und biologische Merkmale mit der AfD führen müssen. Weil man das an der Universität nun mal so macht. Ich erinnere mich nicht, dass immer wieder stattfindende öffentliche Vorlesungen ein ebenso großes Medieninteresse gefunden hätten, wie diese AfD-Vorlesung. Die Journalisten, die dort waren, haben ein Spektakel erwartet, – und sie haben ein Spektakel bekommen. Diejenigen, die den Protestierenden vorwerfen, sie haben sich zum Instrument der AfD-Inszenierung machen lassen, sind selbst Teil dieser Inszenierung.

Ich habe in der Presse vom Knallkörper gelesen; ich habe dort Fotos gesehen, die nebenstehend der AfD aufgenommen wurden; ich bin in der Presse über die Absichten der AfD informiert worden; – von der Motivation einzelner Studentinnen und Studenten habe ich nichts gelesen. Schade.

Zum Zweiten: Die AfD hat eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Herrn Dick gestellt. Dieser massive – ins Persönlichste zielende – Angriff ist nicht der einzige in den letzten Monaten. Seit die AfD im Landtag sitzt, überzieht sie jeden und jede, der sich öffentlich gegen ihr eisenhartes Gesellschaftsbild stellt, mit Anzeigen oder öffentlichen Anklagen. Die AfD versucht, jeden Vereinsvertreter, der seine Arbeit gegen ihre Angriffe verteidigt, hier durch Anfragen und Wortmeldung an einen Pranger zu stellen. Die AfD durchforstet die soziale Medien und verschickt danach Unterlassungserklärungen an etliche Aktive, die sie wiederholt hinterfragen und kritisieren. Sie behindert damit noch diejenigen, die sich dem gewaltigen Wust aus Hasskommentaren, Drohungen und Mordphantasien entgegenstellen.

Die AfD, die uns regelmäßig vor dem Zusammenbruch staatlicher Ordnung warnt, bedient sich sogenannter juristischer Schritte mit großer Leidenschaft. Mit den finanziellen Mitteln und Möglichkeiten, die ihnen durch die Wahl am 16. März gegeben wurden, versuchen sie, systematisch ihre Kritiker einzuschüchtern und zu diffamieren. Sie wollen Menschen, die nicht ihrer Meinung sind, beschädigen und kleinmachen. Die freie Debatte will die AfD nicht führen, nicht in der Uni, nicht im Netz, nicht im Landtag. Das Recht auf freie Meinungsäußerung will die AfD entkernen auf das Recht, ausschließlich ihrer Meinung zu sein.

Was können wir dagegen tun? Was machen die Studierenden? Was macht DIE LINKE:

Wenn sie versuchen, den Einzelnen vor den Kadi zu zerren, dann sind wir an seiner Seite. Wenn sie versuchen, den Einzelnen aus der Masse zu zerren, stehen wir ihm bei. Wenn sie versuchen, den Einzelnen mundtot zu machen, dann stehen wir neben ihm – und bringen noch das Megaphon mit. Wir halten dagegen – mit unserer Solidarität.

Wir sind solidarisch mit denen, die ihre Rechte und Meinungen als allgemeine und für alle geltende Menschenrechte verteidigen. Weil nur so eine solidarische Gesellschaft funktioniert. Weil das Glück von Menschen, die nicht der Norm entsprechen, die Norm überhaupt nicht bedroht. Weil kluge und freie Frauen diese Gesellschaft nicht schwächen, sondern diese Welt ebenso stark machen wie kluge und freie Männer. Wir wollen die beklemmende Welt der 50er Jahre nicht mehr – nicht an der Uni, nicht im Landtag, nicht in der Politik und nicht in der Gesellschaft.

Wir werden dagegen halten, das Recht der freien Meinungsäußerung werden wir mit unseren Mittel und Möglichkeiten, und vor allem zusammen verteidigen. Nicht nur Studenten sollen klüger und freier werden – diese Gesellschaft muss solidarischer, gerechter und freier werden. Und nicht umgekehrt. Dafür lohnt es sich zu kämpfen.