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Wulf Gallert zu TOP 18: Aktuelle Debatte Illegale Einwanderung bekämpfen – Schutz der EU-Außengrenze unterstützen – Weiterreise nach Deutschland wirksam verhindern

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Situation an der Grenze zwischen Polen und Belarus hat sehr viele unterschiedliche Aspekte. Es geht um globale Interessenslagen, um eine zugespitzte Konfrontationssituation zwischen der EU und Russland, insbesondere zwischen Polen und Russland. Es geht um einen skrupellosen Machthaber in Belarus, der von einem anderen zügellosen Machthaber, dem in der Türkei, gelernt hat, wie man der so genannten westlichen Wertegemeinschaft schaden kann, in dem man der Welt vor Augen führt, dass sie, wenn es darauf ankommt, auf diese Werte pfeift.

Zuallererst geht es aber um Tausende Menschen, die in einer katastrophalen Situation im Grenzgebiet ohne jegliche Perspektive ausharren und deren Leben durch diese Situation bedroht sind. Nach der Logik der AfD erfrieren dort inzwischen Menschen freiwillig, um einen medialen Druck auf die EU und insbesondere Deutschland auszuüben. Vielmehr muss man über den Zynismus dieser Partei nicht sagen. Allerdings ist erschreckend, dass dieser Zynismus längst die Mitte der Gesellschaft erreicht hat und die Begrifflichkeit eines Bundesinnenministers oder eines sächsischen Ministerpräsidenten sich kaum noch davon unterscheidet. Menschen, die aus ihren Herkunftsländern aus der dortigen verzweifelten Situation fliehen und sich jetzt in einer noch verzweifelteren Situation befinden, werden als Waffen oder Munition in einer hybriden Kriegsführung bezeichnet.

Diese Entmenschlichung von Menschen bestimmt längst das Vokabular der politischen Debatte, auch in Deutschland. Und deshalb ist es auch nur logisch, dass die beiden von mir genannten Vertreter des politischen Establishments die Gesellschaft auffordern, ähnlich wie die AfD es hier tut, sich von den Bildern nicht erpressen zu lassen. Man habe sich gefälligst daran zu gewöhnen, Menschen beim Sterben zuzusehen. Dies sei sozusagen eine patriotische Tugend.

Eins, das muss man zweifellos anerkennen, ist dem brutalen Diktator Lukaschenko gelungen, nämlich der westlichen Wertegemeinschaft ihren eigenen eiskalten Zynismus vorzuführen.

Und es geht weiter. Auch deutsche Politiker bejubeln die Errichtung von Stacheldrahtzäunen an den EU-Außengrenzen. Und wenn polnisches Militär nach Europarecht illegale Pushbacks durchführt, bedankt sich die amtierende Bundesregierung dafür bei der polnischen Regierung, dass sie diese Aufgabe für uns so hervorragend erledigt. Gleichzeitig streben deutsche Politiker gegen Polen berechtigterweise ein EU-Vertragsverletzungsverfahren an, weil rechtstaatliche Prinzipien durch die polnische Regierung außer Kraft gesetzt werden. Die Glaubwürdigkeit einer solchen Haltung tendiert gen Null.

Natürlich stellt sich die Frage, welche humanistische solidarische Alternative es in dieser Situation für die EU gegen kann, oder besser gesagt, geben muss.

Für die an der Grenze festsitzenden Menschen muss es ein Angebot geben, sie in den Ländern der EU aufzunehmen.

Der Versuch einer Abschottung gegenüber Flüchtlingen aus Afrika und dem Nahen Osten wird Diktatoren immer wieder ein Erpressungspotential gegenüber der EU in die Hand geben, völlig egal, ob sie in Minsk, Ankara oder Tripolis sitzen. Mittelfristig benötigen wir für Osteuropa eine Neuauflage der Politik Willi Brands, die maßgeblich zur Beendigung des Kalten Krieges geführt hat. Nur wenn wir endlich verstehen, dass das permanente Drehen an der Eskalationsschraube zwischen Nato und Russland den Autokraten Putin nicht schwächt, sondern stärkt, werden wir eine vernünftige Alternative zur drohenden Neuauflage des Kalten Krieges in Europa finden.

Entscheidend aber bleibt, sich in dieser konkreten Situation dem Zynismus der Abschottung zu widersetzen und die Menschen im Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus zu retten und damit vielleicht auch den letzten Rest der Glaubwürdigkeit der so genannten westlichen Wertegemeinschaft.