Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

TOP 18: Mittagessen für Kinder finanziell bezuschussen

Bundesweit haben die Ergebnisse des 3. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung und auch von Studien z. B. des Robert-Koch-Institutes zum Ernährungszustand von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu heftigen Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt. Es häufen sich Feststellungen in Schulen und Kindertagesstätten, dass Kinder ohne warme Mahlzeit bleiben. So geht aus einer wissenschaftlichen Untersuchung im Rahmen einer Diplomarbeit an der Hochschule Anhalt hervor, dass nur knapp die Hälfte der Schülerinnen und Schüler die an 93 % der sachsen-anhaltinischen Schulen bestehenden Angebote eines Mittagessens nutzen. (Simone Kleetz, Analyse der Mittagsverpflegung in allgemeinbildenden Schulen Sachsen-Anhalts, Bernburg 2007, S. 93) Eine häufige Ursache sind finanzielle Schwierigkeiten der Familien.

Insgesamt ist die Situation von Kindern und Jugendlichen, deren Familien auf finanzielle Unterstützung durch Transferleistungen angewiesen sind, gekennzeichnet durch vielfältige Benachteiligungen und Ausgrenzungen aus der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Auch eine ausgewogene gesunde Ernährung als eine wichtige Voraussetzung für die optimale Entwicklung eines Kindes und für erfolgreiches Lernen ist ein wichtiger Aspekt gleicher Teilhabe. Und wenn eine vernünftige Ernährung in Schule und Kita nicht gesichert ist, sind auch Benachteiligungen in Bildungsprozessen vorprogrammiert.

Inzwischen haben die Diskussionen in Medien, wissenschaftlichen Konferenzen und anderen Gremien dazu geführt, dass es erste gesetzgeberische Initiativen gibt:

Aus dem Saarland, aus Rheinland-Pfalz, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen sind sogar Bundesratsinitiativen zur Veränderung der Regelsätze für Kinder bezüglich der spezifischen mit Schule und Kita zusammenhängenden Bedarfe und deren Struktur auf den Weg gebracht geworden. Auch einige Kommunen haben bereits Initiativen ergriffen, um Kindern eine kostenfreie oder kostengünstige Teilnahme am Schulessen zu ermöglichen. Der Deutsche Bundestag wird am 16.6. eine öffentliche Anhörung zur Problematik der Kinderregelsätze durchführen.

Nach den jetzt gültigen Regelsätzen im Rahmen von SGB II und XII sind für die Ernährung von Kindern unter 15 Jahren für die tägliche Verpflegung 2,57 € ausgewiesen, Jugendliche ab 15 Jahre sollen von 3,43 € satt werden. Diese Sätze reichen nicht aus, auch wenn manche politische Rechenkünstler etwas anderes bewiesen haben wollen.

Regelsatzänderungen wären zwar eine Möglichkeit, etwas für die Verbesserung der Situation zu tun. Aber diesen Weg haben wir mit unserem Antrag bewusst nicht eingeschlagen. Er ist in Anbetracht der Dringlichkeit nach unserer Einschätzung zu langwierig und unsicher.

Wir wollen mit unserem Antrag, dass unsere Landesregierung dazu beiträgt, so schnell wie möglich wirksame Maßnahmen, die allen Kindern nutzen, zu konzipieren. Es ist wichtig, dass aus den Diskussionen im Bundesrat und im Bundestag endlich Maßnahmen zur Lösung des Problems werden. Und wir meinen auch, dass es sich hier nicht nur um in Landeszuständigkeit fallende Bildungspolitik handelt. Deshalb die Forderung nach einer Beteiligung des Bundes an der Finanzierung eines solchen Projektes.

Sicher gibt es zu den Einzelheiten derartiger Unterstützungsmaßnahmen noch viele Fragen, die zu klären wären und die wahrscheinlich auch so manche Kontroverse auslösen können. Das fängt schon beim Kreis der einzubeziehenden Kinder und Jugendlichen an.

Sollen nur EmpfängerInnen von Transferleistungen bedacht werden oder müssen nicht auch die vielen NiedriglohnempfängerInnen, deren Arbeitseinkommen häufig nur knapp über den Grenzen für staatliche Unterstützung liegt, und die ebenfalls größte Schwierigkeiten haben, ihren Kindern alle für die Schule notwendigen Dinge und das Schulessen zu finanzieren, einbezogen werden. Wenn ja, wo setzen wir die Einkommensgrenzen an?

Sollen die Kosten für das Mittagessen vollständig übernommen werden oder ist ein Zuschuss, der den Familien ein gewisses Maß an Würde und Eigenverantwortung lässt, besser? Wir haben uns entschieden, für einen Eigenbeitrag von maximal einem Euro zu sprechen. Ähnlich wird in Berlin verfahren, wo in den Grundschulen monatlich nicht mehr als 23 € für das Schulessen von den Familien aufzubringen sind.

In Halle wird im Rahmen des Halle-Passes eine Bezuschussung des Mittagessens gewährt. Auch in Magdeburg wird gegenwärtig über solche Möglichkeiten nachgedacht. Manche Kommunen subventionieren das Schulessen bereits, indem sie den Anbietern z. B. mietkostenfreie Raumnutzung ermöglichen, Küche und Speiseräume ausstatten, anteilige Personalkosten oder Betriebskosten übernehmen. (vgl. Simone Kleetz, S. 31)

Allerdings sind viele Kommunen finanziell überfordert, solche Zuschüsse zu gewähren. Es muss also eine gemeinsame Aktion von Bund, Land und Kommunen organisiert werden. Und sicher ist es auch nicht verkehrt, Sponsoren zu suchen, die die Einrichtung und den Betrieb von Schulkantinen und ähnliches unterstützen, damit der gute Zweck, die Bedingungen für eine kultivierte Essenseinnahme an den Schulen zu verbessern und bedürftigen Kindern ein Mittagessen zu gewährleisten, nicht in eine Stigmatisierung dieser Kinder umschlägt.

In Sachsen-Anhalt kommt der Armuts- und Reichtumsbericht des Landes zu der Einschätzung, dass die große Zahl von Kindern und Jugendlichen in Hartz IV-Bezug ein hohes Risiko für die Zukunft des Landes darstellt. Ein Drittel der Kinder in Sachsen-Anhalt wächst in Haushalten auf, die auf Unterstützung angewiesen sind. Und für all diese Kinder birgt diese Situation nicht nur gesundheitliche Risiken, sondern auch ihre Bildungschancen, und damit die Chance, aus der Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung auszubrechen, sind wesentlich geringer als die anderer Kinder.

Die Sicherung einer vernünftigen Essensversorgung in Schule und Kindergarten hat nicht nur eine finanzielle Dimension. Neben gewichtigen gesundheitlichen Aspekten, die in Regelmäßigkeit und ernährungsphysiologischer Qualität des Essens in Schule und Kita sicher nicht erschöpft sind, spielen auch Auswirkungen auf die geistige Leistungsfähigkeit im Verlaufe eines Schultages eine wichtige Rolle.

Auch Möglichkeiten der Nutzung dieses Tagesabschnitts „Mahlzeiteinnahme“ für die Entwicklung kommunikativer und sozialer Verhaltensweisen sollten nicht unterschätzt werden – auch wenn uns natürlich klar ist, dass dazu noch eine Menge Voraussetzungen zu schaffen wären. (z. B. ausreichend lange Pausen für die Einnahme des Mittagessens, ordentliche Essenräume und eine angenehme ruhige Atmosphäre usw.)

Es sind viele Probleme anzupacken und dazu wird es vieler Ideen bedürfen, um für die von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen bessere Chancen für Bildung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben insgesamt zu erreichen. Kinder sind unsere Zukunft – und das sollte unbedingt für alle Kinder gelten.