Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

TOP 18: Elemente der Verwaltungsmodernisierung als ständige Aufgabenstellung realisieren

Dr. Helga Paschke

Warum dieser Antrag zu diesem Zeitpunkt?

Wir befinden uns in einem wichtigen Diskussions- und Entscheidungszeitraum: Zum einen haben wir in Umsetzung des Landtagsbeschlusses „Kommunalisierungspotenziale klarstellen“ Anfang des Monats im Innenausschuss den Bericht der Landesregierung zur Kenntnis genommen. Wenngleich sich der Diskussionsbedarf der Koalitionsfraktionen bei Null bewegte, so wurde doch eines deutlich:

1. In wenigen Monaten soll ein zweites Funktionalreformgesetz vorliegen. Die Erfüllung der im Antrag formulierten Forderungen ist eine der Voraussetzungen, diese Entscheidungen sachgerecht zu fällen. Ist es doch unstrittig, dass bei einer Kommunalisierung in den aller meisten Fällen Bürokratieabbau durch die Reduzierung von Doppelarbeit Mitzeichnungshierarchien, Reibungsverluste durch Aufgabenferne einhergeht. Wenn dem nicht so wäre, dürfte man nicht über eine Effizienzrendite bei der Kostenberechnung ausgehen. Ich komme noch einmal später auf den Punkt zurück.

2. Mit der Einsetzung der Enquetekommission haben wir uns im Unterschied zu den Gutachten der Landesregierung, die ja bekanntlich fiskalisch ausgerichtet waren, das Ziel gestellt, aufgabenorientiert den Personalbedarf zu bestimmen. Eine im Punkt zwei eingeforderte Aufgabenkritik ist deshalb unverzichtbarer Ausgangspunkt der Berichterstattung der Ressorts. Die Bereiche Schulen und Polizei haben wir teilabgeschlossen. Wenngleich sich die Berichterstattung hinsichtlich des Aufgabenbestandes im Innenressort leicht verbessert hat, so bleibt anzumerken, dass die Aufgabenkritik des Ist-Bestandes noch viel zu pauschal ist, um Rückschlüsse zu ziehen. Diese Aufgabenkritik müsste eigentlich VBE-bezogen vorliegen, letztlich muss dies ja auch der Arbeitsgruppe im Staatsministerium als Grundlage dienen.

Beide Elemente der Verwaltungsmodernisierung sind also brandaktuell. Den konkreten Sachstand zu erfahren, ihn zu beurteilen und daraus Schlüsse zu ziehen, z.B. im zweiten Funktionalreformgesetz, das für Ende des Jahres angekündigt wurde - das ist Anliegen des Antrages.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen macht deutlich, dass die Einschätzung des Abarbeitungs- bzw. Erfüllungsstandes von Koalitionsvertrag und Verwaltungsmodernisierungsgesetz sehr differenziert eingeschätzt wird. Vielleicht liegt das in einigen Fällen nur am unterschiedlichen Informationsstand. Das ist ja relativ schnell zu beheben, es lohnt sich aber unseres Erachtens nach doch, etwas kritischer an die Bewertung heranzugehen.

Lassen Sie mich das an den beiden im Antrag formulierten Punkten verdeutlichen:
 
Zu Punkt 1 des Antrages
 

Betrachten wir zunächst einmal das Vorhaben der Koalitionsparteien zur Bürokratiebewältigung. Hier wird nicht nur eine einfache Reformsymbolik wie „Wir wollen erfolgreich Bürokratie abbauen“ verwandt. Nein, hier wird die Zielstellung vereinbart, „Sachsen-Anhalt zum Land mit den wenigsten Vorschriften zu machen“.

Davon haben wir lange nichts mehr gehört. Jedoch bin ich der festen Überzeugung, dass es für das Parlament von großem Interesse sein muss, ob und wie die Landesregierung dieses Ziel weiterhin verfolgt, auch der Änderungsantrag entschärft diese hammerharte Zielstellung.

Ich bin mir mit meiner Fraktion ziemlich sicher, dass dieses Ziel kein unbedingt erstrebenswertes Ziel darstellt. Dieses Ziel greift einzig die Stimmungslage „gefühlte Bürokratie“ auf, meine Damen und Herren es ist Reformrhetorik. Wir teilen die Auffassung von denjenigen Juristen und Verwaltungswissenschaftlern, die der Auffassung sind, dass Regelungen und Gesetze nicht grundsätzlich die Aufgabe haben, die Freiräume der Bürger einzuschränken, sondern vielmehr Freiräume durch Gesetze abzusichern. Gesetze und Verordnungen abzuschaffen, kann grundsätzlich entweder freiheitsbeschränkend oder freiheitsfördernd sein. Für die einen Interessen einschränken, um gleichzeitig andere Interessen besser durchzusetzen. Wir haben das gestern und heute in anderen Zusammenhängen immer wieder diskutiert. Beim Thema Müll, beim Landessportbund, beim Thema Abwasser. Es lohnt also durchaus, näher zu erläutern und zu bestimmen, welche Zielstellungen Legislative und Exekutive beim Thema „Bürokratiebewältigung“ verfolgen.

Das Land mit den wenigsten Vorschriften sein zu wollen, ist unseres Erachtens nach sachlich nicht gerechtfertigt. Und welch hoher bürokratischer Aufwand würde allein dadurch entstehen, festzustellen mit wem wir den Wettbewerb aufnehmen und ob wir gewonnen haben. Ist es mit dem Freistaat Bayern, der dieses Ziel 2001 als eine Bekanntmachung der Staatsregierung formulierte? Ist es Sachsen, welches unter der Rubrik Paragraphenpranger 2004 für sich beanspruchte, weniger Rechtsnormen als die meisten Bundesländer zu haben. Oder ist es Niedersachsen, durch externe Bewertung der Wirtschaft 2007 auf den ersten Platz gesetzt in Brandenburg hat sich gerade in den letzten Jahren ein eigenständiger Ausschuss damit beschäftigt. Im Vergleich ist es da bei uns sehr, sehr ruhig, um nicht zu sagen totenstill. Wenn die Behandlung des Themas dazu führt, realistische Ziele zu stecken, u.a. die Gesetzesfolgeabschätzung zu qualifizieren, dann haben wir wieder einen kleinen Schritt getan.

Ingo Schorlemmer hat in seinem Buch „Erfolgreicher Bürokratieabbau in den Ländern“  erschienen 2006 zusammenfassend 7 Hypothesen zum erfolgreichen Bürokratieabbau auf Seite 108ff beschrieben, von denen ich einige nennen will:

Bürokratieabbau muss zentral gesteuert werden, die Letztentscheidung muss an der Spitze fallen. Welche Entscheidung ist zu diesem Punkt letztmals im Kabinett gefallen?

Je höher der politische Druck, desto größer die Durchsetzungschancen. Die Politik muss sich stärker engagieren. Bei uns ist der politische Druck über weite Strecken nicht höher als der Druck einer auf dem Elefantenkreuz gelandeten Fliege.

Anregungen von außen müssen zugelassen und eingefordert werden. Wie weit wir davon entfernt sind, beweist u.a. unser Landesportal „Verwaltungsmodernisierung.“

Die Reformwirkungen dürfen nicht überschätzt werden und es bedarf eines Mentalitätswandels in Politik und Verwaltung. Dazu müssen wir aber als erste Voraussetzung ins Gespräch über diese Fragen kommen.

Warum, fragt im Tierpark ein Löwe seinen stark abgemagerten Artgenossen, bekomme ich jeden Tag Fleisch und du nur Eicheln? Das ist die Scheißbürokratie hier, mault der andere Löwe. Ich sitze auf der Planstelle eines Wildschweins.

Zu Punkt 2 des Antrages

Die Aufgabenkritik war Bestandteil der Vorschaltgesetze ist seit der Verabschiedung des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes Anfang 2003 ebenfalls Gesetzesauftrag. Im Unterschied zu Punkt 1 des Antrages ist deren Notwendigkeit unbestritten. Bereits in der 3. Legislaturperiode lagen dem zeitweiligen Ausschuss VBE-bezogene diesbezügliche Daten vor.

Im Gesetz war der Stichtag der Erfüllung dieses Gesetzesauftrages angegeben- der 30. Juni 2003. Dieser Termin konnte augenscheinlich nicht eingehalten werden. Nicht zuletzt beweist dies der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen der sich auf den Stichtag 31.08.2004 bezieht. Meine Fraktion geht im Unterschied zu den Koalitionsfraktionen nicht davon aus, dass mit dem Stichtag 31. August 2004 der Gesetzesauftrag erfüllt ist. Zu diesem Stichtag wurde ein weiterer Schritt getan, indem soweit uns bekannt ist, in einer Datenbank im Innenministerium zu diesem Zeitpunkt 11.196 Aufgaben erfasst und ausgewiesen waren.

Warum sage ich, ein weiterer Schritt?

Zur Erklärung zitiere ich aus dem Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz § 2 Absatz 1: „Die Landesregierung erfasst bis zum 30. Juni 2003 den Aufgabenbestand der Landesbehörden, Landesbetriebe und beliehenen Einrichtungen und die von den Kommunen im übertragenen Wirkungskreis wahrzunehmenden Aufgaben und schreibt ihn fort.“

Uns liegt vor der Abschlussbericht der damaligen Projektgruppe an die Landesregierung vom 11.11.2005. Darin wird zusammenfassend festgestellt, ich zitiere aus dem mir vorliegenden Bericht: „Die Aufgaben der Landesverwaltung sind- von definierten Ausnahmen abgesehen- in einer vom MI geführten Datenbank nach einheitlichen Vorgaben erfasst worden. In dieser Datenbank sind derzeit insgesamt 10.848 Aufgaben enthalten. Die Landesregierung hat damit die gesetzliche Verpflichtung zur Aufgabenerfassung nach §2(1) Verwaltungsmoderinisierungsgrundsätzegesetz zunächst erfüllt. Die verlangte Fortschreibung des Aufgabenbestandes der Landesbehörden, Landesbetriebe und beliehenen Einrichtungen sowie der von den Kommunen im übertragenen Wirkungskreis wahrgenommenen Aufgaben ist zu veranlassen.“

Die Fortschreibung ist Gesetzesauftrag. Zudem wird im besagten Bericht mehrmals darauf hingewiesen, dass ein Großteil Landesbetriebe und insbesondere aufgaben des übertragenen Wirkungskreises noch nicht hinreichend oder gar nicht erfasst wurden.

Unseren Informationen nach ist damals dieser Abschlussbericht im Kabinett in Bausch und Bogen durchgerauscht. Kann ja vorkommen. Wäre Aufgabenkritik auf die Erfassung des Bestandes zu reduzieren, wäre das sicher nicht passiert. Aufgabenkritik definiert sich aber wie folgt: „Als Aufgabenkritik wird der Prozess bezeichnet, in dem der Aufgabenbestand der Verwaltung mit dem Ziel untersucht wird, den Umfang auf das notwendige und wirklich wichtige zu reduzieren und die Art der Aufgabenwahrnehmung effektiv und wirtschaftlich zu organisieren“

Insbesondere sollen Doppelarbeit und hoher Kontrollaufwand gesenkt werden. Hier schließt sich der Kreis insbesondere auch zur Funktionalreform. Welchen konkreten Arbeitsstand und welche konkrete Beschlusslage haben wir zwischen dem 11.11.2005 und dem jetzigen Zeitpunkt erreicht? Die Notwendigkeit, dies mindestens zeitgleich zur Vorlage des angekündigten Funktionalreformgesetzes auf dem Parlamentstisch gelegt zu bekommen, wird auch durch den Änderungsantrag unterstrichen.