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TOP 16: Stabilisierung und Stärkung der finanziellen Situation der Landkreise

Am 19. August 2008 wurde der Kommunalfinanzbericht 2008 im Kabinett vorgestellt und anschließend veröffentlicht. Der Innenminister benannte diesen Bericht „Dokument einer echten Konsolidierungspartnerschaft“. Nachzufragen ist, ob man, vor dem Hintergrund der tatsächlichen Situation besonders der Landkreise, tatsächlich von einer echten Konsolidierungspartnerschaft sprechen kann. Nach Auffassung unserer Fraktion eher nicht.

Zwar wurden in den Jahren 2004 bis 2007 deutliche Mehreinnahmen, besonders bei den Gewerbesteuern erreicht, jedoch konnte durch diese Mehreinnahmen das strukturelle Defizit der Kommunen nicht ernsthaft verringert werden. In 2007 wurden die Mehreinnahmen von rd. 23 Mio. Euro vor allem durch die Erhöhung der Hebesätze der Gewerbesteuern erzielt. Alle Landkreise, die kreisfreien Städte sowie die Mehrzahl der kreisangehörigen Städte und Gemeinden sind seit Jahren in der Haushaltskonsolidierung. Auch bei Beibehaltung der derzeitigen positiven Entwicklung der Einnahmen aus Steuern wird es der Mehrheit der Kommunen nicht ernsthaft gelingen bis 2013 ausgeglichene Haushalte auszuweisen. Bereits schon jetzt ist das Ende der Fahnenstange bei der Veräußerung von Vermögen und der Reduzierung der Finanzierung der freiwilligen Aufgaben erreicht. Gradmesser ist eben nicht allein die Senkung der Pro-Kopf-Verschuldung, wenn bewusst die hohen Kassenkreditbelastungen ausgeblendet werden. Während die kreisfreien Städte Rückgänge in der Verschuldung pro Einwohner ausweisen, stieg der Anteil der Verschuldung der Landkreise von 26,15 % im Jahr 2005 auf 27,32 % im Jahr 2007. Betrachtet man das Finanzierungssaldo des Jahres 2007 so wird sichtbar, dass erhebliche Unwuchten zu Lasten der Landkreise zu verzeichnen sind. Besonders dramatisch ist die Situation im Vermögenshaushalt. Weisen die kreisfreien Städte noch ein positives Finanzierungssaldo aus, sind die Landkreis und kreisangehörigen Gemeinden von einem negativen Finanzierungssaldo betroffen. Dies hat unmittelbar nachhaltige Folgen auf die Investitionstätigkeit dieser Kommunen.

Die zusätzlich zur Kreditmarktverschuldung und Schuldenaufnahme aufgenommenen Kassenkredite sind ein Beleg für die chronische strukturelle Unterfinanzierung. Waren die Kassenkredite Anfang der 90er Jahre noch eine Möglichkeit um kurzfristige Finanzierungslücken zu überbrücken, sind sie nunmehr dauerhafte Finanzierungsgrundlage. Diese Kredite in Höhe von rd. 1 Mrd. Euro wirken im Zusammenhang mit der Gesamtverschuldung von rd. 3 Mrd. Euro auch für die Folgejahre erheblich nach und sind allein aus Steuermehreinnahmen, drastischen Personalabbau sowie den Effekten einer Gemeindegebietsreform bis 2020 nicht kompensierbar.

Schaut man nach Niedersachsen, so hat die dortige Landesregierung bei freiwilligen Zusammenschlüssen von Landkreisen eine Übernahme von 75 % der Kassenkredite in Aussicht gestellt. Dies ist für unser Land eher utopisch als realisierbar, so wären dies nach der Kreisgebietsreform rd. 225 Mio. Euro. Ungeachtet dieser Tatsache bliebe jedoch die Handlungsoption, ähnlich wie bei der Finanzierung freiwilliger gemeindlicher Zusammenschlüsse, den Landkreise zumindest finanzielle Anreize als Überbrückung der derzeitigen finanziellen Notlage in Aussicht zu stellen.

Davon weit entfernt ist die tatsächliche Realität. Da wird über umfängliche Anordnungsverfügungen, Ersatzvornahmen, Beanstandungen aber auch die letzte freiwillige Leistung der Landkreise der Haushaltskonsolidierung geopfert.

Auch Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Mandatsträger, die nun wirklich nicht mit Landtagsdiäten zu vergleichen sind, sollen darunter subsumiert werden.

Die kommunalen Mandatsträger sollen mit den Kürzungen ihrer nicht üppigen Entschädigungsleistungen ihre Solidarität mit den übrigen Steuerzahlern dokumentieren und mit gutem Beispiel voran gehen. So die Empfehlung des Staatssekretärs des Innenministeriums. Eine solche Solidarität hat jedoch der Landtag bei seiner letzten Diätenerhöhung vermissen lassen. Echte Konsolidierungspartnerschaft?

Im gleichen Atemzug spricht die Landesregierung von der Stärkung des kommunalen Ehrenamtes, von Maßnahmen die Attraktivität der Übernahme ehrenamtlicher Verantwortung zu stärken.

Nein, die drastischen Reduzierungen der Mandatsdichte durch die Kreisgebietsreform und beabsichtigte Gemeindegebietsreform wird verknüpft mit einem „freiwilligen Verzicht“ auf den mit der Übernahme kommunaler Mandate verbundenen Anspruch auf Entschädigung und Auslagenersatz.

Da hilft auch nicht die durch die Landesregierung gegebene Antwort auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Knöfler, die in Aussicht stellt, das die Menschen zu entsprechendem Engagement ermutigt und dafür die Bedingungen für ein Mitwirken ermöglicht werden sollen. Dazu soll eine „Infrastruktur des Helfens“ geschaffen, die attraktiv ausgestaltet werden soll.

Am Beispiel des Landkreises Stendal wird dazu folgendes sichtbar: Auf Grund der Nichtgenehmigung des Kreishaushaltes befand sich der Landkreis bis zum Ende August 2008 im vorläufigen Haushaltsvollzug. Das hatte zur Folge, dass Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe genötigt waren ihre derzeitigen Mitarbeiter zum 31. Dezember 2008 zu kündigen. Es trifft aber auch Vereine der Straffälligenhilfe oder die notwendigen StreetworkerInnen. Gleichzeitig kündigte das Landesverwaltungsamt die Einstellung der Zuwendung des Landes Sachsen-Anhalt zur Förderung von ambulanten Beratungs- und Behandlungsangeboten für Suchtkranke für den Fall an, dass der Landkreis keine geordnete Haushaltspolitik erreichen kann.

Diese Art des Eingreifens hat nun wirklich nichts mehr mit Hilfe und Konsolidierungspartnerschaft zu tun. Hier wird ein funktionierendes und notwendiges Netz sozialer Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge zerstört. Gerade in diesen Bereichen ist eine langfristig angelegte Personalwirtschaft bestandsnotwendig. Man kann nicht wie beim Lichtanschalten davon ausgehen, dass ad hoc aufgelöste Strukturen plötzlich wieder erstehen und funktionieren können. Das ist ein Trugschluss.

Nun zu einem anderen Themenkreis, zu dem der Kreisumlage. Da die Landkreise über keine nennenswerten eigenen Einnahmen verfügen, müssen sie sich zur Deckung ihres Finanzbedarfs an die kreisangehörigen Städten und Gemeinden wenden und über eine jährlich festzusetzende Umlage sicherstellen. Die Umlagehöhe differiert zwischen 40 % im Burgenlandkreis und 51 % in den Landkreisen Wittenberg und Stendal.

Wie bereits mein Fraktionsvorsitzender gestern zur Regierungserklärung ausführte, sind die Mehrzahl der kreisangehörigen Städte und Gemeinden trotz gestiegener Gesamteinnahmen aus Gewerbesteuern nicht an dieser Entwicklung angeschlossen. Sollten nun die Landkreise die zur Deckung notwendigen Einnahmen aus diesem Bereich durch die Erhöhung der Kreisumlage rekrutieren, würden damit die beschlossenen Haushaltskonsolidierungsprogramme der betroffenen Kommunen nicht mehr umsetzbar sein. Das heißt, dass strukturelle Defizit wird an den kreisangehörigen Bereich weitergereicht.

Unter diesen Voraussetzungen können die kreisangehörigen Gemeinden nur in zwei Richtungen handeln. Das ist zum einen der weitere Verkauf von Einrichtungen der Daseinsvorsorge und von Grundstücken – soweit noch vorhanden und zum anderen die völlige Aufgabe von Leistungen des eigenen Wirkungskreises - freiwillige Aufgaben. Damit wird das verfassungsrechtlich verbriefte Recht auf kommunale Selbstverwaltung nicht nur abgeschafft, nein, die Städte und Gemeinden sind dann nur noch als staatliche Behörde tätig. Auf einen Gemeinderat kann man dann auch verzichten, da nichts mehr zu entscheiden ist. Folglich greift dann die Argumentation des Innenministeriums, wenn nichts mehr zu entscheiden ist, dann kann man auch die Entschädigungsleistungen für ehrenamtliche Mandatsträger einsparen. War das nicht der O-Ton der Einsparungen für die Begründung der Gemeindegebietsreform?

Sowohl die für eine Kreisgebietsreform als auch die beabsichtigte Gemeindegebietsreform zu Grunde zu legenden neuen Aufgabenzuständigkeiten sind auch im Jahr 1 nach der Kreisgebietsreform völlig offen. Ob es nennenswerte Aufgabenübertragungen an den kommunalen Bereich geben wird, wird der beabsichtigte Entwurf eines Gesetzes zur 2. Stufe der Funktionalreform, der den Landtag noch 2008 erreichen soll, beweisen müssen.

In wie fern dann diese Aufgaben und die Zusammenlegung der ehemaligen Landkreise tatsächlich den finanziellen Handlungsspielraum erweitert und neue Handlungsspielräume eröffnet, bleibt also abzuwarten.

Was jedoch unabdingbar ist, ist die Darstellung der Auskömmlichkeit der allgemeinen Finanzzuweisungen für die den Kommunen übertragenen Aufgaben. Ich wiederhole die seit langen von unserer Fraktion gestellte Forderung der Definition der verfassungsmäßigen Grenze der Mindestfinanzausstattung – gemessen an den wahrzunehmenden Aufgaben der Kommunen.

Zwischenzeitlich haben die Kommunalen Spitzenverbände wiederholt auf die prekäre Finanzsituation der Kommunen insbesondere auf die strukturellen Defizite, trotz gestiegener eigener Einnahmen, hingewiesen.

Die Evaluierung des FAG steht für das Jahr 2009 an. Ob und in wie weit es zu tatsächlichen Verbesserungen für die Landkreise kommen wird, ist derzeit nicht abschätzbar.

Aus diesem Grund beantragt unsere Fraktion die Erstellung eines Konzeptes der Landesregierung, wonach dargestellte werden soll, wie kurzfristig die finanzielle Situation der Landkreise gestärkt und ihre Handlungsfähigkeit wieder hergestellt werden kann. Wir bitten daher um eine Direktabstimmung.