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TOP 16: Einrichtung einer Zentralen Beschwerdestelle Polizei

Wenn Herr Innenminister Hövelmann in seiner Presseerklärung vom 13. März 2008 schreibt: „Erfolgreiche Polizeiarbeit lebt von der Akzeptanz der Gesellschaft und auch vom Vertrauen, dass die Opfer von Verbrechen der Polizei entgegen bringen.

Transparenz, Öffnung und Dialog sind die Voraussetzung dafür, solche Akzeptanz immer wieder neu zu gewinnen.“ - können wir dem nur vorbehaltlos zustimmen.

Es geht dabei um eine weitere Öffnung der Polizei für den Dialog mit der Gesellschaft sowie für die Sichtweise der Opfer.

Um das zu erreichen, beabsichtigt der Innenminister eine Zentrale Beschwerdestelle Polizei als alternative, zentrale Instanz außerhalb des klassischen Dienstweges für PolizeibeamtInnen sowie als Ansprechstelle für BürgerInnen, wenn ihnen eine Beschwerde auf anderem Weg nicht verfolgbar erscheint, einzurichten.

Auch dabei findet er unsere volle Unterstützung.

Aber, das ist es dann auch schon gewesen. An dieser Stelle beenden wir unsere Laudatio und setzen mit unserer Kritik an.

Denn die beabsichtigten Maßnahmen der Umsetzung, insbesondere die Entscheidung über die Ansiedlung der Zentralen Beschwerdestelle, ihr Aufgabenkatalog, die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sind kritik- und fragwürdig, folglich mittels Sachverstand zu prüfen und finden in der geplanten Realisierung in keiner Weise unsere Zustimmung.

Doch dazu später im Detail mehr.

Eine Reihe von Kritiken an der Arbeit der Polizei, aber auch Kritiken von PolizeibeamtInnen über innerbehördliches Agieren lassen die Vermutung zu, dass die Polizei nicht immer in dem erforderlichen Umfang bereit ist, sich einer öffentlichen Diskussion zu stellen.

Nicht zuletzt deswegen wurde auch der 10. Parlamentarische Untersuchungsausschuss eingerichtet.

Der Menschenrechtskommissar im Europarat Thomas Hammarberg hat in seinem Bericht zu seinem Besuch in Deutschland folgendes erklärt:

„Nach Auffassung des Kommissars muss die Polizei in einer demokratischen Gesellschaft bereit sein, ihre Maßnahmen überwachen zu lassen und dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Obwohl es interne Mechanismen gibt, die sich mit Fällen mutmaßlichen Fehlverhaltens der Polizei in Deutschland befassen, ruft der Kommissar die deutschen Behörden auf, zu diesem Zweck unabhängige Beobachtungs- und Beschwerdegremien einzurichten. Die Unabhängigkeit dieser Beobachtungsgremien kann nur wirksam gewährleistet werden, wenn sie außerhalb der Polizei- und Ressortstrukturen angesiedelt werden.“

Die Polizei steht vor folgendem Dilemma.

Stellt ein Polizeibeamter zum Beispiel eine strafbare Handlung eines Kollegen fest, muss er wegen des Strafverfolgungszwanges gegen diesen Kollegen Anzeige erstatten, schon deswegen, um sich nicht selber des Vorwurfs der Strafvereitelung im Amt ausgesetzt zu sehen.

Doch was passiert dann. „Der Spieß wird umgedreht“.

Nicht selten sind dann gerade diese Beamten schweren Vorwürfen und Anschuldigungen ausgesetzt, sie werden ausgegrenzt und man betitelt sie als „Nestbeschmutzer“ oder „Kameradenschwein“.

Das gipfelt dann in Repressionen bis hin zu Mobbing.

Und oftmals endet das dann in einer Mauer des Schweigens und der Isolation unter den eigenen KollegInnen.

So manches erinnert mich dabei ansatzweise an Zeugenaussagen im derzeitigen Untersuchungsausschuss.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International mahnt schon seit langem die Errichtung von unabhängigen Beschwerdestellen in den Ländern an.

Nicht zuletzt auch unter dem Aspekt, dass durch Transparenz und Offenheit die Akzeptanz der Polizei in der Bevölkerung gestärkt wird.

In vielen europäischen Ländern gibt es diese Beschwerdestellen bereits und sie haben sich bewährt.

So in Frankreich und Großbritannien.

Eine vergleichbare Stelle gab es auch in Hamburg von 1998 bis 2001. Diese wurde jedoch, wen wundert es, vom damaligen Innensenator Schill wieder abgeschafft.

Diese Stelle bestand aus drei ehrenamtlichen Mitgliedern, die vom Senat eingesetzt wurden.

Ihre Unabhängigkeit war gesetzlich garantiert, sie hatten das Recht auf Auskunft und Einsicht in alle Akten und Unterlagen, unterlagen keinem Strafverfolgungszwang und konnten dem Innensenator Einzelfälle zur Prüfung und weiteren Veranlassung vorlegen.

Allerdings musste auch festgestellt werden, dass eine rein ehrenamtliche Konstruktion mit einem kleinen Unterbau für die Bewältigung der Aufgaben nicht ausreichend ist.

So eine Beschwerdestelle erfüllt gleich zwei Funktionen. Einerseits soll sie als Anlaufstelle für Polizeibeamte und -beamtinnen dienen und andererseits als Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger, wenn ihnen eine Beschwerde auf anderem Weg nicht verfolgbar erscheint.

Mit unserem Antrag unterstützen wir ausdrücklich das Vorhaben des Innenministers, eine Beschwerdestelle  außerhalb der Polizei als alternative, zentrale Instanz und außerhalb des klassischen Dienstweges für Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen zu errichten.

Als oberste Messlatte für deren Ansiedlung ist ein hohes Maß an Objektivität und Neutralität anzulegen.

Und an dieser Stelle beginnen unsere Probleme, üben wir ausdrücklich Kritik an den Plänen des Innenministeriums zur Umsetzung:

Dabei ist zum einen als äußerst problematisch zu betrachten, die beabsichtigte Ansiedlung der Beschwerdestelle an den Landespräventionsrat, der unter Vorsitz des Staatsekretärs agiert. Eine unmittelbare Anbindung an das Innenministerium ist damit vorprogrammiert – gewollt oder ungewollt?!

Und zum anderen sollte man sich die der Beschwerdestelle übertragenen Aufgaben und Kompetenzen sehr genau betrachten.

Und bei näherer Betrachtungsweise entpuppt sich die Zentrale Beschwerdestelle als Briefkasten und bessere Postverteilungsstelle.

So sollen Beschwerden aus der Bevölkerung oder von Polizeibeamten entgegengenommen und an das Innenministerium zur Prüfung und Bearbeitung weitergeleitet werden.

Nach Abschluss der Bearbeitung erhält die Beschwerdestelle einen Bericht über eingeleitete Maßnahmen.

Es gibt keine eigenen Ermittlungsbefugnisse und nur mit Zustimmung des Ministeriums des Innern darf an die Öffentlichkeit gegangen werden.

Das hat dann letztendlich kaum noch etwas mit einer unabhängigen Beschwerdestelle zu tun.

Rechtsanwalt Rolf Gössner fordert ein Beschwerdestelle mit folgenden Rechten und Kompetenzen:

Akteneinsichtsrecht

Auskunftsrecht

Ladungs- und Vernehmungsrecht

Zutrittsrecht

Recht auf selbständige Öffentlichkeitsarbeit,

um nur einiges zu nennen.

Dem können wir uns nur anschließen.

Dabei soll diese Beschwerdestelle keine parallele Ermittlungsinstitution zur Staatsanwaltschaft sein.

Als Vorbild könnte der Wehrbeauftragte bei der Bundeswehr dienen, der ja bekanntermaßen auch eine Berichtspflicht gegenüber dem Parlament hat.

Nun werden wir von den KollegInnen der Koalition in der heutigen Plenardebatte sicherlich die gleichen Argumente hören, wie bereits im Innenausschuss geäußert:

So kamen diese nach einer Auszeit (!) zur Einsicht und zu folgender Aussage, dass die Einrichtung einer Beschwerdestelle rein exekutives Handeln sei, man müsse sich damit nicht weiter befassen, der Landtag hat damit nichts zu tun.

Ja, liebe KollegInnen von der Koalition, so stiehlt man sich aus der Verantwortung, so drückt man sich vor einer Entscheidung und Positionierung.

Aber gerade wir als Parlamentarier sind diejenigen, die sich auch mit Vorfällen bei der Polizei beschäftigen sollten und müssen – und das auch außerhalb von Untersuchungsausschüssen.

Wir müssen Rede und Antwort stehen, was wir gedenken, dagegen zu tun.

Und da soll es uns nichts angehen, wie und wo eine solche Beschwerdestelle arbeiten soll, die Konflikte entschärfen könnte oder gar nicht erst entstehen ließ, die aber auch strukturelle Probleme aufzeigen könnte!?

Da haben wir eine andere Auffassung von parlamentarischer Verantwortung und die werden wir uns auch nicht nehmen lassen.

So forderte der ehemalige Hamburger Innensenator Harthmut Wrocklage eine unabhängige, externe Kontrollinstanz für die Polizei, die bei Bund und Bundesländern den jeweiligen Parlamenten und nicht den Innenbehörden untersteht.

Wir wollten mittels einer Anhörung im Innenausschuss künftig Beteiligte bzw. Ansprechpartner einer Beschwerdestelle, gewerkschaftliche VertreterInnen und diejenigen, die bereits Erfahrungen mit einer solchen gesammelt haben, zu Wort kommen lassen, um uns deren Vorstellungen von einer unabhängigen Stelle mitteilen zu lassen.

Vor allem auch deswegen, weil die Mobile Opferberatung bereits jetzt schon öffentlich angekündigt hatte, unter den jetzigen Vorstellungen nicht mitarbeiten zu wollen.

Doch das ist nicht gewollt gewesen, insbesondere aufgrund der Entscheidung der Kollegen von der CDU-Fraktion.

Mehr als bedauerlich, denn so wie angedacht, wird diese Beschwerdestelle ein zahnloser Tiger werden, der mehr eine Alibifunktion als wirkliche Aufklärungsfunktion hat.