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TOP 08: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt

Zunächst möchte ich noch etwas Grundsätzliches zum vorliegenden Gesetzentwurf sagen. Öffentliche Sicherheit ist immer ein sehr sensibles Thema, sowohl im politischen Raum als auch in der allgemeinen gesellschaftlichen Diskussion in der Bevölkerung. Man muss die Ängste der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen  und wir als LINKE nehmen sie ernst. Und natürlich erfordert dieses Thema gerade auch am heutigen Tag, dem 11. September - in Gedenken an die über 3.000 Opfer der verübten Terroranschläge auf zivile und militärische Gebäude in den Vereinigten Staaten vor sieben Jahren eine besondere Sensibilität von uns allen.

Und wenn sich Datenschutz und öffentliche Sicherheit konträr gegenüber stehen, entscheidet sich so mancher Politiker/ manche Politikerin bedingungslos und ausschließlich für die öffentliche Sicherheit, für die oft damit verbundene Einschränkung bürgerlicher Grundrechte und gegen den Datenschutz, nicht nur aus Sensibilität, sondern eben auch, weil sie scheinbar mehr Punkte in der öffentlichen Wahrnehmung einbringt.

Und, sehr geehrte KollegInnen der Koalitionsfraktionen, nur weil die LINKE sich für die Stärkung der Bürgerrechte, des Datenschutzes einsetzt, heißt das nicht, dass uns die Ängste und Sorgen der Bevölkerung gleichgültig sind. Wir sehen nur andere Optionen, um ihnen diese Sorgen und Ängste zu nehmen. Oder aber, um es ehrlich zu sagen, diese Ängste kann Politik nicht bzw. nur im Ansatz und damit teilweise nehmen, weil es Gefahrensituationen gibt, die kein Gesetz verhindern kann!

Aber diese Position meiner Fraktion ist nicht neu. Frau Tiedge äußerte sie immer wieder hier im hohen Hause - auch wenn das Verständnis dafür zuweilen nicht oder nur im geringen Maße vorhanden war.

Und nun steht die Frage im Raum, ob dieser Gesetzentwurf tatsächlich mehr Sicherheit bringen wird.

Ich möchte einen Satz aus der Zielsetzung des Gesetzentwurfes zitieren: „Mit dem Gesetz wird im Wesentlichen der Ausgestaltung der Auskunftsbefugnisse nach dem Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (…) - insbesondere auch im Hinblick auf die Ermittlung der Finanzquellen rechtsextremistischer Kreise - (…) Rechnung getragen.

Nun verrate ich kein Geheimnis, wenn ich daran erinnere, dass DIE LINKE im Bundestag das benannte Gesetz aus verfassungsrechtlichen Erwägungen heraus ablehnte.

Doch schauen wir uns die hier verwendete Formulierung im Detail an. Sie wollen Finanzquellen rechtsextremistischer Kreise ermitteln. Wozu führt Sie das? Zur Bekämpfung des Rechtsextremismus? Nein!

Genau wie bei einem Verbot der NPD oder der Einführung einer Qualifizierung von Straftaten aus politisch motivierten Gründen kann ich Ihnen auch hier voraussagen, dass das keine Aussicht auf Erfolg hat. Ganz im Gegenteil: Diese von Ihnen vorgeschlagenen Wege führen in eine politische wie rechtliche Sackgasse und zeugen von politischer Blauäugigkeit.

Die Politik ist stets in der Versuchung, auf die Gefährdung der Zivilgesellschaft oder auf den Anstieg bestimmter Straftaten  mit Gesetzes- bzw. Strafverschärfungen zu reagieren. Man gibt sich so der Illusion hin, alles Notwendige getan zu haben, um die Menschen, um potentielle Opfer effektiver zu schützen.

Aber hier unterliegt man einem Irrglauben. Wenn überhaupt, wird nur ein kurzzeitiger Strohfeuereffekt erzeugt. Alles andere ist blanker Populismus.

Und womit wird der vermeintliche Zugewinn an Sicherheit vor dem Terrorismus bezahlt?

Mit einem weiteren, erheblichen Verlust an Sicherheit vor dem Staat – also mit dem Verlust von Freiheit. Auch DIE LINKE ist für mehr Sicherheit, aber eben nicht auf Kosten von Grund- und Freiheitsrechten.

Und, sehr geehrte Koalitionäre, Sie sollten sich durch die Landesregierung nicht dadurch täuschen lassen, dass in der Gesetzesbegründung steht, es würde nur der Wortlaus des Bundesgesetzes übernommen. Das stimmt zwar prinzipiell, aber halten Sie sich bitte vor Augen, dass es noch laufende Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gibt.

Ich beziehe mich an dieser Stelle ausdrücklich auf den § 10 des Gesetzentwurfes, der wortgleich mit der Bundesregelung ist und verweise zugleich auf die Eilentscheidung des BVerfG vom 11. März 2008. Hier hat das Gericht ausdrücklich festgestellt, dass der Dienstanbieter die Daten seiner Kunden zwar speichern darf, aber eben nicht verwenden oder gar Dritten einen Zugriff ermöglichen.

Selbst bei einem Abrufersuchen einer Strafverfolgungsbehörde darf er sie an diese nur übermitteln, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahren eine schwere Straftat im Sinne des § 100a StPO ist, die auch im Einzelfall schwer wiegt, der Verdacht durch bestimmte Tatsachen begründet ist und die Erforschung des Sachverhaltes auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat einen nur schwer zu öffnenden Riegel vorgeschoben - natürlich auch in dem Wissen, dass es damit in großem Maße in den Vollzug eines Gesetzes innerhalb des einstweiligen Verfahrens eingreift.

Diese Entscheidung wurde nunmehr mit Beschluss vom 01.09.2008 wiederholt und zunächst auf sechs Monate befristet. In dieser Frist ist die Bundesregierung aufgefordert, Stellung zu nehmen. Die endgültige Entscheidung wird mit Spannung erwartet.

Der Bundesgesetzgeber hat eben nicht per se immer Recht, nur weil er auf Bundesebene tätig ist. Und Sie sollten gerade an dieser sensiblen Stelle, gerade, weil es um empfindliche Grundrechtseinschränkungen geht, nicht im vorauseilenden Gehorsam entscheiden.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens stellt die LINKE den Antrag auf Anhörung: nicht nur des Landesbeauftragten für Datenschutz, sondern auch von Verfassungsrechtlern.

Meine Fraktion wird zum überwiegenden Teil der Überweisung zustimmen. Da wir die Intention des Gesetzes jedoch in Gänze ablehnen, werden einige Mitglieder meiner Fraktion bereits die heutige Überweisung ablehnen.