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TOP 03: Bürgeranliegen als demokratische Teilhabe in Sachsen-Anhalt

Es ist mir eine große Freunde, zu dieser Zeit in der Landtagssitzung, im drittem Tagesordnungspunkt  - an dem das mediale Interesse immer sehr groß ist - mit Ihnen die vorliegende Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE diskutieren zu können.

Diesen, vom Ältestenrat gegebenen Vorteil will ich nutzen, um für das Thema „ Bürgeranliegen als demokratische Teilhabe“ in der Öffentlichkeit, Gehör zu finden.

Zum einen, wie gehen wir mit dem offensichtlich doch eher geringem Interesse an Petitionen unserer Bevölkerung im Land Sachsen Anhalt durch die Landesregierung um!?

Zum zweiten, wie arbeitet die Landesregierung unsere parlamentarischen Anfragen so intensiv und umfänglich ab, dass aus den Antworten zu den Fragen ein „Werk von Informationen von allgemeinem Interesse“ entstehen kann!?

Der Griechische Philosoph Sokrates entwickelte die verschiedensten Möglichkeiten, sein Wissen immer wieder aufs Neue zu erweitern. Mit dem „Sokrateschen Dialog“ (dem ständigen Fragen) verhalf er seinen Schülern, aus Fragen Erkenntnisse für das eigene, bessere Leben zu finden. Xanthippe, seine Frau war unzufrieden, denn ihr Mann und Familienvater, der Philosoph verlangte für seine Lehren kein Geld von seinen Schülern.

Fazit: Wir sind im doppelten Sinne „bevorteilt“.

Erstens: Wir können Fragen über Fragen stellen, wobei am besten jene Fragen sind, bei denen schon im Vorfeld die Antwort beim Fragesteller bekannt ist!

Zweitens: Wir bekommen dafür auch noch Geld, nicht wenig Geld.

Aber mehr noch, wir sind alle gewählte „Volksvertreter“ und dürfen befristet die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens in unserem Land Sachsen Anhalt übernehmen. Sei es in der Regierung oder in der Opposition. Nur eine einzige Bürde ist uns auferlegt: „Alles zum Wohle des Volkes, unserer Wähler und Wählerinnen, zu tun und zu beschließen“.

Ziel und Auftrag der Wählerinnen und Wähler ist wiederum nur Eines: „Dass alle ein besseres Leben führen können, sich Lebensräume und -träume erfüllen können“. An diesen Ansprüchen werden wir alle ständig gemessen, ob wir unserer Verantwortung gerecht werden und damit zu Recht vom Volk gewählt worden sind. Wir üben also alle Macht in einer demokratischen Gesellschaft aus - in einer Demokratie.

Wieder in der griechischen Antike angekommen, erinnere ich uns Demokratinnen und Demokraten an folgendes: „Demokratie“ ist die Ableitung von Demos, dem Volk, der Volksmasse.

Resultat dieses erneuten geschichtlichen Exkurses bleibt die Feststellung, Demokratie ist die Herrschaft des Volkes, ausgeübt durch die Vertreter des Volkes. Das im Sinne, im Interesse und zum Nutzen des Volkes. Folgerichtig sind wir bekannter maßen „Volkes Vertreter“, in Verantwortung für das Volk.

Nicht nur bei Wahlen und in Abstimmungen muss das Volk oder der Einzelne „Gehör“ bei uns finden.

Bei der Verwirklichung des Zieles - ein besseres Leben für unsere Menschen, eine bessere gerechtere Gesellschaft, sollten wir ständig Fragende und Suchende bleiben.

So u. a. sind unsere Vorstellungen, die Gesellschaft zu verändern, wie wir es anstreben, richtig, nützlich und der Bevölkerung dienlich zu sein.

Wenn nicht, müssen wir dann nicht umsteuern und unsere eigenen Gesetze hinterfragen, gar wieder verändern?

Politik zu gestalten, heißt meines Erachtens auch, zwingend die gesellschaftliche Wirkung unseres Tuns maßvoll im Blick zu behalten. Folgerichtig bedarf es dafür einer gehörigen Portion Realitätssinnes und einer ständigen gesellschaftskritischen Bewertungen unseres Handelns.

Ich lade Sie ein, betrachten sie gemeinsam mit uns - kritisch und hinterfragend - die vorgelegte Antwort der Landesregierung auf die große Anfrage „Bürgeranliegen als demokratische Teilhabe in Sachsen-Anhalt“.

So kommen die Beantwortenden recht schnell zu dem Schluss: „Ja, es ist alles schon gefragt, gesagt, bekannt und niedergeschrieben.“

Neues zu erfahren hingegen, bleibt unbeantwortet, einfach ausgeschlossen. Denn in einer Vielzahl der Antworten der Landesregierung, wenn da nicht der Schein trügt, wird festgestellt: „Es ist alles gut, besser geht nicht, Veränderungen bleiben ausgeschlossen!“

Dem folgend, ist die Demokratie in Sachsen Anhalt schon an dem Punkt angekommen, dass es keiner Veränderung mehr bedarf. Unsres Erachtens ist Demokratie ein Prozess, kein Erbgut und nichts Festgeschriebenes, und diese Demokratie braucht Demokratinnen und Demokraten.

Stellen wir uns den Fragen: Ist Demokratie nicht ein Prozess im ständigem Fluss, bei dem die Beteiligten, Gehör, Verständnis und die Chancen auf die Möglichkeit der Mitgestaltung und der Einflussnahme auf die Politik haben sollten?

Stellen doch da die „Prinzen“ in einem Lied fest und singen hinaus: „Das Leben ist grausam und schrecklich gemein und Klaus ist ein Schwein.“ Ist das Leben grausam, warum, wieso und wer macht das Leben aus welchen Gründen grausam?

Bei grausamen Problemen sagen wir gerne: „Wenn Sie oder Sie so ein Problem haben, dann wenden sie sich doch an den Petitionsausschuss ihres Landes.

Wird ihnen da geholfen? Kann ihnen da geholfen werden?

Wir alle führen mehr oder weniger regelmäßig Bürgersprechstunden in unseren Abgeordnetenbüros durch. Auch haben wir alle, das setze ich voraus, schon mehrmals BürgerInnen sagen hören: Mein Problem ist, dass eine Umgehungsstrasse vor unserem Haus oder Garten gebaut wird, der Zug an der Haltestelle X nicht mehr hält, ich aus meiner Wohnung ausziehen muss, in welcher ich schon 30 Jahre wohne, denn sie ist zu groß und ich bekomme nur Hartz IV, mein Behindertengrad ist zurückgestuft wurden, ich kann unsere Tochter nicht auf Klassenfahrt schicken, denn das Geld reicht nicht, die Wasser und Abwasserkosten sind fast nicht mehr finanzierbar, die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse decken die Kosten der Produktion nicht ab, ich bekomme keinen Augenarzttermin, ich kann die Schulbücher nicht zahlen, kann es sein dass bei uns Müll abgelagert wird, der dort nicht hingehört, usw.

Und der Bürger sagt dann: „Habe mich schon an das zuständige Ministerium gewandt, aber keine Antwort erhalten.“ Nun gut, die Antwort der Landesregierung sagt dazu, es gibt ein abgestimmtes Vorgehen und eine gut organisierte Zusammenarbeit in und zwischen den Ministerien, Veränderungsbedarf besteht nicht.

Wagen wir noch einen kritischen Blick auf uns selbst, als handelnde Politikerinnen und Politiker. Wir, so Regierung und Opposition, beschließen oder verweigern uns aus politischen Grundsätzen und Überzeugungen vorgelegten Gesetzentwürfen oder auch mancherlei Beschlüssen.

Denn es gibt Parteiprogramme und höchst unterschiedlicher Ansprüche, wie eine, unsere Gesellschaft sozial gerecht gestaltet werden könnte, und aus diesen Überzeugungen erschließt sich das Handeln. Aber unser Handeln hat Folgen für Betroffene, im Einzellfall auch höchst negative und belastende.

Wäre es nicht sinnvoll, die Gesetzesfolgeabschätzung für jedes Gesetz im parlamentarischen Verfahren einzubinden? Um solche Nachteile weitestgehend auszuschließen?

Aber wir haben doch die „politische Reißleine“, das Instrument des sich Einmischens, den Petitionsausschuss.

Ja, und dann erkennt Einer, dass ihm Beschlossenes schadet und sich zum Nachteil vieler auswirkt. Der verharrt nicht, sondern wendet sich an jene, an die Politiker. Er, der Petent, entdeckt dadurch sein Herz für das „Nicht-Konsensfähige“, er begehrt auf und er rebelliert.

Nur gegen die „Normalität“ der gängigen Politik; das immerhin ist Meinungsvielfalt und Kampfeslust - des eigenen „Selbsterhaltes“ wegen.

Es ist ein wahrhaft revolutionäres Phänomen, sich gegen die herrschende Politik erwehren zu wollen, doch einige tun es dennoch. Ihre Ernsthaftigkeit und Betroffenheit machen Petitionsinhalte mehr als deutlich.

Und der beschwerliche Weg mit dem Ziel der politischen Veränderung ist meist unerreichbar.

Fragwürdig und schwer zu akzeptieren scheint mir dabei zu sein, dass Politik sich dann nicht selbst hinterfragt und Gesetze, die Menschen schwer belasten, überprüft und verändert. So könnten Petitionen Politik verändern und demokratische Teilhabe wäre nachvollziehbar!

Aber, wir verzeichnen eine abnehmende Anzahl von Petitionen. Und unter der genannten Zahl von nur ca. 230 Petitionen in einem halben Jahr ist eine Vielzahl von sich ständig, zum selben Problem an uns wendende Bürger. Das macht m. E. auch einen Vertrauensverlust in Politik deutlich. Es ist zu prüfen und zu hinterfragen, wie dieses Defizit ausgeglichen werden muss. Und wenn nicht, welche Folgen zu erwarten sind.

Bedarf es neuer und anderer Instrumente, um Bürgeranliegen, bürgerliches Engagement in Politik einzubinden, um damit politische Entscheidungen durch ein Mehr an Demokratie, durch unser Souverän selbst, mit zu verändern?

Nach der Auffassung der LINKEN haben Petitionen in ihrer Qualität und in der Schärfe an politischer Urteilskraft gewonnen. Aus den sich „Beraten zu lassen in eigener oder in Angelegenheiten von allgemeinem Interesse oder in Bereichen des öffentlichen politischen Handelns, was alle angeht und alle betrifft.

Hat er oder sie dann den Anspruch mittels Einspruch, Petition gewollt die Politik zu verändern? Wenn nur politisch Handelnde Petitionen ernster nehmen würden und sich der Mühe stellen würden; sich selbst; ihr handeln und ihr agieren, kritisch zu hinterfragen.

Denn wo und wie leben wir? Im Kapitalismus, welcher den Rechts- und Sozialstaat aushöhlt. Es wird aber deutlich, dass sich einiges, wenn nicht alles sich verändert.

Denn bauen ihn Regierende nicht gerade ab und höhlen ihn aus den Rechtsstaat?

Sind wir nicht schon längst alle gläserne Bürgerinnen und Bürger, gläserne Kunden und ein absolutes Sicherheitsrisiko?

Was ist und wie steht es mit der „informellen Selbstbestimmung“, die da lautet, dass nur jene persönlichen Daten Preis gegeben werden dürfen, die ich eigenständig freigebe.

Aber der Lauschangriff, die Onlineüberwachung, die Videoüberwachung in der eigenen Wohnung, um nur einiges zu nennen, führen den Rechtsstaat zu Gunsten der Terrorabwehr und der Sicherheit vor! Die Regierenden bleiben uns den Nachweis schuldig, dass Überwachung und das Ansammeln von persönlichen Daten unsere Sicherheit erhöht. 

Zum Sozialstaat, nach der Agenda 2010:

  • wachsende Armut, einhergehend mit sozialer Ausgrenzung;
  • dramatischer Teilhabeverlust u. a. an Kultur, Lebensvielfalt und Bildung;
  • Einführung von 1-Euro- Jobs und Reduzierung von Einkommen durch diverse  Preiserhöhungen.


Chancenlosigkeit, Verzweiflung, dem hilflos ausgeliefert zu sein - damit gewinnen ganz andere den Zuspruch der Wähler und Wählerinnen, hier sehen wir ein Gefahrenpotential für unser demokratisches System.

Ist es in Gefahr durch unser politisches Handeln? Ein Aufschrei hilft hier keinem!

Die immer geringere Wahlbeteiligung hält uns den Spiegel vor unser Gesicht, nur hineinschauen müssen wir selbst und unsere Verantwortung wahrnehmen.

Noch einmal zurück in die griechische Antike, Pol heißt Verantwortung jedes Einzelnen für seine Stadt. Politik dem folgend, Verantwortung jedes Einzelnen für Gemeinde, Stadt, Kreis und Land. Ist das noch so? Oder will Einzelner nur für sich eine vorteilhafte Veränderung? Dann wäre die Volksherrschaft in Gefahr, fraglich, wer dann diese Macht schleichend übernimmt?

Die Medien, die mit Begriffen wie an der Front kämpfen, uns klar machen wollen, wir gewinnen Fußballspiele nur, wenn wir kämpfen als wären wir im Krieg, oder wird uns damit gesagt, Krieg ist wie Fußball und wir wollen überall siegen und wen wollen wir denn besiegen.

Noch einen Aspekt, der mir des Themas Bürgerbeteiligung und Teilhabe nicht vergessen bleiben darf. Wir, die LINKEN haben die Möglichkeit, jetzt hier und heute, dieses Thema mit ihnen zu diskutieren, da war es unumgänglich darüber zu philosophieren, was wäre, wenn sie Ihre Wahlprogramm von unserem Volk schreiben ließen. Ich bin mir sicher, nur dann, wenn sie dieses auch umsetzen, wären sie nahe am Volk.

Es ist mir eine Freude, Ihnen dieses ins Stammbuch zu schreiben und sie zum Nachdenken anzuregen. Aber stellen wir uns vor, Familie Volk, die Eltern von Hartz IV betroffen, die Zwillingstöchter im Gymnasium und die beiden Söhne warten auf einen Studienplatz im Bereich der Bildung, sie hätten die Möglichkeit gehabt in die Debatte einzugreifen, wie wäre es uns dann ergangen und was hätten wir zu hören bekommen.

Gut, aus einem Redeprivileg erwächst nicht automatisch Überzeugungskraft, welche auch nicht nur die Öffentlichkeit erreicht sondern auch Politik mit der Wirkung von Veränderung.

Ich möchte sie mahnen unter dem Aspekt der gesellschaftlichen kritischen Reflektion und zu einer sensiblen Diagnose der gesellschaftlichen Probleme und zu ihrer Selbstreflexion, um den moralisch intellektuellen Anspruch von gestaltender Politik für eine plurale lebenswerte Gesellschaft zum Wohle der Bevölkerung zu gestalten.

Nehmen wir die Anliegen von Bürgerinnen und Bürger ernst und stellen wir Gesetze und unser politisches Handeln täglich auf den Prüfstand, mit dem Ziel, unseren Bürgerinnen und Bürgern ein Leben in Selbstbestimmtheit, Chancengleichheit und Gerechtigkeit leben zu können. Das ist augenblicklich  nicht möglich.