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TOP 02b: Zukunft des Stadtumbaus

Es geht heute erstens um die Evaluierung des Bund-Länder-Programms „Stadtumbau Ost”, um zentrale Ergebnisse und Empfehlungen des Gutachtens, und zweitens um die Stellungnahme und Empfehlungen der Lenkungsgruppe zur Evaluierung des Bund-Länder-Programms „Stadtumbau Ost - für lebenswerte Städte und attraktives Wohnen” und zur Fortführung des Programms über das Jahr 2009 hinaus.

Für die Erörterung wäre das Thema nicht nur auf das Gutachten zu beschränken, sondern müsste um die dazugehörenden Empfehlungen der Lenkungsgruppe erweitert werden. Daher wird die heutige Debatte unvollständig bleiben müssen

Beide Unterlagen, Gutachten und Stellungnahme, sprechen, das ist gleich zu Beginn hervorzuheben,  vorrangig wohnungswirtschaftliche, wohnungsmarktorientierte, finanzielle Bewertungen und Empfehlungen aus, auf die künftig notwendige Fördermittel auszurichten sind.

Ich zitiere aus dem Gutachten: „Ergebnisse und Wirkungen bezogen auf die Programmziele

Für die Wohnungsunternehmen ist eine spürbare Verbesserung der wirtschaftlichen Situation festzustellen, zu der das Programm „Stadtumbau Ost” wesentlich beigetragen hat.

Dies geht zum Teil auch auf verbesserte Rahmenbedingungen wie das gegenüber den 1990er Jahren gesunkene Zinsniveau zurück. Die § 6a-Unternehmen haben ihre Ertragslage, die vor Beginn des Programms stark negativ ausfiel, deutlich verbessern können. Dennoch hatte auch 2005 noch jedes zweite keine positive Eigenkapitalrentabilität.

Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der privaten Einzeleigentümer hat das Programm im Wesentlichen nur indirekte Beiträge leisten können.

Das Niveau der Investitionstätigkeit der privaten Einzeleigentümer ist seit Ende der 1990er Jahre stark gesunken.“

Es werden die Segnungen der  als Teil des Stadtumbau Ost geltenden erhöhte Investitionszulage in den Jahren 2002 bis 2004 gerühmt, die zu zusätzlichen Modernisierungsinvestitionen in den innerstädtischen Altbauten führten.

Als langjährigem Interessenvertreter der Bauwirtschaft sind mir die Investitionszulage und deren verblichener Reiz für das Baugewerbe bekannt.

Nur: Wer investiert bei fehlender Nachfrage? Wo bleibt im Gutachten die Wertung über Steuersparmodelle zu Lasten der Öffentlichkeit?

Das gilt übrigens auch für das sog. 2. Klimaschutzpaket der Bundesregierung aus der letzten Woche: Soll es der Bauwirtschaft als Ersatz für den im I. Quartal 2008 in Sachsen-Anhalt um fast 30 % eingebrochenen Wohnungsbau dienen?

Das Ganze ist dann pflichtgemäß vom Bürger zu finanzieren. Wie positioniert sich die Landesregierung zu dieser finanziellen Zusatzbelastung für die Eigentümer?

Ich zitiere erneut: „Hinsichtlich der Wohneigentumsbildung im Bestand haben sich die Erwartungen der Lehmann-Grube-Kommission bislang nicht erfüllt.

Zukünftige Rahmenbedingungen des Stadtumbaus

Der Bevölkerungsrückgang in den neuen Ländern (ohne Berlin) fiel ab 2001 noch etwas höher aus als im Zeitraum 1996 bis 2001, bei den Haushalten ist eine Stagnation bzw. ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Ab 2003 bewirkte der aufgrund des Rückbaus nicht mehr wachsende sondern rückläufige Wohnungsbestand einen leichten Rückgang des Überangebots.

Da in den Jahren 2007 bis 2020 in Ostdeutschland mit einem Rückgang der Haushaltszahlen zwischen 3 % und 5 % zu rechnen ist, wird der „Stadtumbau Ost” in den kommenden Jahren unter ungünstigeren Rahmenbedingungen realisiert werden müssen als zu Programmbeginn erwartet worden war. Ohne weiteren Rückbau würde die Zahl der Leerstände von 780.000 im Jahr 2007 auf 1,42 Mio. Wohnungen im Jahr 2020 ansteigen.“

Hier geht es um hinlänglich Bekanntes!

Die Zentrale Aussage des Gutachtens lautet nun so: „Die Projektion der Leerstandsentwicklung macht deutlich, dass zur Verhinderung zusätzlicher Leerstände und zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Städte und der Wohnungsmärkte in den neuen Ländern auch künftig ein erheblicher Rückbaubedarf bestehen wird.

Um das Ziel zu erreichen, den Leerstand bis 2020 nicht ansteigen zu lassen bzw. konstant zu halten und die erreichten Erfolge zu sichern, sind auch weiterhin erhebliche Förderanstrengungen sowohl im Bereich des Rückbaus als auch in der Aufwertung notwendig.“

Hier liegt der Grund für die Wertung des Gutachtens durch meine Sprecherkollegin in der Bundestagsfraktion der LINKEN, Heidrun Bluhm. Sie fordert, der „Stadtumbau muss mehr sein als Begleitprogramm für den wirtschaftlichen Niedergang Ostdeutschlands.“

Denn insgesamt fehlt es noch immer an einem Gesamtkonzept für den ‚Aufbau Ost’, mit dem Ziel, den Teufelskreis aus Abwanderung, Geburtenrückgang, hoher Arbeitslosigkeit und sich abzeichnendem Facharbeitermangel zu durchbrechen. Das Stadtumbauprogramm konzentriert sich zu stark auf die Wohnungsbauwirtschaft.

Die Debatte  darf  nicht nur um Leerstandsquoten kreisen.

Vielmehr aber geht es darum, die Lebensqualität und die Lebenschancen der Menschen dauerhaft zu verbessern. Ein weiterer Abbau der öffentlichen Daseinsvorsorge oder deren Privatisierung oder die Ausdünnung des ÖPNV verschärfen die sozialen Spannungen.

Mit kleinen Förderprogrammen, so gut sie gemeint sein mögen, wie z.B.

  • „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - Die Soziale Stadt“ oder der
  • Landesfördermittelwettbewerb „Städte- und wohnungsbauliche Modellprojekte in Sachsen-Anhalt“


enthalten schon im Namen den singulären Ansatz. Das genügt nicht. Die IBA-Planung versucht hier die gedankliche Erweiterung, bleibt aber auch auf „teilnehmende Städte“ beschränkt. Der Stadtumbau muss in ein Gesamtkonzept zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung eingeordnet sein.

Er muss darüber hinaus in einem Leitbild zur alten- und familiengerechten Wohnkultur stattfinden. Und das bedeutet wahrlich mehr als nur Barrierefreiheit im öffentlichen Raum. In diesem Zusammenhang verweise ich auf den ersten Statusbericht der Bundestransferstelle zum Stadtumbau, der bereits 2006 feststellte, dass es

„erkennbar ist, dass die (ost-)deutschen Städte, bedingt durch die künftige demografische Entwicklung, erst am Anfang eines langfristigen und tief greifenden Schrumpfungsprozesses stehen, der dazu führen wird, dass die Wohnungsnachfrage vielerorts langfristig weiter zurückgeht.“

Die Verbände der Wohnungswirtschaft konstatierten im April 2008 noch deutlicher: „Schon ab 2010 ist eine zweite Leerstandswelle zu erwarten. Hintergrund ist der Rückgang der Haushaltsneugründungen aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge der Wendezeit.

Gleichzeitig wird der Wohnungsbedarf durch den deutlichen Sterbeüberschuss und die nach wie vor anhaltende Abwanderung schon kurzfristig weiter abnehmen.“

Noch einmal ganz deutlich: Auch DIE LINKE sieht Notwendigkeit einer Fortsetzung des Stadtumbaus über das Jahr 2009 hinaus. Unser Blick geht über die reine wohnungswirtschaftliche Bestimmung hinaus.

Während des letzten Treffens mit dem Bund der Architekten im Mai in Halle sollte über konzeptionelle Lösungen für der Stadt der Zukunft beraten werden. Noch vor der Präsentation einzelner Lösungen wurde die gesamte bisherige Stadtumbauförderung von Architekten so charakterisiert: „Sie bedient die Lobby der Immobilienwirtschaft und alimentiert den Mittelstand.“

Mit der Frage „Wem gehört die Stadt” sind nicht nur die Eigentumsverhältnisse, genauer die Verteilung des Immobilienbesitzes, sondern die Aufgaben und Funktionen einer Stadt in den Mittelpunkt gerückt worden. Eine Herangehensweise, die ich ausdrücklich für meine Fraktion unterstützen möchte.

Mit der Großen Anfrage unserer Fraktion zur Raumentwicklungspolitik, deren Beantwortung seit Ende Mai vorliegt (Drs. 5/1253), sollte u.a. auf die künftige Fähigkeit der Kommunen hingewiesen werden, Aufgaben zur Daseinsvorsorge nicht nur in größeren Städten, sondern auch in der Fläche erfüllen zu können.

Klärungsbedarf gab und gibt es für die Fraktion DIE LINKE besonders nach dem gesetzgeberischen Schnellverfahren vom Januar  zu den Grundsätzen der Landesplanung, auf dessen Fragwürdigkeit und drohende negative Wirkungen Dr. Uwe Köck für unsere Fraktion nachdrücklich hinzuweisen veranlasst war.

Auf diese Fragestellungen nach den öffentlichen Aufgaben einer Stadt oder nach  den Stadt-Umland-Beziehungen gehen nennenswert weder das Gutachten noch die Stellungnahme der Lenkungsgruppe ein.

Interessant (und heute bisher unerwähnt) war die Bewertung zur Umsetzung des Programms auf kommunaler Ebene: „Mit dem Programm „Stadtumbau Ost” wurde das Integrierte Stadtentwicklungskonzept als zentrales Instrument der Planung und Durchführung der Stadtumbaumaßnahmen erfolgreich implementiert. Die Integrierten Stadtentwicklungskonzepte haben sich als Planungs- und Durchführungsgrundlage für den Stadtumbauprozess nach Einschätzung der Praxis im Grundsatz als geeignet erwiesen.

In den Integrierten Stadtentwicklungskonzepten werden die wichtigsten Zielsetzungen für die Wohnungsmarkt- und Stadtentwicklung, die räumlichen Leitbilder und Schwerpunkte des Stadtumbaus für die Gesamtstadt und für einzelne Stadtumbaugebiete dargestellt.“

Wenn man gründlich und lange genug liest, findet man wenigstens Etwas!

Bei Rückbau- und Aufwertungsmaßnahmen werden teilweise Verbesserungspotenziale gesehen. Hier hätte ich von meinen Vorrednern gern Genaueres erfahren. Welche Vorschläge unterbreiten Sie? Wo sind die Prioritäten der Landesregierung, um angesichts künftig zurückgehender Fördermittel Strategien und Maßnahmen stringenter auf die nachhaltige Stabilisierung von Stadtteilen und gesamtstädtisch erzielbare Effekte richten?

Wie verhalten Sie sich zur Forderung der VdW/VdWg vom April 2008, wonach: „das „Stadtumbau Ost-Programm muss in Zukunft flexibler sein muss. Dabei geht es auch um Planungssicherheit für die Kommunen und die Träger des Stadtumbaus.“

Das Verhältnis von Rückbau und Aufwertung müsse in konkrete und bestandssichere Handlungsstränge umgesetzt werden.

„Die Praxis jährlicher Verwaltungsvereinbarungen muss beendet werden; kommen sie doch erst in der zweiten Jahreshälfte bzw. im 3. Quartal des jeweils laufenden Jahres zum Tragen. Kurz: Der Widerspruch zwischen mittel- und langfristig zu organisierenden Umbauprozessen und jährlicher Finanzierung muss beseitigt werden.“

In diesem Zusammenhang wird von den Beteiligten regelmäßig die Verfahrensvereinfachung, also die Entbürokratisierung angemahnt.

Bereits während der Debatte am 28. Februar 2008 zur Nutzung der IBA 2010 als Kompetenzzentrum zum Stadtumbau sind sich alle Redner einig gewesen, die Diskussion im Fachausschuss für Landesentwicklung und Verkehr fortzusetzen.

Für künftige Beratungen im LEV wünsche ich uns ebensolche konkreten Auswertungen, die sich von jenen unterscheiden mögen, die ich Eingangs zur Drs. 5/ 1124 erwähnen musste.

Dann sollte es uns gelingen, eine vorrangige Wirtschaftsbetrachtung zum Stadtumbau tatsächlich mindestens gleichrangig mit dem Thema Stadtentwicklung und Erfüllung kommunaler Aufgaben zu verbinden.