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TOP 02: Qualifizierungsinitiativen der Bundesregierung - Entwicklung des Innovationspotenzials des Landes Sachsen-Anhalt

Da die Ministerpräsidenten und die Bundesregierung sich im letzten Jahr darauf verständigt haben, bis zum Herbst dieses Jahres eine solche Qualifizierungsoffensive zu konzipieren und wir kurz vor dem Bildungsgipfel der Bundeskanzlerin stehen, will ich mit diesem Bildungsgipfel beginnen.

Kollegin Feußner hat gestern, als es um die Bildungsfinanzierung ging, in Richtung Sozialdemokratie darauf hingewiesen, man möge sich dort erst einmal intern abstimmen, bevor man sich öffentlich äußert, ansonsten sei das Ankündigungspolitik. Ich hoffe, dass Sie das auch Ihrer CDU-Vorsitzenden erklären. Wenn ich die Zeitung lese, kann ich feststellen, dass es beim Thema Bildungsgipfel und dem, was dabei passieren soll, erhebliche Dissonanzen zwischen der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten, nicht zuletzt den CDU-Ministerpräsidenten gibt.

Ich habe der „Süddeutschen Zeitung“ vom 22. September 2008 das Zitat entnommen: „Im Augenblick lassen die Ministerpräsidenten Merkel am langen Arm vertrocknen.“ Sie bestehen darauf, dass es im Wesentlichen ihre Zuständigkeit sei.

Deshalb will ich auf Problem hinweisen, bei dem die Ministerpräsidenten nicht ganz Unrecht haben. Wir haben eine Föderalismusreform I hinter uns, die Mutter aller Reformen. Damit sind die beinahe letzten Kooperationsmöglichkeiten zwischen Bund und Ländern abgeschnitten worden. Nachdem man sich als Bundesregierung sozusagen der eigenen Zuständigkeiten fast gänzlich entledigt hat, auf Klassenfahrt durch das Land zu fahren und mal zu schauen, wie es denn mit der Bildung ist, und so zu tun, als sei das jetzt die Schwerpunktaufgabe der Bundesregierung, dass ist in der Tat nicht mehr als Ankündigungspolitik.

Ich will für meine Fraktion deutlich zum Ausdruck bringen: Wir haben nach wie vor erheblichen Änderungsbedarf. Aus unserer Sicht muss das Kooperationsverbot in Bildungsfragen wieder fallen. Es hindert mehr, als es nützt.

Das betrifft in erheblichem Maße die Finanzausstattung in der Bildungsrepublik. Wir haben in vielen Bereichen des Bildungswesens eine chronische Unterfinanzierung. Es ist doch völlig klar: Die Länder werden diese Aufgabe allein nicht schultern können. Der Bund muss hierfür in die Pflicht genommen. Dafür, hoffe ich, gibt es Mehrheiten in der Föderalismusreform II, damit wir zumindest in der Frage der Bildungsfinanzierung Korrekturen gegenüber dem vornehmen können, was im Rahmen Föderalismusreform I fälschlicherweise beschlossen worden ist.

Zur Frage der Finanzierung: Ich habe heute der Zeitung entnommen, dass am Montag im CDU-Präsidium darüber diskutiert werden soll, dass die Bundesrepublik bis zum Jahr 2015 ihre Bildungsausgaben auf 10 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigern will. Ich will auf den Bildungsbericht der Bundesregierung hinweisen, den wir im Jahr 2008 bekommen haben. Nach diesem Bericht betrugen die Bildungsausgaben im Jahr 2006  6,2 % des BIP. Bundesweit wurden also rund 143 Milliarden Euro für Bildung ausgegeben. Wenn die Quote für Bildungsausgaben auf der Grundlage des BIP im Jahr 2006 auf 10 % erhöht werden würde, dann würden im Jahr 2015  232 Milliarden Euro für die Bildung ausgegeben werden. Das sind Mehrausgaben von 90 Milliarden Euro. Sie geben keinerlei Refinanzierungsvorschläge an. Gestern stellen Sie sich hier hin und erklären, wir dürften im Bildungskonvent keine Forderung aufschreiben, die mehr Geld kostet. Das sei unseriös.

Ich will die Zahl für Sachsen-Anhalt für das Jahr 2006 noch nachliefern. Ich bleibe einmal bei dieser Bemessungsgrundlage. Im Jahr 2006 hatten wir in Sachsen-Anhalt ein BIP von ungefähr 48 Milliarden Euro. Wenn 10 % davon für die Bildung ausgegeben worden wären, dann hätten die Bildungsausgeben in Sachsen-Anhalt 4,8 Milliarden Euro betragen. Ich glaube, der Bildungsminister würde sich freuen. Wir alle würden uns freuen. Wenn Sie nicht in der Lage sind, das in irgendeiner Form darzustellen, aber glauben, die Bundeskanzlerin fährt durch das Land und verkündet das einmal, dann halten Sie mir nicht mehr Vorträge über irgendwelche Forderungen der LINKEN, die nicht gegenfinanziert sind.

Ich will zu einem zweiten Schwerpunkt kommen. Es geht um die Frage des Fachkräftepotenzials. Das spielt in der Großen Anfrage eine wichtige Rolle. Ich will zunächst voranstellen, dass Bildung nicht nur etwas mit Wirtschaftswachstum zu tun hat, sondern natürlich auch für den Einzelnen und für die Gesellschaft insgesamt ein Gewinn an gesellschaftlicher Teilhabe, Emanzipation und persönlicher Entwicklung ist. Aber natürlich ist die Investition in Bildung und Forschung ein wesentlicher Baustein für wirtschaftlichen Erfolg in der Zukunft. Wir haben die Landesregierung nach dem Fachkräftepotenzial gefragt. Sie kommt am Ende zu dem mehr oder weniger lapidaren Fazit: Hauptsache, Sachsen-Anhalt hält seine Absolventenquote von 6 000. Dann sollte das zu schultern sein. Ich finde es gefährlich naiv zu glauben, dass der Fachkräftebedarf, den wir nicht nur für Sachsen-Anhalt, sondern für die gesamte Bundesrepublik diagnostizieren, mit dieser einfachen Formel zu schultern ist.

Ich will als erstes deutlich sagen, dass wir ein großes Problem beim Studienzugang haben. In der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage ist noch einmal sehr deutlich geworden, in welchem Maße wir Nachholbedarf haben. Im Jahr 2005 rangierte Sachsen-Anhalt im Ländervergleich auf Rang 10. Die Studierquote ist im Jahr 2006 gegenüber dem Jahr 2005 noch einmal gefallen.

In der Tat ist es so, dass wir zu wenige junge Menschen zum Hochschulabschluss und zum Studium führen. Die Landesregierung hat ausgeführt, dass wir vor allen Dingen im Bereich der Fachleute mit Hochschulausbildung zuerst und massiv Ersatzbedarf haben werden. Wir diskutieren in diesen Tagen sehr viel über die Schulabbrecherquote und den Hauptschulabschluss. Ich will sehr eindringlich sagen: Das reicht nicht aus. Wir brauchen insgesamt eine Anhebung des Bildungsniveaus. Ansonsten können nicht die Studienanfänger- und Hochschulabsolventenzahlen erreicht werden, die das Land Sachsen-Anhalt dringend braucht.

An dieser Stelle will ich schon noch einmal das Problem von Herkunft und Bildungserfolg benennen. Ich bleibe nicht bei der sozialen Herkunft, obwohl die natürlich auch ein Stück weit mit der Ausbildung der Eltern zusammenhängt. Ich mache es einmal bei den Akademikern und Nichtakademikern fest. Von 100 Kindern aus Akademikerhaushalten kommen 85 in der Hochschule an. Von 100 Kindern aus Nichtakademikerhaushalten kommen hingegen nur 23 in der Hochschule an. Das ist sowohl aufgrund des in Sachsen-Anhalt benötigten Fachkräftepotenzials als auch im Interesse jedes einzelnen Kindes nicht hinnehmbar. Wir vergeuden Ressourcen des Landes und lassen eine ganze Menge Kinder zurück. Diesbezüglich ist natürlich ein ganzes Bündel von Maßnahmen erforderlich.

Bezüglich der individuellen Förderung am Gymnasium trifft die Landesregierung die lapidare Aussage, dass die Förderinstrumente allen offen stünden. Das reicht natürlich nicht aus, um die individuelle Förderung an den Schulen praktisch wirklich erlebbar zu machen. Es ist ein bisschen wenig, einfach zu sagen, das Instrument steht doch allen offen, sollen sie es nutzen.

Natürlich haben wir auch im Sekundarbereich II die Frage der Kostenbelastung. Wir haben über das Thema Schülerbeförderung im Landtag schon ausführlich geredet. Sie kennen unser Plädoyer dafür. Wenn ich auf die CDU vertraue, sollten wir genug Geld haben, um es endlich in den Haushalt einzustellen.

Wir haben nicht nur ein Problem im Bereich der Sekundarstufe II, sondern auch bei der nächsten Schwelle. Wie sieht der Übergang vom Gymnasium an die Hochschulen aus? Was passiert in den Hochschulen? Auch an dieser Stelle stellt sich natürlich die Kostenfrage. Warum nehmen so viele Abiturienten eben kein Studium auf, obwohl wir dringend darum werben, sondern gehen in die Ausbildung? Natürlich sehen viele Hindernisse bei der Aufnahme eines Studiums. Das hat mit Kosten zu tun. Das hat mit Betreuungsbedarf zu tun. Das hat mit der Ausstattung der Hochschulen zu tun.

Wir haben eine Hochschulreform hinter uns. Im Grunde genommen sind Bachelor- und Masterstudiengänge noch nicht richtig vollendet. Vor allem die Bachelorstudiengänge sind mit einem erheblichen Betreuungsbedarf verbunden. In diesem Bereich sind die Studienabbrecherquoten besonders hoch. Wenn wir daran wirklich etwas ändern wollen, müssen wir die Hochschulen strukturell und finanziell in die Lage versetzen, diese Betreuungsleistung aufzubringen. Ansonsten werden wir in dieser Frage nicht wirklich etwas ändern können.

Die letzte Bemerkung zu den Hochschulen. Wir haben auch nach dem Gender-Aspekt gefragt, also nach dem Erfolg bei der Beteiligung von Frauen. Auch an dieser Stelle ist die Landesregierung ein bisschen zu genügsam. Ich habe den Eindruck, dass die Landesregierung denkt, die aufgeschriebenen Zahlen seien ganz okay.

Aus unserer Sicht ist das aber nicht okay und reicht noch lange nicht aus. Ich will kurz wiedergeben, was als Antwort aufgeschrieben worden ist. Bei den Promotionen lag der Frauenanteil im Jahr 2007 bei 41 % und in den Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften) bei 31 %. Bei den Habilitationen lag er im Jahr 2007 bei 20 % und in den Mint-Fächern bei 15 %. Auch diesbezüglich sage ich sehr deutlich, dass wir in erheblichem Maße Potenzial vergeben. Es kann nicht sein, dass wir uns darüber freuen, dass die Bildungsbeteiligung von Mädchen und Frauen deutlich verbessern worden ist, aber an der Stelle, wo der Gewinn eintritt, die Frauen wieder hintan stehen. Hier gibt es erheblichen Verbesserungsbedarf.

Wir haben die Landesregierung gefragt, weil auch dies in der Konzeption der Qualifizierungsinitiative eine Rolle gespielt hat, wie es denn in der Altersgruppe 15 bis 25 Jahre derjenigen aussieht, die keinen Berufsabschluss haben und sich derzeit nicht in der Qualifizierung befinden. Davon haben wir in Sachsen-Anhalt geschätzt nach Angaben der Landesregierung 36 000 junge Menschen, 36 000 junge Leute zwischen 15 und 25 Jahren ohne Berufsschulabschluss und nicht in der Qualifizierung. Das ist ein erhebliches Problem für das Land und für jeden einzelnen dieser 36 000.

Ich will in diesem Zusammenhang an das gemeinsame Papier des DGB, der Wirtschaftsverbände und der GEW erinnern, das uns ja vor Kurzem zugegangen ist. Wir werden erhebliche Anstrengungen auch in absehbarer Zeit aufnehmen müssen, um an dieser Situation etwas spürbar zu verbessern, und wir werden noch sehr lange damit zu kämpfen haben, dass wir eine ganze Reihe junger Leute haben, die begleitende Maßnahmen brauchen, wenn wir sie erfolgreich in das Berufsleben integrieren wollen.

Letzter Punkt: technische Bildung, Polytechnik. Dazu habe ich der Zeitung entnommen, der sächsische Ministerpräsident Tillich habe erklärt, er wolle polytechnische Bildung so, wie sie in der DDR gewesen sei. Davon würde ich abraten. Ich habe ESP auch noch gehabt. Ich glaube, es ist heute noch weniger sinnvoll als damals. Aber ich will ihm einmal unterstellen, dass er etwas Gutes gemeint hat, und dann sind wir wieder bei ihm.

In der Tat glauben wir, dass wir in der Schule, nicht zuletzt in den Kindertagesstätten, aber vor allen Dingen am Gymnasium bei der Frage einen erheblichen Korrekturbedarf haben, in welcher Form polytechnische Bildung, technisches Verständnis, naturwissenschaftliches Interesse geweckt und in den Unterricht implementiert werden kann. Wir halten das für unbedingt notwendig.

Wir haben die Landesregierung gefragt, was der Beitrag von Sachsen-Anhalt zur Qualifizierungsoffensive der Bundesregierung sei. Der Beitrag Sachsen-Anhalts besteht darin, die Staatssekretärin Dienel in die Lenkungsgruppe zu schicken. Ich glaube - bei allem Respekt vor der Staatssekretärin -, Sachsen-Anhalt sollte sich ein bisschen stärker in diese Offensive einbringen.