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TOP 02: Konsequenzen aus der Abfallentsorgungspraxis in Sachsen-Anhalt ziehen

Der Begriff „Müll“ ist etwas zu kurz gegriffen, wir sprechen an dieser Stelle über Abfall. Darum auch die erste Frage: Warum nach der Aktuellen Debatte noch ein Antrag?

Erstens, weil es mehr als berechtigte Forderungen der betroffenen Bürger nach konkreten Maßnahmen des Landes zu ihrem Schutz gibt. Wenn man in den Regionen war, dann weiß man, worüber man hierbei spricht. Es gibt eine vielfache und sehr begründete Angst.

Zweitens, weil die Landesregierung durch die Medien zwar zum Handeln gezwungen wurde, aber nur blanker Aktionismus herausgekommen ist. Konzeptionelles Handeln fehlte. Daher kann es die Aufgabe der Opposition nur sein, dieses Handeln endlich einzufordern.

Drittens, weil das bisherige Handeln der Ministerien und Behörden einfach unzureichend war und - das hat die Aktuelle Debatte deutlich gemacht ‑ weil wir an dieser Stelle erhebliche Defizite haben, insbesondere hinsichtlich der Kontrolltätigkeit sowie der Umsetzung von Boden- und Umweltschutz im Bereich des Abfallrechtes in Sachsen-Anhalt.

Viertens, weil der Blick nach Berlin zur Heilung der Gesetzeslage allein nicht ausreicht. Es ist ganz einfach verbindliches landespolitisches Handeln erforderlich und das fehlt nach unserer Auffassung nach wie vor.

Die zweite Frage, die sich stellt, ist: Was will DIE LINKE mit ihrem Antrag erreichen?

Erstens. Wir wollen eine umfassende und tiefgründige Berichterstattung aller drei betroffenen Fachministerien zu den bekannten 201 betroffenen Anlagen, zu den mehr als 400 Aufbereitungsanlagen im Land Sachsen-Anhalt und zu den noch immer nicht so richtig aufgeführten Anlagen im Bereich des Ministers Daehre. Dabei reicht nach unserer Auffassung nicht nur ein bloßes Aufzeigen der bisherigen Aktivitäten aus.

Zweitens. Wir wollen eine öffentliche Information zu den Konsequenzen, die sich aus dem Nichthandeln der Landesregierung konkret ergeben haben. Die zurzeit diskutierten Veränderungen ‑ ich erinnere nur an die Verfahren im Bergamt, wo man den jetzigen Bergamtschef gegen den vorherigen ausgetauscht hat; Herr Klamser war es davor schon einmal ‑, die eventuelle Bündelung im Landesverwaltungsamt, die Ministerin Wernicke bereits vorsichtig angedeutet hat, oder die monatlichen Abstimmungsrunden der Fachämter bis hin zu der Bildung einer Arbeitsgruppe reichen nicht aus.

Drittens. Wir wollen, dass die Kontrolltätigkeit insgesamt neu geordnet wird. Das in Sachsen-Anhalt gegenwärtig praktizierte Regime entspricht weder hinsichtlich der Kontrolldichte noch hinsichtlich der inhaltlichen Vorgaben und schon gar nicht hinsichtlich der Analyse der Daten den aktuellen Erfordernissen. Einfach nur auf das nicht verbindliche Informationsblatt M 20 der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (Laga) zu verweisen, reicht eben nicht.

Dass es anders geht, zeigen Beispiele in anderen Bundesländern. Das praktikabelste Beispiel habe ich in Bayern gefunden. Dort gibt es einen sehr umfänglichen Leitfaden. Er ist sehr übersichtlich, eindeutig und handhabbar für Behörden, Bürger und Unternehmen. Ich werde darauf später noch einmal zurückkommen.

Viertens wollen wir erreichen, dass eine öffentliche Einsichtnahme in die Betriebspläne und Kontrollergebnisse gewährt wird. Das verstößt nicht gegen den Schutz irgendwelcher Firmendaten, Unternehmenserlöse bzw. –gewinne, denn solche Daten spielen dabei überhaupt keine Rolle. Auch hier hat Bayern in dem bereits erwähnten Leitfaden durchaus nutzbare Festlegungen getroffen. Das beginnt mit der eindeutigen Ausschilderung der Gruben und Anlagen, also der Angabe, welche Verfüllstoffe konkret eingebracht werden dürfen. Das istin Vehlitz nach wie vor nicht der Fall.

Eigentlich muss es auch eine Internetseite im Landesinformationssystem zu den Kontrollergebnissen in den jeweiligen Anlagen geben. Dadurch würde die öffentliche Aufmerksamkeit erhöht, vor Ort eine sachgerechte Diskussion ermöglicht und auch den Bürgern viel Angst genommen.

Fünftens wollen wir einen besseren und nachvollziehbaren Nachweis der Abfallströme oder Mülltransporte in und aus den Anlagen und Gruben. Auch hier möchte ich auf die Bayern verweisen. Dort wird in allen Anlagen - egal welcher Zuordnung - ein sehr detaillierter Nachweis geführt. Übrigens sind die dortigen Unternehmen zur Beauftragung und Finanzierung der Kontrolluntersuchungen durch ein zertifiziertes Fremdunternehmen verpflichtet. Das hat mindestens zweimal jährlich zu geschehen.

Bei einer Überschreitung von Werten ist der Unternehmer veranlasst, das innerhalb von 24 Stunden der unteren Abfallbehörde zu melden und eine Nachuntersuchung durchführen zu lassen. Das hat für die öffentliche Hand den Nebeneffekt, dass eine konkrete Meldepflicht bei Überschreitungen besteht und dass keine Kostenpflichtigkeit bei den Behörden anfällt, was die ersten Untersuchungen betrifft.

Die im Land Sachsen-Anhalt geltenden Betriebsgenehmigungen sind noch immer nicht so angepasst worden, wie es erforderlich wäre. Es ist ein sehr langwieriges Anhörungsverfahren erforderlich. Im Bergamtsbereich sind alle Betriebsgenehmigungen auf die Rechtslage im Jahr 1997 zurückzuführen. Nur im Bereich des Umweltministeriums ist, was Abfall angeht, die Rechtslage zumindest auf den Stand vom 4. November 2004 umgestellt worden. Im Wirtschaftsministerium hat man anscheinend den 14. April 2005, also das schon zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, nicht wahrgenommen oder wollte es vielleicht auch nicht wahrnehmen.

Kollegin Hunger hat bereits aus der „Zeit“ zitiert. Aber noch einmal zur Erinnerung: „Im Wirtschaftsministerium, sagt ein Insider aus der Landesregierung, gebe es eine natürliche Tendenz, die heimische Wirtschaft zu schützen.“

Der Autor führt weiter aus: „Nicht der Grubenbesitzer in Vehlitz, sondern die Landesregierung hätte demnach die rechtswidrigen Zustände auf der Müllhalde zu verantworten.“

Pikanterweise muss man feststellen: Das sah das Verwaltungsgericht Magdeburg genauso, es konnte auch gar nicht anders. Im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern in der Bundesrepublik Deutschland hat das Land Sachsen-Anhalt bis heute noch keine klare Verwaltungsvorschrift zur Umsetzung der Laga M 20 und des Urteils des Bundesverfassungsgerichts in allen Bereichen, die ich am Anfang angesprochen habe. Dafür konnte sich das Land Sachsen-Anhalt mit dem Ersten Investitionserleichterungsgesetz ab 2002 wieder Müllimporteur nennen. Dadurch wurde es möglich, dass wir durch die Medien den ehrenwerten Beinamen „Müllkippe Deutschlands“ erhalten haben. Deshalb wollen wir auch eine sofortige Anpassung der Verwaltungsrechtslage in Sachsen-Anhalt, die sofortige Änderung aller Betriebsläger auf der Basis der neuen Verwaltungsrechtslage und dann den sofortigen Vollzug erreichen.

Des Weiteren wollen wir, dass die Landesregierung dem Landtag bis zum 30. Juni 2008 ein umfassendes Konzept zu den Anforderungen an die stoffliche Verwertung und Verbringung von Abfällen vorlegt. Es ist uns relativ wenig damit gedient - wie von der Koalition gefordert -, wenn wir dazu ein Untersuchungsergebnis erhalten. Vielmehr brauchen wir ein Konzept zur Umsetzung und nicht einen Untersuchungsbericht.

Dieses Konzept sollte alle Anlagen - Gruben, Brüche, Tagebaue - einbeziehen, die stoffliche Verwertung betreiben, die für bestimmte Zeiträume oder dauerhaft einlagern oder verfüllt werden. Dieses Konzept muss aber auch alle betroffenen Ebenen einbeziehen, von der Landesregierung über das Landesverwaltungsamt bzw. Behörden, die Landkreise bzw. kreisfreien Städte bis hin zu den Unternehmen.

Dieses Konzept muss in klare rechtsverbindliche Vorgaben münden und bedarf einer finanziellen Untersetzung. Es reicht m.E. nicht aus, eine Rundverfügung, wie am 7. April 2006 geschehen, für den Bereich Abfall in Umlauf zu bringen und damit den Vollzug der Kontrollen und die Umsetzung den Landkreisen aufzuhalsen, ohne dass man überhaupt geprüft hat, wie leistungsfähig die unteren Behörden sind. Gute fachliche Praxis sieht da anders aus.

Die Situation in den Landkreisen ist so, dass die Kontrollaufträge, die mit einer zweimal jährlichen Durchführung noch einmal verschärft worden sind, zwar erfüllt werden. Aber das, was dort an Kontrolltätigkeit passiert, ist nichts weiter, als dass man versucht, visuelle Kontrollen durchzuführen und stichprobenartig die Lieferscheine anzuschauen. Zu mehr sind die unteren Abfall- und Bodenschutzbehörden gegenwärtig nicht in der Lage. An dieser Stelle wird ein großes Dilemma deutlich, insoweit bedarf es einer erheblichen Änderung.

Wenn man zu den Bürgern in Möckern und Vehlitz geht, wie wir es am Dienstag getan haben, dann wird deutlich, dass das, was gegenwärtig geschieht, nicht ausreicht, um die Situation vor Ort wirklich zu verändern. Nach wie vor haben wir es nicht nur in der Grube in Vehlitz, sondern auch bei der angeblich bereits geschlossenen Tongrube in Möckern mit einer Situation zu tun, die wenig befriedigend ist.

Die Tongrube Möckern ist alles andere als eine Tongrube, die geschlossen ist und einen Anschein von Rekultivierung hat. Dort finden gegenwärtig aktive Bodenbewegungen statt. Die Grube sieht aus, als würde sie aktiv betrieben. Nebenan befindet sich eine Tongrube, die noch geöffnet ist. Dort findet sich ein schöner kleiner See, der augenscheinlich das Wasser aus der mit Klärschlamm belasteten Tongrube Möckern mit aufnimmt. Wie die Situation dort ist, kann sich jeder vorstellen. Das, was dort stinkt, ist eben nicht ungefährlich, wie es immer wieder behauptet wird. Das ist ungesetzlich und gehört in Ordnung gebracht.

Ich werbe deshalb noch einmal vehement für unseren Antrag; denn es ist nach wie vor nicht auszuschließen, dass weitere Unternehmen in eine solche Praxis eingebunden sind. Es muss in dieser Sache umfassend für Aufklärung gesorgt werden. Ich kann Sie nur bitten - dies ist auch im Interesse vieler betroffener Bürger ‑, diesem Antrag zuzustimmen. Ich fordere die Landesregierung auf, für eine umfassende Aufklärung auch gegenüber der Öffentlichkeit zu sorgen und die Berichterstattung im Umweltausschuss am 23. April 2008 ernst zu nehmen, um nicht noch weitere parlamentarische Aktivitäten auszulösen.