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TOP 01: Regierungserklärung des Ministers der Finanzen Herr Jens Bullerjahn zum Thema: „Der Weg und das Ziel - Strategiedebatte zwischen neuen Spielräumen und alten Schulden“

Mit dem Titel „Der Weg und das Ziel – Strategiedebatte zwischen neuen Spielräumen und alten Schulden“ hat die Landesregierung einen, ich möchte fast sagen, etwas lyrischen Titel für eine Debatte über rund 300 Seiten mittelfristige Finanzplanung und PEK gewählt, was wahrscheinlich jedoch nur bei denjenigen ankommt, die durch eine langwierige Beschäftigung mit Haushaltsparametern eine starke emotionale Bindung an diese entwickelt haben.

Dass dies bei meinem Vorredner zweifellos der Fall ist, dürfte in diesem Raum niemanden überraschen und wurde soeben noch einmal unter Beweis gestellt.

Wichtig ist diese Strategiediskussion aber auch jenseits der großen Zahlenwerke, vor allem dann, wenn es um solche langfristige Zielsetzung für das Land Sachsen-Anhalt geht, wie es das PEK versucht. Bevor wir aber über die Einnahme-Ausgabe-Relation des Landeshaushaltes reden, müssen wir tatsächlich über die Rahmenbedingungen heute und in Zukunft sprechen, die in diesem Land Sachsen-Anhalt vorliegen.

Eine Analyse der Chancen und Risiken wird sicherlich je nach politischer Standortbestimmung unterschiedlich ausfallen. Unstrittig dürften jedoch folgende Dinge sein: Das Land Sachsen-Anhalt durchläuft alle Entwicklungen und Probleme der fünf neuen Flächenländer in ziemlich typischer Art und Weise. Das betrifft sowohl die Entwicklung des Bruttoinlandproduktes, wo wir in den letzten beiden Jahren ziemlich exakt den Durchschnitt der ostdeutschen Flächenländer erreicht haben, als auch den Abbau der Arbeitslosigkeit, bei der wir seit 2006 anders als übrigens dargestellt, etwas unter dem Durchschnitt der ostdeutschen Flächenländer geblieben sind. Das betrifft ebenso die Entwicklung der Steuereinnahmen und der Neuverschuldung im Landeshaushalt. Dem gegenüber stehen aber auch negative Entwicklungsprozesse, die teilweise in Sachsen-Anhalt noch deutlicher als in den anderen Ländern ausgeprägt sind. Das betrifft u.a. die geringe Einkommensentwicklung der privaten Haushalte, bei der wir im Jahre 2006 deutlich die rote Laterne hatten, das betrifft aber auch die Entwicklung der Zuwanderungs- und Abwanderungsbilanz, auch hier hat Sachsen-Anhalt die negativste Bilanz aller Bundesländer im letzten Jahr gehabt.

Nach wie vor leicht überproportional ist in Sachsen-Anhalt der Anteil von Kindern und Jugendlichen in Hartz IV-Familien sowie der Anteil von Geringverdienenden, was ja heute noch Gegenstand der Beratung der GA der SPD sein wird.

Landespolitik muss vor diesem Hintergrund politische Ziele bestimmen und Prioritäten setzen. Und natürlich ist es so, dass der Kern dieser Diskussion auch immer ein finanzpolitischer sein wird. Immerhin beträgt der Landeshaushalt mit seinen rund 10 Mrd. Euro ein Fünftel des Bruttoinlandproduktes dieses Landes. Allerdings, und das soll auch hier am Anfang schon gesagt werden, haben Länder mit einer ausgesprochen erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung unter anderem, aber nicht nur, in Skandinavien einen deutlich höheren Anteil ihres Bruttoinlandproduktes einer politischen Steuerung unterworfen. Nicht nur die Steuerquote, auch die Staatsquote insgesamt, also die Summe aus Steuern und Abgaben, ist in Deutschland deutlich geringer als im OECD-Durchscnitt. Unsere Nachbarländer Frankreich, Österreich, Schweiz, Belgien, Niederlande, Dänemark und Luxemburg weisen deutlich höhere Ausgaben der öffentlichen Hand pro Einwohner als Deutschland aus.

Dort würde man sich nur verwundert die Augen reiben, wenn sie unsere Diskussion über die permanente Begrenzung öffentlicher Ausgaben und der Reduzierung des öffentlichen Dienstes um ein Drittel mitbekämen. Das zentrale Problem in der uns vorliegenden Diskussion ist die Reflektion der öffentlichen Ausgaben ausschließlich als Belastungsfaktor. Die Wertschöpfung des öffentlichen Dienstes, seinen Beitrag für die Entwicklung der Gesellschaft insgesamt wird aus unserer Sicht nicht ausreichend reflektiert, selbst dann nicht wenn, wie kurzzeitig mal im Nachbarland Brandenburg, ein SPD-Ministerpräsident das skandinavische Modell als Vorbild für die Entwicklung seines eigenen Landes anpreist. Wir werden diese Diskussion weiter führen, nicht weil es uns primär um das Wohl und Wehe der öffentlichen Hand oder speziell des öffentlichen Dienstes geht, sondern weil wir dessen Funktion für die öffentliche Daseinsvorsorge und für die Lebensqualität der Menschen in Sachsen-Anhalt in den Mittelpunkt unserer Überlegungen stellen.

Der Finanzminister nimmt für seine Aussagen einen anderen Vergleichsrahmen in Anspruch, nämlich die Situation, in einigen ausgewählten westlichen Bundesländern. Das ist in seiner Position so lange legitim, solange es um eine Information über Vergleichsdaten geht, es wird jedoch falsch, wenn dieses Benchmarking eine Aufgaben- und Problemanalyse für unser Land ersetzt. Das Argument: „Das geht doch dort mit weniger Geld und Personal auch“ ist eben genau dann kein Argument, wenn es dort mit dem Weniger an Personal und Geld schlecht geht oder wenn die gesellschaftliche Aufgabenstellung sich substanziell unterscheidet. In Bayern gibt es nur einen viel geringeren Anteil von Kindern in Hartz IV-Familien. Die soziale Polarisation und die daraus entstehenden Spannungen sind in Rheinland-Pfalz geringer als in Sachsen-Anhalt und man muss nicht Soziologie studiert haben, um dann solche Meldung, wie sie gestern in der „Volksstimme“ veröffentlicht wurde, zu verstehen, dass der schulpsychologische Dienst in Sachsen-Anhalt überlastet ist.

Der Finanzminister versucht sein Konzept auf eine optimale Einnahmen- und Ausgaben-Bilanz auszurichten und er stellt dabei ins Zentrum den Umgang mit dem Verschuldungssockel des Landes Sachsen-Anhalt, der übrigens, wie deutlich aus der mittelfristigen Finanzplanung zu erkennen ist, überproportional in der 1. und 4. Legislaturperiode aufgebaut wurde. Ein ganzheitlicher Politikansatz muss jedoch darüber hinaus gehen. Wir brauchen nicht nur eine Sicht auf eine langfristige finanzpolitische Perspektive, wir brauchen auch eine Sicht auf die soziale und demografische Struktur dieses Landes.

Unsere Analyse ist, dass in diesen beiden Bereichen zur Zeit Schulden aufgehäuft werden, die die finanziellen Schulden dieses Landes weit in den Schatten stellen. Jede LehramtsanwärterIn, die heute Sachsen-Anhalt verlässt, weil sie hier keine Stelle bekommt, spart uns Personalkosten. Aber sie stellt einen ungleich größeren Verlust an Perspektive für dieses Land Sachsen-Anhalt dar, ein Verlust, den wir spätestens in fünf Jahren jämmerlich gemeinsam beklagen werden, wenn wir dann händeringend nach Lehrern suchen werden und es stellt einen nicht zu beziffernden Verlust dar, weil sie eine Familie außerhalb des Landes gründen wird und damit die demografische Struktur dieses Landes nachhaltig weiter verändert. Das sage ich auch hier in aller Deutlichkeit, diese Perspektive fehlt den vorgelegten Konzepten nach wie vor und dies ist einer der zentralen Dissenspunkte der LINKEN zur mittelfristigen Finanzplanung.

Andererseits erkennen wir durchaus die engen Spielräume der Landespolitik für den absehbaren Zeitraum bis 2012 an, der in der mittelfristigen Finanzplanung analysiert ist. Für den Einnahmebereich sind die enthaltenen Zahlen aus unserer Sicht nicht zu kritisieren, da die politische Großwetterlage kaum eine Besserung in diesem Bereich erwarten lässt. Es steht eher zu befürchten, dass im Falle einer schwarz-gelben Mehrheit nach der nächsten Bundestagswahl weitere Steuergeschenke an Unternehmen und höhere Einkommen die Einnahmen des Landes weiter schrumpfen lassen. Da wir jedoch Optimisten sind, wollen wir heute davon nicht ausgehen.

Basis der Bewertung der mittelfristigen Finanzplanung sind unsere Beschlüsse für die Entwicklung des Landeshaushaltes des letzten Jahres. Und mit einigem Erstaunen und einer gewissen Genugtuung sehen wir durchaus Entwicklungen in Richtung unserer gesetzten Schwerpunkte. Dies betrifft zum einen die Planung der Kommunalfinanzen bis zum Ende der Legislaturperiode. Der von uns vorgeschlagene Weg, die Zuweisungen im FAG auf die Summe einzufrieren, die im Jahre 2009 auf Grundlage des geltenden Gesetzes erreicht wird, wird auf Grund des nunmehr geplanten Entschuldungsfonds für die Kommunen fast umgesetzt. Die Differenz beträgt je nach Berechnung noch 10 bis 30 Mio. Euro. Für die dann folgende Perspektive macht die mittelfristige Finanzplanung die Absenkung der Verbundquote von der Entwicklung der eigenen Steuereinnahmen der Kommunen abhängig. Diese Aussage lässt einen breiten Interpretationsspielraum. Wir wollen ihn mal im Interesse der Kommunen positiv bewerten und schlagen vor, noch in dieser Legislaturperiode mit den kommunalen Spitzenverbänden einen verlässlichen Berechnungsschlüssel für diesen Zusammenhang zu vereinbaren. Unberührt davon bleibt jedoch aus unserer Sicht die Umsetzung des Vorhabens aus dem Koalitionsvertrag, eine Bemessung der kommunalen Aufgaben für den Finanzausgleich durch das Land zu Grunde zu legen. Darüber hinaus halten wir die Diskussion um die Entwicklung und des Einsatzes eines zusätzlichen kommunalen Entschuldungsfonds für notwendig. Natürlich ist die Kritik, die die Kommunen artikulieren werden, dass dieses Geld ja vorher aus der Finanzausgleichsmasse entnommen wurde, berechtigt. Trotzdem müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die finanzielle Situation der Kommunen in Sachsen-Anhalt immer weiter auseinander driftet. Im Jahre 2007, in dem die Steuereinnahmen der Kommunen deutlich gestiegen sind, hatte die Mehrheit der Kommunen sinkende Steuereinnahmen zu verzeichnen. Diese Polarisierung verlangt tatsächlich neue Steuerungsinstrumente in den Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen. Andererseits hat solch ein Fonds auch immer den Beigeschmack von Zuckerbrot und Peitsche. Und die Kriterien für die Unterstützung einzelner Kommunen waren in der Vergangenheit bei der Verwendung der Mittel aus dem Ausgleichstock nicht immer transparent und wenn sie transparent waren, dann waren sie nicht immer akzeptabel.

Ich möchte eine zweite Position hervorheben, die Mittel für die Schülerbeförderung der Sekundarstufe II, die mit 10 Mio. Euro jährlich eingeplant sind, allerdings an einer anderen Stelle, dann wieder unter der Überschrift offene Diskussionspunkte auftauchen. Unbefriedigend ist, dass hier erste Überlegungen erst 2010 greifen sollen, in einer Fragestellung, die eigentlich sofort angepackt werden müsste. Wobei wir in diesem Rahmen noch einmal bemerken wollen, dass ein Zuschuss in Höhe von 10 Mio. Euro für zwei Jahrgänge die fünffache Summe dessen ausmacht, was das Land für die Schuljahrgänge bis zur 10. Klasse bezahlt.

Eine andere zentrale Forderung ist nach wie vor die Ganztagsbetreuung im Bereich der Kindertagesstätten. Für diesen Komplex bietet die mittelfristige Finanzplanung ab der Seite 129 einige interessante Darstellungen. Die Berechnungen unterscheiden sich zwar von unseren, aber die Dimensionen insgesamt werden einigermaßen deutlich. Die Mehrkosten für einen Ganztagsanspruch in der Kindertagesstätte belaufen sich in etwa auf der gleichen Höhe wie die Mehrkosten, die der Bauminister für den Landesstraßenbau angemeldet hat. Ich glaube, hier wird deutlich, dass die politische Prioritätensetzung darüber entscheidet, was realisiert wird. Und wir widersprechen auch angesichts der vorgelegten mittelfristigen Finanzplanung ausdrücklich der Aussage, dass dies nicht zu finanzieren wäre. Es gibt eindeutige Spielräume, diese Forderung, die gleichzeitig eine Begrenzung der sozialen Verwerfung in diesem Land bedeutet und eine Bildungsinvestition darstellt, umzusetzen. Wir sagen aber auch in aller Deutlichkeit, unter den hier aufgeführten Rahmenbedingungen ist der zweifellos gerechtfertigte Wunsch nach einer Beitragsfreiheit für Kindertagesstätten nicht zu gewährleisten. Für eine solche Forderung müsste sich die Einnahmesituation dieses Landes auf Grund eines veränderten Steuerkonzeptes grundlegend verbessern.

Weiterhin verdienen die Aussagen zum Bereich der Hochschullandschaft in der mittelfristigen Finanzplanung und im PEK einer näheren Betrachtung. Wir sehen die Hochschulbudgets im Land Sachsen-Anhalt nach wie vor etwa um 10 % als unterfinanziert an. Erst gestern kam eine entsprechende Meldung über den Ticker, nach dem das Land Sachsen-Anhalt bei den Hochschulabschlüssen mit 16,7 % der jungen Erwachsenen den viertletzten Platz in der Bundesrepublik einnimmt. Bei den Promotionen lagen wir mit 1,3 % auf dem vorletzten Platz. Wenn vor diesem Hintergrund Sachsen-Anhalt in der mittelfristigen Finanzplanung als Bildungsland bezeichnet wird, kann man dies dann bestenfalls als Wunsch für die Zukunft, nicht aber als Ist-Stand akzeptieren und Erfolge brauchen nun mal Geld. Bei den Hochschulabschlüssen ist übrigens Schleswig-Holstein mit 14,1 % das Land mit der roten Laterne, übrigens ein Land, das in den Benchmarkings des Finanzministers immer als Vorbild genommen wird, genauso wie das Saarland, das in dieser Rangfolge drittletzter ist. Wir sehen also, dass diese Vorbildländer mit wenig Mitteln auskommen, aber sie tun es offensichtlich sehr schlecht.

Trotzdem halten wir die in der mittelfristigen Finanzplanung zumindest angedeutete Überlegung für unterstützenswert, die da sagt, dass auch über das Jahr 2010 hinaus für uns der Grundsatz gilt, dass für den Fall, dass die Studentenzahlen bei etwa 51.000 konstant bleiben, auch die Budgets und die damit finanzierten Planstellen inklusive eines Inflationsausgleiches ausfinanziert werden. Das Positive dieser Regelungen ist, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen den Studierenden-Zahlen und den Landeszuweisungen gibt. Der Vorteil besteht aus unserer Sicht vor allem darin, dass der Fokus der Hochschulen, der bisher zu häufig auf die Einwerbung von Drittmitteln für Forschungsprojekte gerichtet ist, sich nun wieder auch auf die Lehre richtet, was sowohl Quantität als auch Qualität betrifft. Denn nur bei einer hohen Qualität wird der enorme Zuzug westdeutscher Studenten in die Hochschulen Sachsen-Anhalts erfolgen.

Diese sehr positive Bewertung wird jedoch nach Meinung unserer Fachpolitiker getrübt. Dabei stehen zwei Probleme im Mittelpunkt: Zum einen ist fraglich, ob unter den Bedingungen der jetzigen Finanzausstattung der Hochschulen diese massive Anwerbung wirklich gelingen kann, zum anderen stellt sich die Frage, wie bei fehlenden Neueinschreibungen Budgets auch innerhalb der Laufzeit einer Zielvereinbarung sofort reduziert werden können. Auch darüber gilt es, noch zu reden.

Der zentrale Dissenspunkt zur vorgelegten mittelfristigen Finanzplanung und dem Personalkonzept liegt aus unserer Sicht bei der Entwicklung des öffentlichen Dienstes. Trotzdem will ich auch sagen, welche Dinge aus unserer Sicht unstrittig sind.

Es gibt im Land Sachsen-Anhalt in einigen Bereichen Personalüberhänge, die eine Reduzierung des Landespersonals insgesamt zulassen. Einen Dissens gibt es darüber, auf welchem Weg sich diese Überhänge feststellen lassen und mit einiger Wahrscheinlichkeit auch über dessen Quantum.

Die Entwicklung der Bevölkerungszahl muss auch Auswirkungen auf den Umfang des Landesdienstes haben, obwohl wir wissen, dass eine sinkende Bevölkerungszahl nicht zwingend weniger Aufgaben zum Ergebnis hat. Dies wird eigenartigerweise für die obersten Landesbehörden durchweg anerkannt, in anderen Bereichen sieht es damit schon schwieriger aus.

Bei der Entwicklung des öffentlichen Dienstes müssen wir die finanziellen Grenzen unseres Landes berücksichtigen, auch dann, wenn dies in der Konsequenz dazu führt, nicht aufgabengerechte Entscheidungen zu treffen. Der Dissens liegt hier vielmehr darin, wie weit man sich zusätzlich eigene Schranken setzt. 

Vor allem im Bereich der Personalentwicklung hat die Landesregierung die substanziellen Gefahren, die mittelfristig zur Wirkung kommen werden, nicht erkannt. Die demografische Entwicklung im Land Sachsen-Anhalt wird ganz maßgeblich nicht nur durch die Abwanderung junger qualifizierter Menschen, vor allem Frauen, gekennzeichnet, sondern auch dadurch, dass der Geburtenknick von 1990 in den nächsten Jahren den Ausbildungsbereich durchlaufen hat und in der Berufswelt ankommt. Dies trifft auch für den öffentlichen Dienst zu. Hier treffen wir auf eine Situation, in der der langjährige Personalabbau in den westlichen Ländern ebenfalls zu einer nahezu explosiven Situation geführt hat. Am deutlichsten wird dies im Bereich der Lehrer. Niedersachsen hat für 2008 und 2009 je 250 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen und Bayern allein für das Schuljahr 2008/2009  2245 Lehrerstellen. Dies spielt sich alles vor dem Hintergrund einer zu geringen Ausbildungskapazität für Lehrer bundesweit ab, die auch in Sachsen-Anhalt durch die Schließung der Lehrerausbildung in Magdeburg illustriert wurde. Aber nicht nur in diesem Bereich steuern wir auf eine kaum beherrschbare Situation zu. Vor etwa 10 Tagen konnten aufmerksame Beobachter die Meldung aus Sachsen vernehmen, dass dort die Zugangsvoraussetzungen für den Beginn einer Polizeiausbildung, also nicht eines Studiums, sondern einer ganz normalen Ausbildung für den mittleren Dienst, deutlich herabgesetzt wurden, um die entsprechend notwendige Zahl von Bewerbern zu bekommen. Dies ist der Hintergrund unserer Forderung, den ursprünglich durch die Ministerien für diese Legislaturperiode angemeldeten Neueinstellungskorridor von etwa 700 pro Jahr auch umzusetzen.

Dabei sehen wir durchaus, dass es auch hier Bewegung gibt. Während noch im Koalitionsvertrag von 250 Neueinstellungen pro Jahr die Rede war, sind wir jetzt in etwa bei 350 angelangt. Um es noch einmal mit aller Deutlichkeit zu sagen, wie viele Stellen in den verschiedenen Bereichen wir im Jahre 2015 oder auch 2020 wirklich brauchen, können wir noch nicht sagen, übrigens die Landesregierung auch nicht. Bei unserem Vorschlag geht es lediglich um das Vorziehen von Neueinstellungen, die selbst der Finanzminister geplant hat, nur eben zu einem Zeitpunkt, zu dem wir kaum noch Bewerber haben werden.

Uns ist natürlich klar, das diese Forderung eine langfristige aufgabenbezogene Personalkonzeption nicht ersetzt. Diese wurde aber eben von der Landesregierung bisher nicht geleistet. Wir haben deshalb die Enquetekommission zur Personalentwicklung ins Leben gerufen, die sich bisher mit den beiden Schwerpunkten Schule und Polizei beschäftigt hat. Beide zuständigen Häuser konnten bisher nicht erläutern, wie sie mit dem bereits beschlossenen Personalkonzept aus dem letzten Jahr Schule und Polizei bis zum Jahr 2020 organisieren. Und lassen Sie mich das an einem Beispiel kurz skizzieren: In dem PEK wird bei der Polizeidichte eine Zielzahl von 390 Einwohnern je Polizist anvisiert. Begründet wird das wie immer mit Durchschnittswerten und dem Hinweis, dass. z. B. in Niedersachsen (455) das Verhältnis ja noch viel schlechter wäre. Dem gegenüber steht jedoch die jetzige Situation, in der wir ein Verhältnis von 307 Einwohnern je Polizist haben. Die Zielzahl 390 bedeutet also, dass wir etwa ein Viertel weniger Polizei im Land haben werden und dabei ist der Bevölkerungsrückgang noch nicht einmal berücksichtigt. Dies bedeutet aber, dass wir in etwa ein Viertel aller jetzt noch existierenden Polizeistationen schließen müssen und eine Vielzahl von Polizeikommissariaten zu Polizeistationen herabgestuft werden. Bevor wir uns auf den im PEK vorgesehenen Personalabbau bei der Polizei verständigen, möchte ich ein Konzept des Innenministers sehen, wie er das in Sachsen-Anhalt organisiert will. Unter diesen Bedingungen möchte ich diejenigen Abgeordneten, die das hohe Lied auf den Personalabbau singen, in ihrem Wahlkreis erleben, wenn sie von einer solchen Schließung betroffen sind.

Lassen Sie mich kurz noch etwas zu dem Schulbereich sagen. Ich habe in den letzten Tagen an verschiedenen Stellen mehrfach um Interpretationshilfe zu den vorliegenden Zahlen gebeten. Die habe ich auch bekommen, nur eben sehr unterschiedliche. Gehen wir einmal davon aus, dass bis zum Ende dieser Legislaturperiode wirklich 13.000 VZLE und genauso viele Stellen in diesem Bereich geben wird. Das Ergebnis bestimmt im wesentlichen der Lehrertarifvertrag und die Altersabgänge. Dann soll diese Zahl von Lehrern bis zum Jahr 2014 fortgeschrieben werden, weil dies der Zeitraum für die neue Schulentwicklungsplanung ist, in dem eine Veränderung der Parameter schlechtweg unmöglich wäre. Wir haben auf diesen Zusammenhang immer hingewiesen und sehen nunmehr, dass wir damit Erfolg hatten. Nach dem Jahr 2014 sollen dann etwa 1.300 weitere Lehrerstellen eingespart werden, obwohl die Schülerzahl um etwa 4.000 steigen wird. Dies wird nur dadurch gehen, dass man Klassenstärken vergrößert, Schulstandorte zusammenlegt, die Stundenzahl verringert oder die Lehrerarbeitszeit erhöht. Nun ist das Jahr 2014 noch lange hin, aber wenn wir heute das Personal für das Jahr 2020 in den Schulen bestimmen wollen, dann muss auch heute gesagt werden, wie das dann funktionieren soll. Ich kenne ein solches Konzept nicht und deshalb weigere ich mich auch, zu der dann anvisierten Lehrzahl von etwa 11.700 Stellung zu nehmen. Andererseits stellt sich ohnehin die Frage, ob eine Diskussion über den Lehrerbestand ab dem Jahr 2014 und den daraus resultierenden Einstellungskorridor nicht völlig akademisch ist. Mit höchster Wahrscheinlichkeit wird es dann so sein, dass die Anzahl der Bewerber die Zahl der Einstellungen bestimmen wird und nicht der ausgewiesene Einstellungskorridor. Und derjenige oder diejenige, die dann Kultusminister/in sein wird, wird sich jämmerlich über die Kurzsichtigkeit der Politiker beklagen, die vor sieben oder acht Jahren verpasst haben, entsprechende Ausbildungskapazitäten vorzuhalten und Einstellungen zu realisieren.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch einmal einen Bezug zur Sommerdiskussion um das PEK herstellen. Angesichts der etwas ratlosen Gesichter der betroffenen Minister in der Enquetekommission ob der Umsetzung des ursprünglichen Ziels, pro 1.000 Einwohner 20 Landesbedienstete zu beschäftigen, und den daraus resultierenden Personalabbau umzusetzen, waren wir mehr als überrascht, als im Juni die Meldung aus dem Finanzministerium ertönte, jetzt wolle man noch einmal bis 2020  2.600 Stellen einsparen, um eine Zielzahl von 19 Landesbediensteten pro 1.000 Einwohner zu erreichen. Schließlich machen die anderen das ja auch. Noch überraschter waren wir jedoch dann, als aus dem Kultusministerium die Meldung kam, dass im Vergleich zur alten Personalentwicklungskonzeption für das Jahr 2020  1.400 Lehrerstellen mehr geplant werden und auch die Hochschulen ihre Abbaurate von 1.239 Stellen nicht erbringen müssen, wenn sie diese Studentenzahlen konstant halten. Am allermeisten aber hat uns überrascht, als wir dann den Beschluss der Landesregierung zum PEK vom 02. September auf den Tisch bekamen, der im Eingangstext davon spricht, dass nunmehr das Ziel 19 pro 1.000 erreicht wäre. Immerhin machen die Zuwächse im Kultusbereich und die beabsichtigte Reduzierung um 2.600 Stellen in der Summe über 5.000 Stellen aus, die ja dann noch irgendwo zu kürzen waren.

Zwischenzeitlich hatte ich wirklich Angst, dass wir die Landespolizei nun gänzlich auflösen. Allein das Studium der Tabelle auf Seite 76 des PEK ließ mich dann wieder beruhigt schlafen. Zwar wurde der Polizeivollzug auch noch einmal reduziert, aber nur um 77 Stellen, auch die anderen Schwerpunktbereich wurden noch einmal marginal reduziert. Einzig der Bereich übrige Verwaltung, vor allem Landesbetriebe, der bisher weitgehend ungeschoren davon kam, muss nun zwischen den Jahren 2011 und 2020 insgesamt 2.000 Stellen abbauen, was rund 26 % des Stellenbestandes dort ausmacht. Wie das geschehen soll, werden wir demnächst erfahren. Des weiteren wurden in der Auflistung für das aktualisierte PEK die pädagogischen Mitarbeiter einfach nicht in die Summe einbezogen, obwohl man nach wie vor davon ausgeht, dass es auch noch in 12 Jahren 1.618 davon geben soll. Und auch die Hochschulen haben zwar die Aussicht bekommen, dass sie kein weiteres Personal abbauen müssen, aber der Finanzminister glaubt ganz offensichtlich nicht daran, dass die Studentenzahlen gehalten werden können, denn die Abbaurate von 1.239, also rund 20 % aller Hochschulangestellten, ist nach wie vor mit eingerechnet. Und siehe da, dann kommt man auch in der Summe auf die gewünschte Stellenzahl, die sich jedoch in Wahrheit für das Jahr 2020 nicht verringert, sondern eigentlich um rund 400 erhöht hat.

Spätestens an dieser Stelle wird die Diskussion um den Einstellungskorridor des Jahres 2016 bzw. seine Ausweisung im PEK etwas distanzierter gesehen und wir konzentrieren uns lieber auf die unmittelbar vor uns liegenden Aufgaben. Und da besteht unsere Forderung nach vor darin, die Neueinstellungen vorzunehmen, die die Ministerien zu Beginn  der Legislaturperiode angemeldet haben. Lassen Sie mich dazu auch die finanziellen Auswirkungen benennen. Die Differenz zur Landesregierung beträgt jährlich 350 Neueinstellungen. Das ist bei großzügiger Berechnung der Personalkosten eine Belastung von 15 Mio. Euro pro Jahr, die sich bis zum Ende der Legislaturperiode auf kumulativ etwa 45 Mio. Euro aufstocken werden. Diese Mehrausgaben sollten aus unserer Sicht als wirkliche Zukunftsinvestition betrachtet werden. Deshalb halten wir es auch für legitim, diese Ausgaben statt einer Zuführung zu einer Steuerschwankungsreserve vorzunehmen. Wir halten diese Anlage für überflüssig, weil sie nur deshalb gebildet wird, um sich damit auf ein nicht existierendes Schuldenaufnahmeverbot vorzubereiten.

Und ich sage das hier noch einmal ganz deutlich: Wir halten ein solches Verbot aus grundsätzlichen Gründen für nicht akzeptabel, selbst dann, wenn wir der Meinung sind, dass für den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung und so auch die Annahme darüber hinaus zutreffen, in den folgenden Jahren keine Neuverschuldung realisiert werden muss. Allerdings wissen wir um die Unsicherheit dieser Annahme teils auch um die Risiken. Davon will ich nur eine benennen: Die Projektion der Sozialhilfekosten. Die demografische Entwicklung in Sachsen-Anhalt schlägt sich in den Ausgaben für die stationäre und ambulante Pflege in Zukunft deutlich nieder. Bereits jetzt haben wir es mit einer erheblichen Ausgabensteigerung zu tun, allein im ersten Halbjahr sind dafür 260 Mio. Euro ausgegeben worden. Da scheint eine langfristige Prognose von nur etwas mehr als 400 Mio. Euro mehr als optimistisch. Ich will dies nur an dieser Stelle hervorheben, weil es hier um dreistellige Millionenbeträge geht, die maßgebliche Auswirkungen auf den gesamten Haushalt haben können.

Die vorgelegten Papiere zur mittelfristigen Finanzplanung und zum PEK enthalten aus unserer Sicht falsche Weichenstellungen und Fehler, genauso wie vernünftige Ansätze und eine verlässliche Datenanalyse. Es sind Papiere, die die Defizite unserer Handlungsspielräume offen legen, genauso wie die Notwendigkeiten, diese zu überwinden. Sie geben oftmals keine akzeptablen Antworten, aber sie lassen die Fragen deutlicher werden, mit denen wir uns auseinander zu setzen haben und sie haben den Charakter von Hintergrundpapieren und stellen keine verbindliche politische Entscheidung dar. Vor diesem Hintergrund nehmen wir sie als Diskussionsangebote an und bringen uns mit unseren Vorstellungen in die Strategiediskussion ein.