TOP 01 a): Behördlicher Umgang mit Abfällen in Sachsen-Anhalt
Der Müll beschäftigt die Öffentlichkeit immer wieder. Es ist schon angesprochen worden - die letzte große Aktion war eigentlich die Verbringung nach Tschechien, für die das Land dann ja auch aufgekommen ist, um den Müll wieder zurückzuholen.
Als das Abfallrecht novelliert wurde und kein Hausmüll mehr auf Deponien gelangen durfte, sofern er unbehandelt war, schossen in Sachsen-Anhalt die Verbrennungsanlagen wie Pilze aus dem Boden, sodass ihre Kapazität den Bedarf in Sachsen-Anhalt deutlich überstieg. Also hat man mit dem Ersten Investitionserleichterungsgesetz noch die Möglichkeit geschaffen, Abfall über Ländergrenzen hinweg einfacher verbringen zu können, ein Schritt, der viele Möglichkeiten bot, Müllströme zu verschleiern. Meine Fraktion hat diese Situation damals kritisiert und von der Kloake der Nation gesprochen.
Uns traf der vereinte Zorn: wirtschaftsfeindliche Einstellung, drohender Verlust von Arbeitsplätzen, Schlechtreden des Landes. Von „Schlechtreden“ kann jetzt keine Rede mehr sein. Sachsen-Anhalts Landesregierung hat gezeigt, dass sie im Umgang mit Müll schlecht handelte. Für das Land ist ein Imageschaden entstanden, der noch nicht zu erfassen ist. Wer möchte schon in einer Region leben oder als Tourist eine Region besuchen, in der in Kies- oder Tongruben kleine Müllreaktoren ganz ohne Aufsicht und Steuerung lustig vor sich hinarbeiten, während sich die Minister darüber streiten, ob man, wann man und wer hier eingreifen muss?
Das ist ein trauriges, erschreckendes Bild, welches die Medien natürlich genüsslich aufgenommen haben. Es waren auch die Medien, die den Stein mit immer neuen Fakten ins Rollen brachten und oft auch mit Spekulationen aufwarteten, denen die Vertreter der Medien fast hinterherhetzten. Es machte auf viele zumindest den Eindruck, dass hierbei Aktionismus angesagt war.
Dabei hätte das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit wissen müssen, dass in den Gruben Möckern und Vehlitz wohl einiges im Argen liegt; denn seit 1996 gab es Hinweise von Bürgern auf austretende Gase, belastete Abwässer und Geruchsbelästigung. Da wurde abgewiegelt, beschwichtigt: Alles ist rechtens. Dieses Hinhalten, dieses Nichternstnehmen der Sorgen der Bürger um ihre Gesundheit und um die Umwelt, hat zu massivem Unmut und einem Verlust von Vertrauen in die Landesregierung geführt.
Auch die illegale Müllentsorgung in den Brandenburger Gruben hätte zumindest nachdenklich stimmen müssen und erhöhte Aufmerksamkeit für die Situation in den eigenen Gruben hervorrufen müssen. Spätestens seit dem Spätsommer des letzten Jahres, als in einer Vehlitzer Grube erhöhte Werte in Bezug auf organische Bestandteile gemessen wurden, wäre es nötig gewesen, aufmerksamer zu werden sowie alle Kontroll- und Informationsmöglichkeiten zu nutzen. Im September des vergangenen Jahres beschäftigte sich die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall mit dem Thema der illegalen Entsorgung von Müll. Dort hätte die Landesregierung spätestens aufmerksam werden und handeln müssen. Es brauchte jedoch bis zum März dieses Jahres, bis es zu tiefer gehenden Untersuchungen in beiden Gruben kam, die den extrem hohen Wert an organischer Belastung ergaben.
Das lässt nur noch den einen Schluss zu: Hier wurde illegal und über längere Zeit hinweg organischer Müll in erheblichen Größenordnungen entsorgt. Aus einer Verwertung mineralischer Reststoffe in einer Tongrube wurde quasi eine ungenehmigte Deponie. Fragt man nach den Ursachen dafür, kommt man an den Entsorgungspreisen nicht vorbei, die bei einer solchen Grube bei Weitem günstiger als bei einer Müllverbrennungsanlage ausfallen. Damit wird kriminellen Aktivitäten Tür und Tor geöffnet.
Das beantwortet auch ein wenig die Frage nach dem erhöhten Prüfungsaufwand, der notwendig ist. Wenn hier Tür und Tor für eine solche Praxis geöffnet sind, dann hat man einen erhöhten Prüfungsaufwand. Dieser wird jedoch nicht wahrgenommen. Wir kritisieren an dieser Stelle ganz deutlich, dass die Landesregierung zögerlich ist, zugeguckt hat und erst sehr, sehr spät reagiert hat.
Begünstigt wurde diese Situation in den Gruben durch die mangelnde Kontrolle durch das Bergamt und die schleppende Reaktion auf alle Arten von Bürgerhinweisen. Es kommt der Verdacht auf, dass im Verbund von Wirtschaft, Verwaltung und Ministerien ein wenig illegale Wirtschaftsförderung mit illegalem Müll erfolgte. In der „Zeit“ wird ein Insider aus der Landesregierung mit der Meinung wiedergegeben: „Im Wirtschaftsministerium gebe es eben eine natürliche Tendenz, die heimische Wirtschaft zu schützen.“
In dieses Bild passt die Reaktion von Herrn Klamser als Leiter des Bergamtes, der 1998 nach der Feststellung überhöhter Schadstoffwerte in der Möckerner Grube ‑ damals ging es um die Problematik Klärschlamm ‑ erklärt hat, dass der gegenwärtige Zustand vom Bergamt geduldet werde. Damit hat nicht nur der Grubenbesitzer, sondern zu wesentlichen Teilen auch die Landesregierung die rechtswidrigen Zustände in der Grube zu verantworten. Offensichtlich spielen Fragen des Umweltschutzes immer noch die zweite Geige, wenn es um wirtschaftliche Interessen und richtig Kohle geht. So kommt auch ein wenig Zweifel an der Aussage auf, ob denn alle Untersuchungen in den anderen Gruben keinerlei Belastungen ergeben haben. Über den Umfang dieser Untersuchung und die Ergebnisse werden wir, denke ich, im Ausschuss noch zu sprechen haben.
Hinter dieser Verantwortung für die illegale Müllablagerung verblasst fast die Auseinandersetzung beider Ministerien und die schleppende Umsetzung der Anpassung der Betriebspläne an geltendes Recht.
Ein Erlass und mehrere Briefe auf der einen Seite, Schweigen auf der anderen Seite; ein Handeln aber erst, als die Unregelmäßigkeiten in den Gruben nicht mehr zu übersehen sind. Dass das Thema den Kabinettstisch offenbar nie erreichte, zeigt die Handlungsunfähigkeit oder auch Unwilligkeit der Landesregierung.
Deutlich wurde auch, dass die unterschiedlich zugeordnete Fachaufsicht die Situation zusätzlich undurchsichtiger machte. Kollege Köck hat schon vor acht Jahren in seiner Rede zur Umgestaltung der Umweltverwaltung die von vielen Fachleuten befürwortete Zusammenlegung des Lau sowie des Landesamtes für Geologie und Bergwesen vorgeschlagen. Es ist nie zu spät, guten Vorschlägen zu folgen. Die nun angestrebte Lösung, das Bergamt dem Landesverwaltungsamt zuzuschlagen, macht deutlich weniger Sinn.
Bei der ganzen Problematik sollte auch nicht vergessen werden, dass es sich bei dem Betreiber der Grube um ein zertifiziertes Entsorgungsunternehmen handelt. Das ist ebenso bei dem Betreiber einer Sortieranlage im Landkreis Saalekreis der Fall, der wohl auch nach Vehlitz geliefert hat und nunmehr wegen falscher Deklarierung angezeigt ist. Letzterer ist zudem Mitglied der Umweltallianz. Eine solche Zertifizierung zieht eigentlich immer eine Verringerung der Kontrolle des Unternehmens nach sich. Wir müssen genauer prüfen, wie wir mit Zertifizierungen umgehen und wie wir mit der Aufnahme von Unternehmen in die Umweltallianz und mit deren Zielen umgehen.
Eine Bemerkung zu den Kosten, die durch die Nachsorge entstehen werden. In der Rückstellung der Gruben sollen sich 60 000 € befinden. Wenn sich bestätigt, dass die Gruben umfangreich ausgeräumt werden müssen, ist schon jetzt abzusehen, dass die öffentliche Hand in erheblicher Größenordnung zur Kasse gebeten wird. Das hat allein die Landesregierung durch ihr Wegsehen und Nichthandeln zu verantworten.
Abschließend noch eine kurze Bemerkung, fast eine Binsenweisheit: Der beste Müll ist der, der nicht entsteht. Der kann nicht irgendwo illegal abgelagert werden.
Über die Fragen, die sich um den Schutz von Ressourcen, um den Energieverbrauch, um unsinnige Verpackungsvorhaben, um reparaturfreundliche Produkte mit langer Lebenszeit drehen, wird im Land viel zu wenig diskutiert.
Diesbezüglich erwartet DIE LINKE von der Landesregierung mehr Impulse.
Die Fraktion DIE LINKE hat bewusst einen Antrag formuliert, weil wir der Meinung sind, dass das Problem, das wir im Land mit der Müllentsorgung haben, nicht einfach mit einer Aktuellen Debatte beendet werden kann und es wesentlich mehr Aufarbeitung von Informationen auch im Ausschuss bedarf.
Hier wäre es zum Beispiel auch wichtig zu klären, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass dieser problematische Abfallschlüssel 19 12 12 für die beiden Gruben genehmigt werden konnte.