Thomas Lippmann zu TOP 3: Erprobung neuer Modelle zur Unterrichtsorganisation an den Schulen in Sachsen-Anhalt
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Koalition will als Antwort auf den Lehrkräftemangel neue Modelle der Unterrichtsorganisation ausprobieren. Wenn es dabei nur um pädagogische Argumente ginge, so wie es im Antrag suggeriert wird, dann wäre dafür kein Beschluss des Landtages erforderlich, denn solche Experimente gibt es in einzelnen Schulen schon seit vielen Jahren. Worum es der Koalition hier jetzt aber geht, ist der Missbrauch solcher pädagogisch begründeten Modelle für das Stopfen von Löchern in der Lehrkräfteversorgung. Das kann man der Begründung zu diesem Antrag überdeutlich entnehmen. Damit wird aber eine Grenze des Erlaubten klar überschritten. Denn durch solche Modelle kommt keine einzige neue Lehrkraft in die Schulen. Wenn damit also dem Lehrkräftemangel entgegengewirkt werden soll, dann geht das nur mit Arbeitsverdichtung und Arbeitszeiterhöhung für die vorhandenen Lehrkräfte. Sie sollen entweder mehr Schüler unterrichten oder mehr Unterrichtsstunden erteilen.
Die Arbeitszeit der Beschäftigten liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört zum Kernbereich der Arbeitsbedingungen und unterliegt dem Tarifrecht bzw. dem Dienstrecht. Die Arbeitszeit der Beschäftigten ist kein Spielzeug für Arbeitgeber oder Dienstherren. In den Schulen gilt, was in der Arbeitszeitverordnung für Lehrkräfte geregelt ist. Die zentrale Regelung der Arbeitszeitverordnung ist die Festsetzung, welcher Anteil der 40 Stunden Wochenarbeitszeit als Unterricht zu leisten ist.
Für die Regelstundenzahl heißt es da: Eine Unterrichtsstunde wird mit 45 Minuten berechnet. Es gibt keine Experimentierklausel für neue Arbeitszeitmodelle. Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist also ohne Rechtgrundlage und das wissen sie auch. Wir hatten das Thema bereits ausführlich in der Anhörung am 10. Februar im Bildungssauschuss besprochen. Es ist deshalb mehr als irritierend, dass sie dennoch einen solchen Antrag einbringen, mit dem sie elementare Fragen des Tarif- und Dienstrechtes schlicht ignorieren und die Rechte der Gewerkschaften mit Füßen treten.
Ein solches illegales Ansinnen lehnen wir ab. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie mit der Verkürzung auf 40 Minuten gegen KMK-Vereinbarungen zu den Schulabschlüssen verstoßen würden und so die bundesweite Anerkennung insbesondere für das Abitur gefährden. Wenn sie andere Arbeitszeitregelungen wollen, dann muss die Landesregierung die Arbeitszeitverordnung ändern und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte sie sich sehr gut überlegen. Statt mit den Gewerkschaften über freiwillige Arbeitszeitkonten zu verhandeln, wollen sie sich nach der Kürzung der Altersermäßigungen jetzt erneut an der Arbeitszeit der Lehrkräfte bedienen. Es ist zu erwarten, dass sich die Lehrkräfte mit Unterstützung der Gewerkschaften gegen diese einseitigen Eingriffe in den Kernbereich des Tarifrechts zur Wehr setzen und auch gerichtliche Auseinandersetzungen drohen.
Das ist nicht das, was die Schulen nach zwei Jahren Corona-Engagement von der Landesregierung erwarten können. Es steht auch im Widerspruch zu dem Dank, den die Bildungsministerin erst zum Jahresauftakt an die Beschäftigten übermittelt hat. Ich kann ihnen nur raten: Lassen sie die Finger von der Arbeitszeitverordnung für die Lehrkräfte. Sorgen sie endlich effektiver und einfallsreicher für mehr Personal in den Schulen und hören sie auf, die verblieben Lehrkräfte immer weiter auszuquetschen.
Damit wir Gelegenheit bekommen, die Positionen der Gewerkschaften zu diesen Plänen der Koalition zu hören, beantrage ich die Überweisung des Antrages federführend in den Finanzausschuss und mitberatend in den Bildungsausschuss.