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Thomas Lippmann zu TOP 3: Der sozialen Spaltung durch die Corona-Krise aktiv begegnen

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Weg zurück zur Normalität nach den Corona-Maßnahmen erweist sich als deutlich länger und konfliktreicher als es der Sturz in den Shutdown war. Besonders betroffenen Branchen und viele Menschen wenden sich mit einer Flut von Briefen und Hilferufen an uns Politiker.

Auch in dieser Krise gibt es wie immer Gewinner und Verlierer. Das zeigen Beispiele wie Amazon, das zeigt aber vor allem auch das Kursfeuerwerk der letzten Wochen an den Finanzmärkten. Der Dax hat den Kurseinbruch vom Beginn der Pandemie bereits zur Hälfte wieder ausgeglichen und hat aktuell schon wieder das Niveau vom Jahresbeginn 2019 erreicht. An der Börse ist offenbar weiterhin mehr als genug Kapital unterwegs. Die Großen brauchen die Hilfe des Staates nicht, auch wenn sie mal wieder am lautesten danach rufen.

Wir sehen die Aufgabe der Politik darin, dem sozialen Auseinanderdriften der Gesellschaft aufgrund der unterschiedlichen Betroffenheit von den Corona-Maßnahmen aktiv entgegenzuwirken und ohne Wenn und Aber diejenigen zu unterstützen, die unter den Auswirkungen der Schutzmaßnahmen tatsächlich leiden und Schaden nehmen. Unsere drei Anträge zeigen dabei das breite gesellschaftliche Spektrum derjenigen, deren persönliche Betroffenheit zu wenig im Focus des Regierungshandelns steht. Hier droht unserer Gesellschaft durch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie eine Verstärkung der sozialen Spaltung.

Denn im Gegensatz zu den Rettungsschirmen für die Wirtschaft ist die Unterstützung für bestimmte Bevölkerungsgruppen unzureichend und lückenhaft. So werden Soloselbstständige und Kleinunternehmer bisher trotz massiver Belastungen durch die Corona-Maßnahmen kaum unterstützt.

Vor allem Unternehmer und Beschäftigte in der Gastronomie und in der Hotel- und Reisebranche sind in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit massiv eingeschränkt. Und in vielen weiteren Berufsgruppen, ob als Dozentinnen und Dozenten oder Betreiber von Freizeiteinrichtungen, ist die Situation vergleichbar.

Aber auch eine große Zahl von Kreativen und Künstlerinnen und Künstlern ist betroffen. Die ihnen bisher gewährte einmalige Unterstützung von 400 Euro, die auch noch an eine Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse gebunden wird, ist ein wirklich kümmerliches Angebot im Vergleich zu den Regelungen in anderen Ländern. Für einen angemessenen Ausgleich der finanziellen Ausfälle ist diese einmalige Summe viel zu niedrig. Außerdem fallen viele Künstlerinnen und Künstler komplett durch das Netz, weil sie aus unterschiedlichen Gründen nicht Mitglied der Künstlersozialkasse sind. Was soll das? Das ist keine wirkliche Hilfe.

Wir fordern für alle Soloselbstständigen und Kleinunternehmer ein Grundeinkommen von 1.000 Euro monatlich. Wir wissen, dass der Wirtschaftsminister schon 1.200 € gefordert hat, allerdings nicht aus der Landeskasse, sondern vom Bund. Doch dort verhallt diese Forderung. Für die Betroffenen sind am Ende 1.000 € vom Land mehr als 1.200 € vom Bund, die nicht kommen. Man muss handeln und nicht nur versprechen.

Dieses Grundeinkommen soll unabhängig von den jeweiligen Tätigkeitsfeldern ab Mai für jeden Monat gezahlt werden, in dem diese Menschen durch die Verlängerung von Maßnahmen des Landes in ihrer Geschäftstätigkeit so eingeschränkt werden, dass sie daraus ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können. Es soll ohne Vermögenserhebung und ohne Anrechnung auf andere Einkommensarten gezahlt werden. Diese Hilfe zum Lebensunterhalt muss schnell, unbürokratisch und vollständig bei den Menschen ankommen.

Und auch für Studierende, die ihr Studium und ihren Lebensunterhalt durch Nebenjobs finanzieren müssen, haben die Corona-Maßnahmen gravierende soziale Folgen. Ihnen fehlt jetzt diese ökonomische Basis, weil die meisten Nebenjobs weggefallen sind. Dadurch kann der erfolgreiche Abschluss des Studiums gefährdet sein.

Das unwürdige Gezerre um die Hilfen für Studierende muss beendet werden! Statt die Studierenden in die Verschuldung zu treiben, wie es Frau Karliczek vorschlägt, fordern wir einen zusätzlichen Sozialfonds des Landes. Dieser soll durch die Studentenwerke verwaltet werden und für hilfebedürftige Studierenden monatlich eine Unterstützung von 450 € und einen Zuschuss zur Krankenkasse zahlen.

Darüber hinaus ist es für uns selbstverständlich, dass in der derzeitigen Situation durch die Hochschulen keine Langzeitstudiengebühren mehr erhoben werden, zumal wir diese gestern ja ab dem kommenden Wintersemester ohnehin abgeschafft haben.

Letztlich beantragen wir heute, Familien direkt zu unterstützen, die aus dem Bildungs- und Teilhabepaket einen Anspruch auf die Finanzierung einer Mittagsversorgung in Kindertageseinrichtungen und Schulen haben. In der Zeit der Schließung der Einrichtungen geraten viele anspruchsberechtigte Familien durch den Wegfall dieser Leistung zusätzlich in finanzielle Schwierigkeiten.

Es ist eine absurde Idee, das Essen an die betroffenen Familien auszuliefern, wie es das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorschlägt. Der logistische Aufwand ist viel zu hoch, außerdem entstehen erhebliche Zusatzkosten für die Auslieferung, die bezeichnender Weise der Bund auch nicht tragen würde.

Wie immer steckt dahinter das Misstrauen, das Geld würde sonst nicht bei den Kindern ankommen, obwohl schon mehrfach wurde, dass diese Vorurteile nicht zutreffen. Die vorhandenen Mittel sollen deshalb direkt an die Familien ausgezahlt und selbstverständlich auch nicht auf andere Leistungen angerechnet werden.

Um die Folgen der Krisen-Maßnahmen heute und auch künftig zu bewältigen und die soziale Spaltung der Gesellschaft nicht weiter zu vertiefen, sind diese und weitere Hilfsprogramme erforderlich. An den Fragen, was das alles kosten darf, für wen die Mittel eingesetzt werden und wer es am Ende bezahlen wird, entscheidet sich letztlich, welche Haltung man zu Solidarität, sozialem Ausgleich und gesellschaftlicher Stabilität einnimmt.

Um den enormen zusätzliche Finanzbedarf durch Krise decken zu können, dürfen Steuern auf keinen Fall gesenkt werden, ohne dafür an anderer Stelle einen Ausgleich zu schaffen. Wenn wir auf den größten Wirtschaftseinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg zusteuern, dann muss Kapital an den Finanzmärkten mobilisiert werden, um es für den realen Bedarf der Menschen und für den Erhalt von Arbeitsplätzen und unternehmerischen Strukturen einzusetzen.

Eine Sonderabgabe auf große Vermögen bleibt das Gebot der Stunde und nicht die Anhäufung weiter öffentlicher Schulden. Wir sehen die wichtigste Aufgabe in der Krise darin, soziale Problemlagen zu erkennen und Menschen davor zu schützen, unverschuldet in Not zu geraten. Es ist dabei aber nichts gewonnen, wenn die Schuldenlast weiter steigt und die Sozialversicherungssysteme massiv überlastet werden. Wenn sich immer wieder nur die Steuervermeider und Subventionsritter durchsetzen, ist der soziale Friede gefährdet.

Denn trotz der Lasten aus der Corona-Krise können die großen Herausforderungen für das Land nicht warten. Die Unterfinanzierung unsere Kommunen muss ein Ende finden, der milliardenschwere Investitionsstau muss auflöst werden, wir müssen die Qualität in Kitas und Schulen verbessern, zivilgesellschaftliche Strukturen stärken und vieles mehr. Das geht nicht mit immer neuen Schulden und Haushaltskürzungen.

Wir müssen jetzt mehr gegen den sozialen Abstieg ganzer Bevölkerungsgruppen tun, wir dürfen aber auch die Zukunft des Landes nicht mit immer größeren Hypotheken belasten. Wer das Land verantwortungsbewusst regieren will, muss endlich die Verbesserung der öffentlichen Einnahmen und damit eine andere Steuerpolitik auf die politische Agenda setzen. Sozial ist nicht nur, was Arbeit schafft, sozial ist, was den Reichtum gerecht verteilt und den Sozialstaat handlungsfähig macht.