Thomas Lippmann zu TOP 21: Verfassungsfeindlicher Propaganda in den Schulen konsequent entgegentreten
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ende des vergangenen Jahres hatte ein Schüler aus einer halleschen Berufsschule im Klassenzimmer den Hitlergruß gezeigt und war daraufhin von der anwesenden Lehrkraft angezeigt worden. Der Fall sorgte vor einigen Wochen in der Öffentlichkeit und auch schon hier im Parlament für heftige Diskussionen, weil bekannt geworden war, dass die Staatsanwaltschaft Halle die Ermittlungen gegen den Schüler eingestellt hatte. Als Grund wurde angegeben, dass das Klassenzimmer kein öffentlicher Raum sei und damit eine wesentliche Voraussetzung für die Strafbarkeit der Handlung nicht vorliegen würde.
Das Unverständnis und auch die Empörung über die Einstellung der Ermittlungen war groß – bei der Lehrkraft und in der Schule aber auch im politischen Raum. Es war der Eindruck entstanden, man könne neuerdings nationalsozialistische Symbole oder auch andere verfassungsfeindliche Propaganda in der Schule ungestraft zeigen und verwenden. Dem muss selbstverständlich entschieden entgegengetreten werden, denn dieser Eindruck ist natürlich falsch. Der Hitlergruß ist und bleibt ein verfassungsfeindliches Symbol und muss als Handlung von Schülerinnen und Schülern auch durch die Schule geahndet werden.
Allerdings ist außer der kurzzeitigen Empörung im politischen Raum bisher nicht erkennbar, dass es einen Plan gibt, wie jetzt gehandelt werden soll. Es wurde ja schnell in die Zeitung geschrieben, dass man Gesetze anpassen müsste, wenn es keine ausreichende Klarheit über die Strafbarkeit in der Schule gäbe. Aber ist das so? Die nebulösen Ankündigungen vom Bildungsminister sind aus unserer Sicht nur Säbelrasseln, um nicht selbst etwas machen und Position beziehen zu müssen. Denn herauskommen wird in Bezug auf eine Änderung im Strafgesetzbuch nichts. Es wird nicht einmal eine ernsthafte Initiative geben.
Wir halten nichts davon, die Lösung im Strafgesetzbuch zu suchen. Wir halten es weder für nötig noch für wünschenswert, schon gar nicht, wenn es sich um minderjährig Schülerinnen und Schüler handelt. Wir müssen nicht abwarten, sondern wir müssen jetzt etwas tun, Herr Tullner und es kann etwas getan werden. Dazu brauchen wir weder eine Prüfung durch die Generalstaatsanwaltschaft, ob in diesem konkreten Einzelfall der Klassenraum doch vielleicht ein öffentlicher Raum war noch brauchen wir dafür Gesetzesänderungen. Uns sind nicht etwa die Hände gebunden, wir müssen klare Haltung zeigen und die Mittel einsetzen, die uns bereits zur Verfügung stehen.
Die Grundlage für pädagogisches Handeln liefert unser Schulgesetz. In § 1 heißt der erste Satz des gesamten Gesetzes:
Der Auftrag der Schule wird bestimmt durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt.
In Absatz 2 heißt es dann weiter zum Bildungs- und Erziehungsauftrag:
(2) In Erfüllung dieses Auftrages ist die Schule insbesondere gehalten,
den Schülerinnen und Schülern Kenntnisse, Fähigkeiten und Werthaltungen zu vermitteln, welche die Gleichachtung und Gleichberechtigung der Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Abstammung, ihrer Rasse, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Identität, ihrer Sprache, ihrer Heimat und Herkunft, ihrem Glauben, ihren religiösen oder politischen Anschauungen fördern, und über Möglichkeiten des Abbaus von Diskriminierungen und Benachteiligungen aufzuklären, und
die Schülerinnen und Schüler zu Toleranz gegenüber kultureller Vielfalt und zur Völkerverständigung zu erziehen … .
Es kommt also nicht darauf an, ob die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbolik in der Schule eine strafbare Handlung nach dem Strafgesetzbuch ist. Die Verwendung von Nazi-Symbolik und Nazi-Rhetorik widersprechen in jedem Fall den grundlegenden Bildungs- und Erziehungszielen der Schule und müssen deshalb immer Gegenstand der pädagogischen Auseinandersetzung in den Schulen sein. Und das unabhängig davon, ob ein Einschreiten von Polizei und Justiz ggf. erforderlich ist.
Und liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist selbstverständlich auch die schulische Realität. Das zeigt ja gerade auch der Fall an der halleschen Berufsschule. Die Schulen wissen natürlich, dass das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole nicht ohne Sanktionen bleiben kann und verfassungsfeindlicher Propaganda konsequent entgegengetreten werden muss. Da müssen wir auch nicht – wie man so sagt – Eulen nach Athen tragen.
Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung steht leider zu befürchten, dass solche Vorfälle in den Schulen an Häufigkeit und Intensität zunehmen. Daten gibt es darüber vermutlich nicht, aber die massiven Versuche der AfD und anderen Akteuren der Neuen Rechten, Sprache und Denken des Dritten Reiches wieder gesellschaftsfähig zu machen, machen vor den Schultüren natürlich nicht Halt.
Deshalb kommt es darauf an, die Schulen zu bestärken, hier keine Gewöhnung eintreten zu lassen, solche Vorfälle nicht zu bagatellisieren oder gar zu übersehen. Deshalb ist es wichtig, dass der Landtag genau diese Erwartung an die Schulen formuliert und der Bildungsminister die Schulen auch darüber informiert. Die Schulen müssen wissen, dass ihr Handeln gegen verfassungsfeindliche Propaganda wichtig und richtig ist – heute mehr denn je!
Deshalb kommt es darauf an, die Schulen in die Lage zu versetzen, besser auf solche Vorkommnisse vorbereitet zu sein und angemessen darauf reagieren zu können. Hier soll das Bildungsministerium konkrete Initiativen entwickeln und einen Leitfaden erstellen, mit dem den Schulen aktuelles Wissen und Kompetenzen zur Verfügung gestellt werden. Die Schulen sollen verantwortliche Lehrkräfte benennen können, die durch Fortbildung in besonderer Weise befähigt werden, Situationen zu erkennen, zu bewerten, Handlungsvorschläge zu unterbreiten und in der erforderlichen Weise gegenüber anderen Behörden den Kontakt zu suchen oder als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.
Unser Schulgesetz fordert die Schulen auf, bei Fehlverhalten von Schülerinnen und Schülern immer und zuerst mit pädagogischen Maßnahmen zu reagieren. Dass dabei die Eltern einzubeziehen sind, ist eine Selbstverständlichkeit. Es ist aber ebenso darauf hinzuweisen, dass das Schulgesetz in § 44 auch die Anwendung Ordnungsmaßnahmen vorsieht, wenn die Schule dies zur Durchsetzung der Unterrichts- und Erziehungsarbeit für angemessen und erforderlich hält.
Auch wenn also die Staatsanwaltschaft im Falle des Hitlergrußes im Klassenzimmer eine strafrechtliche Relevanz verneint hat, besteht für die Schule immer noch die Aufgabe, sich mit dem Schüler auseinanderzusetzen und erzieherisch darauf hinzuwirken, dass sich solche oder ähnliche Vorfälle nicht wiederholen. Dazu können nach Entscheidung in Konferenzen Ordnungsmaßnahmen eingesetzt werden, die im Falle eines Berufsschülers auch bis zur völligen Verweisung von der Schule reichen können.
Aus unserer Überzeugung steht aber nicht die Bestrafung im Zentrum der schulischen Arbeit, sondern die Bildung und Erziehung der Heranwachsenden. Die Schule ist und bleibt ein ganz wichtiger Ort, um demokratische Haltungen zu entwickeln und menschenverachtenden Einstellungen und Handlungen sowie der Diskriminierungen von Minderheiten und Andersdenkenden entgegenzuwirken. Fraglos wachsen die Herausforderungen für die Schulen, wenn sich in der Gesellschaft insgesamt, besonders aber in den sozialen Medien Aggressivität und Hass immer weiter ausbreiten und wenn es politische Kräfte gibt, zu deren Strategie es gehört, Tabus zu brechen und die Verrohung von Sprache und Umgangsformen voranzutreiben.
Deshalb brauchen die Schulen mehr Unterstützung und unser Vorbild. Sie brauchen auch das Bewusstsein, dass diese Aufgaben erfolgreich gemeistert werden können. Es gibt viele gute Beispiele, die bekannt und verfügbar gemacht werden müssen, damit andere von diesen Ideen und Erfahrungen profitieren können. Es gibt eine ganz Menge, was hier bei uns konkret gegen rechten Ungeist getan werden kann. Wir sind für unsere Schulen verantwortlich. Wir müssen es anpacken und dürfen nicht warten oder uns nicht hinter einer angeblich fehlenden Klärung im Strafgesetzbuch verstecken.