Thomas Lipmmann zu TOP 8: Rettungsschirm für die Schulen in Sachsen-Anhalt!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor wenigen Tagen hat uns die Bildungsministerin nun endlich ihren Bericht zur Unterrichtsstatistik vorgelegt. Darin wird bestätigt, was schon im September absehbar war. Die Unterrichtsversorgung ist weiter im freien Fall. Mit nur noch 94% für alle Schulen ist sie erneut auf einen Tiefpunkt gesunken. Noch viel schlimmer sieht es in den einzelnen Schulformen. Mit 98% werden nur noch die Gymnasien so leidlich über Wasser gehalten. Doch dafür rutschen die anderen Schulen immer weiter ins Bodenlose. Mit 89% Unterrichtversorgung sind die Sekundarschulen in einen Bereich gefallen, den man sich bisher nicht vorstellen konnte. Nicht viel besser ergeht es den Gemeinschaftsschulen und den Förderschulen, die nur wenig darüber liegen. Der Verlust an Bildung ist gewaltig und er trifft vor allem die, die die meiste Unterstützung in der Schule brauchen.
Das Kind liegt im Brunnen und die Landesregierung hat keinen Plan, wie es da wieder herauskommen soll. Das Bildungsministerium wiederholt stereotyp die immer gleichen Ausschreibungen obwohl inzwischen klar ist, dass es für hunderte Stellen gar keine Bewerber*innen gibt. Die letzten Hoffnungen ruhen auf noch mehr Seiteneinsteigern und dem Erfolg von Kopfjägern. Das alles wird aber nichts daran ändern, dass die Lücken bei den Lehrkräften von Jahr zu Jahr größer werden. Wenn nicht endlich anders agiert wird, gibt es keine Aussicht auf Besserung – und zwar weit über das Jahr 2030 hinaus. Das ist die bittere Wahrheit für zehntausende Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern!
Die Ursachen für diese fatale Entwicklung sind hausgemacht. Was wir jetzt ausbaden müssen, wurde vor mehr als 10 Jahren verzapft. Mit den abstrusen Personalentwicklungskonzepten aus dem Finanzministerium, mit denen seit 2007 die gesamte Personalentwicklung im Land vor die Wand gefahren wurde. Doch die Verantwortlichen für das Fiasko konnten und können immer wieder ungestraft abtauchen, weil die Folgen ihrer Fehlprognosen und Fehlentscheidungen immer erst Jahre später sichtbar werden.
Doch alles, was wir heute beklagen, war absehbar. Man hätte es wissen können und man hätte es verhindern müssen. Es gab mehr als genügend Aufforderungen, den Kurs zu ändern – immer wieder auch hier im Parlament. Seit Anfang der 2000er Jahre gibt es Analysen zum Lehrkräftebedarf und Forderungen zur Lehramtsausbildung, mit denen der Landespolitik widersprochen wurde. Es wurde alles ignoriert und als lästige Nörgelei und Besserwisserei abgetan. Es macht fassungslos, mit welcher Penetranz sich CDU und SPD besseren Einsichten widersetzen und das Schulsystem unaufhaltsam in die Krise treiben.
Es gibt Verantwortliche für den Schlamassel und die heißen Prof. Wolfgang Böhmer und Dr. Reiner Haseloff. Sie haben Jens Bullerjahn in seinem Kürzungswahn freie Hand gelassen und applaudieren im offensichtlich bis heute. Dass der eine dem anderen jetzt den Verdienstorden des Landes umhängt, macht sprachlos und wütend. Es ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die den Karren aus dem Dreck ziehen müssen. Es ist bezeichnend für die Politik der letzten Jahre, dass eine rücksichtslose Kürzungspolitik gefeiert wird, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen, welchen Preis das Land und seine Menschen dafür bezahlen müssen. Wer ein solches Chaos anrichtet, verdient keine Auszeichnung. Vielmehr würde ein Ministerpräsident gebraucht, der dem Niedergang nicht weiter tatenlos zuschaut, sondern endlich Verantwortung für die Personalentwicklung im Land übernimmt.
Bei CDU und SPD gibt es offenbar kein Lernen aus den Fehlern. Es gibt weiterhin ein unfassbares Maß an Wunschdenken, Ignoranz und Verantwortungslosigkeit. Durch den Bericht der vom Landtag eingesetzten Expertenkommission zur Ermittlung des Lehrkräftebedarfs liegen seit mehr als drei Jahren belastbare Daten vor. Doch die klaren Vorgaben für die Ausrichtung und den Ausbau der Lehramtsausbildung wurden von der alten Kenia-Koalition nicht nur ignoriert, sie wurden wider besseres Wissen bestritten und bekämpft. CDU und SPD sind nicht bereit, der Realität Rechnung zu tragen.
Bei der Sicherstellung der Lehrkräfteversorgung versagt auch das für die Universitäten und die Lehramtsausbildung zuständige Ministerium. Erst unter Jan-Hendrick Olbertz, der die Lehramtsausbildung für die allgemeinbildenden Schulen in Magdeburg geschlossen hat und später unter Armin Willingmann, in dessen Zuständigkeit die notwendige Erweiterung in Halle und auch wieder in Magdeburg ebenso blockiert wurde und wird, wie die stärkere Ausrichtung am Bedarf der Unterrichtsfächer.
Alles, was die nächsten Generationen von Schülerinnen und Schülern ausbaden müssen, ist hier im Land entstanden, nirgendwo anders. Und nur wir können es ändern. Deshalb verbietet es sich, alles wie bisher weiterlaufen zu lassen. Wir können und dürfen nicht untätig zuschauen, wie sich Bildungsministerium und Landesregierung mit ihren Misserfolgen abfinden und die Schulen immer tiefer und immer länger in ein Tal der Tränen steuern. Allen muss klar sein, dass sich hier nichts von allein lösen wird. Wenn die CDU behauptet, ab 2025 würde sich die Situation durch sinkende Schülerzahlen entspannen, dann hat sie den Bericht der Expertenkommission schlicht nicht gelesen.
Denn das Gegenteil ist der Fall: Der massive Lehrkräftemangel wird in den weiterführenden Schulen mindestens bis 2030 andauern und, wenn die Weichen jetzt nicht anders gestellt werden, auch noch weit darüber hinaus. Und er wird sich deutlich verschärfen. Bis zum Ende der Wahlperiode wird die Gesamtversorgung unter 90% sinken. Während sich die Gymnasien weiter über 95% bewegen, werden die Sekundarschulen weiter auf 80% sinken. Und auch die Gemeinschaftsschulen und die Förderschulen werden unter 85% liegen. Mit dieser Landesregierung und dieser Koalition gibt es für die Schulen zurzeit kein Licht am Ende des Tunnels. Man kann es gar nicht so schwarz malen, wie es kommen wird
Mit den 800 Studienplätzen in Halle und den weiteren 200 in Magdeburg werden kaum zwei Drittel des künftig benötigten Lehrkräftenachwuchses ausgebildet. Es war ein Fehler, die Lehramtsausbildung in Magdeburg zu schließen und es ist ein Fehler, dass sie nicht schon längst wieder aufgebaut wurde. Zum nächsten Wintersemester muss die Lehramtsausbildung in Halle und in Magdeburg in den Mangelfächern um jeweils 200 Studienplätze erweitert werden. Dafür sind mit beiden Universitäten umgehend Zusätze zu den Zielvereinbarungen abzuschließen und die Erweiterung muss durch das Land natürlich voll ausfinanziert werden. Auch diese Erweiterung der Studienkapazität wird wahrscheinlich noch nicht ausreichen, aber es ist ein überfälliger Schritt, der jetzt unbedingt gegangen werden muss.
Ganz besondere Probleme gibt es nach der Analyse der Expertenkommission beim Lehramt an Sekundarschulen. Hier werden bis 2025 und darüber hinaus nur 20% des prognostizierten Bedarfs ausgebildet. Es gibt nicht nur zu wenig Studienplätze, es gibt vor allem viel zu wenige Interessenten, die in dieser Schulform arbeiten wollen. Die Trennung der Ausbildung für eine beliebte und für eine unbeliebte Schulform ist gescheitert. Statt die Ausbildung für das Lehramt an Sekundarschulen weiter ohne Erfolg fortzuführen, muss die Ausbildung für das Lehramt an Gymnasien als gemeinsame Laufbahn auf alle weiterführenden Schulen erweitert werden. Eine solche Reform würde auch zu einer erheblich besseren Nutzung der Ausbildungskapazitäten an den Universitäten und im Vorbereitungsdienst führen.
Diese Änderungen in der Lehramtsausbildung sind unverzichtbar, um den Mangel langfristig zu beenden. Die Situation in den Schulen wird sich dadurch aber erst ab dem Jahr 2030 grundlegend verbessern lassen. Bis dahin müssen kurzfristige Sofortmaßnahmen ergriffen werden. Dafür zeigen wir in unserem Antrag mehrere Zugänge auf.
Wenn auf lange Sicht massenhaft Lehrkräfte fehlen, dann müssen andere geeignete Menschen dauerhaft in den Schulen eingesetzt werden. Das können zusätzlich pädagogische Mitarbeiter*innen, Schulsozialarbeiter*innen und Sprachlehrkräfte sein. Das können aber auch Hilfskräfte zur Unterrichtsbegleitung, zur Assistenz und zur Unterstützung der Förderung sein. Die verbleibenden Fachlehrkräfte müssen sich ausschließlich auf die Erteilung von Fachunterricht konzentrieren können und der Fachunterricht muss für den Lernerfolg der Kinder und Jugendlichen so effizient wie nur möglich gestaltet werden.
Und wenn die Grundschulen ihren gesetzlichen Auftrag für die verlässliche Öffnungszeit von 5,5 Stunden durch den Personalmangel nicht mehr erfüllen können, dann können die Kinder nicht ohne eine sinnvolle Beschäftigung in der Luft hängen und nur beaufsichtigt werden. Die Angebote von Hortträgern, die Kinder früher in die Hortbetreuung zu übernehmen, gibt es schon lange und sie werden auch praktiziert. Das Bildungsministerium hat sich bisher nur geweigert, den Hortträgern die dadurch entstehenden Kosten zu erstatten. Dieser Streit muss jetzt ein Ende haben.
Die meisten unserer Vorschläge sind also nicht neu. Wir haben sie in der letzten Wahlperiode schon mehrfach hier im Plenum vorgetragen und im Bildungsausschuss diskutiert. Die CDU reagiert darauf ja gern patzig und mault rum, wir hätten gar keine Vorschläge. Dabei weigert sie sich nur, sie zur Kenntnis zu nehmen. Wenn sie das alles für untauglich oder unnötig halten und es im Bildungsministerium oder in der CDU dafür bessere Ideen gibt, dann raus damit, legen sie los.
Nur eins geht nicht: Weiter untätig zu bleiben und sich einfallslos hinter der nächsten erfolglosen Ausschreibung zu verstecken. Es geht nicht, mehr als die Hälfte der Schülerschaft in Sekundarschulen, Gemeinschaftsschulen und Förderschulen zu schicken und dort das Personal einfach ausbluten zu lassen. Es geht nicht, Geld, das für die Bildung der Kinder und Jugendlichen gebraucht wird, in Haushaltslöchern verschwinden zu lassen. Sie sagen ja selbst, der Mangel liegt nicht am Geld. Dann also los, wachen sie auf aus ihrer Lethargie, beenden sie ihr Wunschdenken, stellen sie sich der Wirklichkeit und krempeln sie endlich die Ärmel hoch.