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Stefan Gebhardt zu TOP 2: Entwurf eines Gesetzes zur Parlamentsreform 2020

Anrede,

Als LINKE haben wir in für die Parlamentsreform immer den Anspruch formuliert, dass es nicht vordergründig um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Abgeordneten gehen darf. Unser Anspruch als LINKE ist die umfassende Stärkung der Bürgerrechte – von der Volksgesetzgebung bis zum Petitionsrecht der BürgerInnen. Unser Anspruch war und ist die Modernisierung der Staatszielbestimmungen der Verfassung. Mit diesen Ansprüchen finden wir uns in dieser Reform wieder.

Sicherlich hätten wir uns mehr gewünscht zum Beispiel beim Thema Parite‘.  Und es ist kein Geheimnis, dass wir keine Freunde der Schuldenbremse sind, sondern in ihr eine Investitionsbremse sehen. Doch auch hier ist eine Formulierung gelungen, die uns weitegehenden Handlungsspielraum ermöglicht. Und diesen will meine Fraktion selbstverständlich nutzen

Für uns zählt das Gesamtergebnis, auf das sich die demokratischen Fraktionen dieses Hohen Hauses geeinigt haben.  Und deshalb steht meine Fraktion einstimmig zu dem vorgelegten Entwurf. Für uns ist besonders wichtig, dass mit der Parlamentsreform die Rechte der BürgerInnen selbst initiativ gegenüber dem Parlament zu werden, selbst Gesetze erfolgreich zur Abstimmung zu stellen, verbessert werden.

Das Element der Volksgesetzgebung, der direkten Demokratie wird mit der Absenkung der Quoren für die Volksbegehren von 9 auf 7 Prozent bedeutend gestärkt. Mit dem Gesetzentwurf wollen wir also mehr Demokratie wagen in Sachsen-Anhalt.

Wenn wir uns mit der Reform eine Reihe von neuen Staatszielen geben, so geschieht dies in einer Zeit, wo gerade beim Klimaschutz, bei der Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse, und der Bekämpfung des Rechtsextremismus neue Maßstäbe an unser Handeln gestellt werden. Zur neu vorgeschlagenen Klausel in Artikel 37a unserer Landesverfassung sagte ich bereits vorhin während der Einbringung kurz etwas. Ich will aber noch mal betonen, dass nach den bundesweit negativen Schlagzeilen, die Sachsen-Anhalt gemacht hat, hier die Botschaft ausgesandt wird: Die vier demokratischen Fraktionen haben verstanden wollen entsprechend reagieren.

In diesem Zusammenhang will ich auch erwähnen, dass sich die einbringenden Fraktionen darauf verständigt haben, den Begriff „Rasse“ aus unserer Verfassung zu streichen und stattdessen eine Ächtung von Rassismus aufzunehmen. Wir sehen hier bei uns im Land, wie unverblümt sich rassistisches Denken zunehmend wieder Bahn bricht.

Das Attentat vom 09. Oktober 2019 in Halle, die Angriffe und Drohungen gegen eine menschlich so vorbildliche Person wie Karamba Diaby möchte ich hier nur als jüngste Ereignisse erwähnen. Den Begriff der „Rasse“ aus der Verfassung zu streichen wird dieses Problem nicht schlagartig bekämpfen können; aber es ist dennoch ein überfälliger Schritt. Es ist aber nicht damit getan, all diese hehren Ziele in die Verfassung zu schreiben.

Denn nehmen wir z.B. Klimaschutz. Dieser verlangt tatkräftiges Handeln. Das betrifft nicht nur die CO2-Reduktionen, sondern auch den sozialen Ausgleich und mehr öffentliche Investitionen. Mit dem neuen Staatsziel Klimaschutz erhöhen wir die politischen Anforderungen an die Politik in Sachsen-Anhalt und das ist auch höchste Zeit.  

Erst recht gilt das für das neue Staatsziel „gleichwertige Lebensverhältnisse“.  Der krasse Widerspruch zwischen dem verfassungsrechtlichen Anspruch und der tristen Realität in Sachsen-Anhalt ist doch hier für alle Bürger besonders sichtbar und schlimm. Dort, wo Krankenhäuser geschlossen werden, Kinder immer längere Wege zur Schule zurücklegen müssen, kein Bus mehr fährt, kann von gleichwertigen Lebensverhältnissen eben keine Rede sein. Der Auftrag, dies zu überwinden, bekommt nun Verfassungsrang. Und das ist gut so!

Die Parlamentsreform kann und darf für uns kein Anlass zur Selbstzufriedenheit sein, denn die Kluft zwischen guten Verfassungsansprüchen und schlechter Verfassungswirklichkeit ist unübersehbar. Sie verweist auf große Ungerechtigkeiten im Lande. Das Papier der Verfassung mag geduldig sein, die Bürger, sind es immer weniger. Es sollte jedoch nicht verkannt werden, dass der vorliegende Gesetzentwurf ein deutliches Zeichen dafür ist, dass sich die demokratischen Fraktionen dieses Hauses diesen Problemen stellen. Das verdient Wertschätzung und das macht den heutigen Tag zu einem guten Tag für die Demokratie in Sachsen-Anhalt.