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Nicole Anger zu TOP 9: Die Pandemie ist nicht vorbei - Das Land muss sich den neuen Herausforderungen stellen

Sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst möchte ich im Namen meiner Fraktion allen Menschen unseren Dank aussprechen, die sich tagtäglich an die Schutzmaßnahmen halten, sich impfen ließen und lassen und aufeinander Rücksicht nehmen. Zu betonen sind allen voran die medizinischen, pflegenden und betreuenden Fachkräfte, auf deren Krafteinsatz und Wirken wir in dieser 4. Welle nun mehr denn je angewiesen sind.

Wir als LINKE werden auch weiterhin alles in unserer Macht Stehende tun, um eine Verbesserung ihrer gegenwärtigen Situation zu erreichen – wir klatschen nicht nur. Nein, wir streiten bestmöglich für ihr Anrecht auf bessere Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen – denn wo stünden wir heute, wenn sie alle nicht bis zu diesem Moment alles gegeben hätten?

Gut, nun zu unserem Antrag:

Die nun 4. Welle der Pandemie trifft uns mit Wucht. Insbesondere im Süden und Osten der Republik ziehen die Infektions- und Hospitalisierungsraten merklich an. Diese fatale Dynamisierung besteht bundesweit. Spät aber immerhin gab es gestern die Bund-Länder-Runde. Mit dem Virus haben sich seit Beginn der Pandemie fast 130.000 Menschen[1]in Sachsen-Anhalt infiziert und die Aussichten, dass diese Zahl nur langsam weiter ansteigen wird, stehen momentan mehr als schlecht.

Der Inzidenzwert unseres Landes steigt täglich und liegt seit gestern über 400, im Altmarkkreis Salzwedel ist er bereits bei fast 600. Hochdramatisch gestaltet sich die Situation bei den Kindern und Jugendlichen. In der Altersgruppe 5- bis 14-Jährigen haben mehrere Landkreise und kreisfreie Städte den Schwellenwert von 1000 schon seit einigen Tagen deutlich überschritten – Altmarkkreis Salzwedel, Harz, Halle, Magdeburg, Burgendlandkreis, Wittenberg - andere stehen kurz davor. 

Der Hospitalisierungswert wird mit einem Wert von 12 Stand heute, Tendenz steigend angeben. Das heißt im Klartext: Die Zahl der Menschen, die mit einer Covid-Infektion in ein Krankenhaus eingewiesen werden müssen, steigt schneller als die Intensivbetten wieder frei werden. Und laut Beschluss der MPK von gestern sind die Landesparlamente zur Umsetzung der weitergehenden Regelungen ab einem Hospitalisierungswert von 9 einzubinden. Eine Forderung die wir als LINKE schon am Beginn der Pandemie getätigt haben. Auch um möglichst viel Transparenz in die Entscheidungen der Landes für die Menschen zu bringen. Ich gehe davon aus, dass sich der SOZ sehr schnell zur Beratung einberufen wird und wir dann in diesem Parlament uns umgehend zu einer Sondersitzung treffen. Für meine Fraktion heißt das auch, dass wissenschaftliche Expert:innen in unsere Beratungen hinzugezogen werden sollen. Ihre Expertise hilft bei den Entscheidungen. Denn wir müssen entscheiden, in welcher Form der weitergehende Maßnahmenkatalog umgesetzt werden soll. Der Ministerpräsident hatte gestern schon angekündigt, dass er dies 1:1 tun wolle. Wir müssen klären, was das genau heißt.

Zu den Zahlen und Fakten, mit denen wir täglich konfrontiert werden, kommen Meldungen einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems und von Krankenhäusern. Die Anzahl der freien Intensivbetten reduziert sich rasant. Das Personal in Kliniken, aber auch in Pflegeeinrichtungen, in Kita, Schule, aber auch in den Gesundheitsämtern ist enormen Belastungen ausgesetzt und viele sind am Ende ihrer Kräfte! Selbst wenn wir mehr Betten in die Kliniken stellen würden, uns fehlt das Personal! Ausnahmen, wie im MPK-Beschluss, die Personalbemessungsgrenze zu öffnen, scheinen einfach. Aber dies führt dazu, dass das schon erheblich belastete Personal noch mehr zu tun hat, dass noch mehr an das Ende ihrer Kräfte kommen. Es müssen mehr Menschen zur Unterstützung eingestellt werden!

Deswegen: Politik muss handeln, und zwar JETZT! Und zwar HEUTE! Im Bund wie hier im Land! Es ist 5 nach 12 - um es mit Herrn Wieler zu sagen! Die Pandemie bekämpfen wir wirkungsvoll nur gemeinsam und solidarisch. Und wir bekämpfen sie schon gar mit solch einer peinlichen Showeinlage, wie wir es dort oben auf der Besuchertribüne gerade erleben. Man man….

Das wirksamste Mittel in dieser Pandemie sind nach wie vor die Impfungen. Ja, das Virus ist mutiert. Der Impfschutz gegenüber der grassierenden Delta-Variante liegt nicht bei 100%. Aber eine Impfung schützt vor deutlich schwereren Verläufen. Alles andere ist schlichtweg falsch. Und nachdem die Impfungen auf freiwilliger Basis gestartet sind, hat knapp jeder Zweite von drei Menschen in diesem Bundesland Gebrauch von unserem wirksamsten Instrument zur Bekämpfung der Pandemie gemacht.  Zahlen, die Mut machen, dennoch sind die Zahlen bei Weitem nicht ausreichend, um diese Pandemie in den Griff zu bekommen. Und wir dürfen nicht vergessen, ein Teil der Menschen kann sich nicht impfen lassen. Ich rede hier vor allem von Kinder, aber auch von Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen. Diese brauchen unseren Schutz, und unsere Solidarität.

Um die Impfquoten noch deutlich zu steigern als auch die Nutzung der Auffrischungsimpfungen, der sog. Booster-Impfungen umgehend anzubieten, muss das Land verstärkt auf Aufklärung und Information setzen. Dazu hat sich ja nun auch die MPK bekannt. Die Anzahl der Fake News, die über die Impfstoffe und deren Wirkungen kursieren, ist nicht nur erschreckend hoch, sondern muss als Anlass einer Intensivierung der Aufklärungsarbeit gesehen werden. Es liegt doch im Interesse aller, dass die Menschen erklärt bekommen, dass weder Bill Gates jemanden chipped, noch der Arm in Folge der Impfung abfällt und wer weiß, was da noch so alles im Raum steht.

Daher fordern wir die Landesregierung im Rahmen der Impfkampagne auf, jeder Einwohnerin, jedem Einwohner des Landes Sachsen-Anhalt ein Aufklärungspaket zukommen zu lassen. In diesem soll ein Anschreiben mit persönlicher und ausdrücklicher Bitte, sich impfen zu lassen enthalten sein. Darüber hinaus müssen diesem Paket auch Informationen beiliegen, in denen die gängigen Impfreaktionen erläutert sind – und ich rede hier vordergründig von körperlichen Reaktionen, die schlichtweg normal und nach kurzer Zeit wieder weg sind: der bekannte „Impfarm“, Schlappheit, Müdigkeitserscheinungen etc. 

Des Weiteren soll eine Übersicht beigefügt werden, in der die Termine und Orte für Impfungen in der Region dargestellt sind. Menschen müssen eindringlich vermittelt bekommen, wann sie wo schnell die Möglichkeit haben, diesen für uns alle so wichtigen Pieks zu bekommen. Unterstützend dazu brauchen wir eine für die Menschen erreichbare Impfhotline, bei der auch am Wochenende oder zu den Abendstunden Nachfragen zu den Impfungen gestellt werden können, Unsicherheiten ausgeräumt werden. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei den Mitarbeitenden im Sozialministerium, die bisher das Corona-Infotelefon managen. Wir müssen aber explizit auch das Informationsangebot ausbauen!

Und kommen die Menschen nicht zu den Impfungen, müssen die Impfungen zu den Menschen kommen. Wir alle wissen, dass unser Netz des Gesundheitssystems große Löcher hat, dass nicht alle Hausärzt:innen bereit sind, Impfungen anzubieten. Deswegen: Aufsuchende Impfungen!  Es gilt – und dazu haben Sie auch unseren Änderungsantrag vorliegen: Alle Impfzentren müssen wieder geöffnet werden. Wir brauchen sie dringend als Anlaufstellen für die Menschen. In der Stadt, in den Stadtteilen genauso wie auf dem Land, in den Dörfern! In einem Flächenland wie Sachsen-Anhalt ist es unabdingbar, den ländlichen Raum mit einem besonderen Fokus in den Blick zu nehmen. Dazu müssen verstärkt mobile Impfteams in Regionen eingesetzt werden, dort wo einerseits die Menschen zusammenkommen und andererseits um Versorgungslücken zu schließen. Und dafür sind alle Hausärzt:innen verpflichtend einzubinden. Und es müssen auch neue, andere Wege in den Blick genommen werden: Apotheker:innen, Gesundheitsämter, Zahnärzt:innen – sie alle sollten das Impfen unterstützen.

Für uns als LINKE müssen solche Angebote auch sozial verträglich gestaltet sein – es muss einem jeden Menschen in diesem Bundesland ermöglicht werden, ohne eigenen Mehraufwand – insbesondere finanziellen Mehraufwand – ein Impfangebot wahrnehmen zu können! 

Daher fordern wir von der Landesregierung, dass Fahrdienste zu Impfangeboten voll und ganz landesseitig finanziert werden. Mit der Vergabe eines Termins soll somit eine kostenfreie Beförderung verbunden sein – und um das ausdrücklich zu betonen: Diese Regelung darf NICHT auf den ÖPNV begrenzt sein, da auch eben nicht jedes Dorf auf eine gut angebundene ÖPNV-Struktur zurückgreifen kann. Und denken Sie dabei bitte vor allem an unsere ältere Generation. Diese hat zurecht als eine der ersten ihre erste Impfung bekommen. Sie brauchen jetzt schnell den sogenannten Booster. Aber für manch einen ist ein weiter Weg oder das lange Anstehen für die Impfung nicht machbar.

Und ich möchte auch daran erinnern, dass auch Menschen ohne Krankenversicherung oder Aufenthaltspapiere gemäß Verordnung ein Anrecht auf die Impfung haben. Und auch sie müssen mit entsprechender Ansprache über die Impfkampagne erreicht, eingeladen und abgeholt werden!

Weiterhin muss es ein Anliegen der Arbeitgebenden sein, dass sich Infektionen nicht in ihren Unternehmen ausbreiten. Sie können neben den regelmäßigen Testangeboten und den entsprechenden Arbeitsschutzmaßnahmen auch bei den Impfungen unterstützen. Wir fordern eine Verpflichtung von Arbeitgeber:innen und Unternehmen für ihre Mitarbeitenden einen Sonderurlaub von 2 Tagen zu gewähren, wenn diese sich impfen lassen: Also die Freistellung am Tag der Impfung und Folgetag. Eine Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum muss garantiert sein! Und ich will an dieser Stelle einmal deutlich sagen, unsere Wertschätzung muss allen gelten, die sich in dieser Pandemie solidarisch zeigen, die sich impfen lassen, die regelmäßig die Testmöglichkeiten nutzen, die die Alltagsschutzmaßnahmen anwenden. Impfverweigerer sind nicht nur eine Gefahr für sich selbst, sondern auch für unser Gesundheitssystem.

Übertragungen des Virus können aber nur durch eine hohe Impfquote in der Bevölkerung wirklich effektiv unterbunden werden. Daher fordern wir als Fraktion – ganz besonders mit Blick auf die vulnerablen Gesellschaftsgruppen - mindestens eine berufsgruppenbezogene Impfpflicht. Und wir begrüßen es, dass sich nicht nur Wissenschaftler:innen dazu bekennen, sondern auch die MPK dies endlich erkannt hat.  Und meine Damen und Herren, über das müssen wir JETZT entscheiden! Denn wir wissen, der volle Schutzwirkung setzt erst 14 nach der vollständigen, in vielen Fällen der zweiten Impfung, ein! Und damit wir da auch ganz sicher sein können, fordern wir eben auch eine Testpflicht für alle Tätigen nicht nur wie die MPK beschloss in Einrichtungen der Pflege und Gesundheit, sondern auch in KiTa, Schule und Jugendeinrichtungen. Diese Tests sind selbstverständlich anzuwenden unabhängig von dem Status geimpft oder genesen. Diese Tests müssen natürlich kostenfrei sein, denn wir sehen es als Aufgabe des Landes, Infektionsketten frühzeitig zu durchbrechen und so für die Gesundheit aller Sorge zu tragen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollgen,

die MPK hat sich in keiner Weise zu Schulen und Kitas geäußert. Dieses regelmäßige Testen muss auch für alle Kinder und Jugendlichen sowie alle Beschäftigten in der Schule und Kita gelten. Gerade die unter 12-Jährigen haben noch nicht die Möglichkeit einer Impfung. Und alle zwischen 12 und unter 18 Jahren entscheiden darüber nicht allein. Und, ich habe es eingangs gesagt, in der Altersgruppe der 5- bis 14-Jährigen verzeichnen wir die höchsten Infektionszahlen. Während beim 1. FCM das Gesundheitsamt die positiv getesteten Spieler und ihre Kontaktpersonen in Quarantäne geschickt werden – ja das ist auch richtig und wichtig so – Stichwort Infektionskette unterbrechen - , gilt dies für unsere Kinder in der Schule NICHT. In Quarantäne geht nur das Kind mit dem positiven Testergebnis. Lehrer:innen berichteten mir, dass Eltern ihre Kinder, welche Kontaktpersonen sind, dann aus Sorge zu Hause behalten, teilweise ist das dann die ganze Klasse. Meist weil es in den Familien auch vulnerable Gruppen gibt. Verständlich.

Oder wie drückte es ein Vater in einem offenen Brief auf Twitter aus: „Ich bitte Sie inständig, für unsere Kinder und auch deren vorerkrankte Angehörige: Nehmen Sie wieder klassenweise … [oder gar] schulweise Kinder und […] Lehrkräfte in Quarantäne!“ und weiter schreibt er an die Bildungsministerin gerichtet: „Frau Feußner, ich bitte Sie inständig, setzen Sie unverzüglich die Präsenzpflicht aus und ermöglichen Sie damit den Eltern, schnell und flexibel zu reagieren. Was denken Sie, wie es den Kindern geht, die jeden Tag in die Schule müssen, obwohl es dort bekanntermaßen eine [Infektion] gibt, während die krebskranke Mutter zu Hause ist?“.

Der Brief sollte Ihnen, Frau Ministerin Feußner, bekannt sein. Und ich sage ganz deutlich: Lassen Sie uns diese 4. Welle der Pandemie nicht auf dem Rücken der jungen Menschen austragen! Den jungen Menschen im Land wurde in den ersten Phasen der Pandemie viel Verzicht von Lebensqualität abverlangt, ja sogar auferlegt. Und die meisten waren mit der älteren Generation solidarisch, da wir für alle keinen Impfstoff hatten. Das hat sich ja glücklicherweise geändert. Aber wo bleibt jetzt die Solidarität mit den jungen Menschen, die sich noch nicht impfen lassen können? 

Lassen sie mich zum Schluss noch festhalten: Die regierungstragenden Fraktionen neigen und neigten ja immer dazu, Anträge der Linken generell abzulehnen. Aber gerade dieser Antrag von uns scheint ja eine in dieser Pandemie fast rat- und sprachlose Landesregierung zu inspirieren, und man mag ja behaupten, sie habe es auch in den Bund getragen. Kaum ist er im Informationssystem des Landtages eingestellt, beginnt die Landesregierung die von uns geforderten Punkte abzuarbeiten. Umso mehr freue ich mich, wenn Sie ihrem eigenen Handeln hier und heute auch gleich zustimmen werden. Dann bekommen Sie Ihr Agieren in der Situation auch von uns noch demokratisch legitimiert.

Man sieht also, dass wir als Opposition Ihre Aufgabe übernommen haben, Ideen entwickeln und vor allem darauf achten, was die Menschen brauchen.

Dahingehend fordere ich Sie auf, unserem Antrag zuzustimmen!

Herzlichen Dank!!