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Monika Hohmann zu TOP 7: Große Anfrage "Pflegekinderwesen in Sachsen-Anhalt" - Strukturen des Pflegekinderwesens verbessern - Alleinerziehende besser unterstützen

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

„Zufriedene Pflegefamilien wirken sich auf die Gewinnung neuer Pflegefamilien als beste Werbung aus.“  Dieser Satz einer Mitarbeiterin im Pflegekinderwesen trifft „den Nagel auf den Kopf“.

Wir wollten mittels unserer Großen Anfrage von der Landesregierung die Hintergründe zu den Ursachen, den Herkunftsfamilien und zur Lebenssituation der Pflegekinder erfahren.An dieser Stelle möchte ich mich bei den Landkreisen und kreisfreien Städten, die auf unsere Fragen antworteten, recht herzlich bedanken. In meinen Ausführungen werde ich nun auf einige wesentliche Ergebnisse der Anfrage eingehen.

Vollzeitpflege § 33 SGB VIII - Hilfen für Kinder, Jugendliche und junge Menschen unter 18 Jahren

  • Die Zahl der unter 18-jährigen in Vollzeitpflege gemäߧ 33 SGB VIII hat seit 2010 stark zugenommen. Lag sie 2010 bei 1918 Jugendlichen, befanden sich 2017 insgesamt 2650 Jugendliche in Vollzeitpflege.
  • Von den insgesamt 2650 Pflegekindern in Sachsen- Anhalt nahm der Burgenlandkreis 2017 mit insgesamt 379 die höchste Anzahl an Pflegekindern auf, gefolgt vom Harzkreis mit 297. Am geringsten nahm die Stadt Dessau- Roßlau Kinder in Vollzeitpflege auf, nämlich 52.
  • Obwohl die Vollzeitpflege mit 18 Jahren endet, verbleiben immer mehr Jugendliche in den Pflegefamilien und müssen so, wenn sie einer Ausbildung nachgehen, von ihrer Ausbildungsvergütung 75% an das zuständige Jugendamt abtreten (Antrag zur Änderung dieser Regelung liegt von uns im Sozialausschuss).
  • 163 junge Menschen von 18 bis unter 21 Jahren verblieben 2017 in Sachsen- Anhalt in der Vollzeitpflege. Im Jahr 2011 waren es noch 104 Jugendliche. Auffällig ist, dass erstmals mehr weibliche Jugendliche in der Vollzeitpflege verblieben als männliche Jugendliche.
  • Von den 191 Kindern und Jugendlichen, die 2017 außerhalb von Sachsen- Anhalt bei Pflegeeltern untergebracht sind, kommen allein 135 aus der Stadt Halle.
  • Am längsten verbleiben Kinder und Jugendliche im Alter von 14-18 Jahren in der Vollzeitpflege. Im Jahr 2017 betrug die Verbleibdauer 61 Monate.

Status der Herkunftsfamilien

Nach Auskunft der Landkreise und kreisfreien Städte erhalten die Herkunftseltern überwiegend Sozialleistungen (Hartz IV, Sozialhilfe) und verfügen oftmals über keinen Schul- und Berufsabschluss. Sie leben alleinerziehend oder getrennt bzw. in wechselnden Partnerschaften. Ebenfalls sind sie oft gesundheitlich beeinträchtigt bzw. psychisch erkrankt. Ihre Erziehungsfähigkeiten sind eingeschränkt bzw. sie besitzen wenige soziale Kompetenzen.

Woran liegt es, dass hauptsächlich Alleinerziehende von der Inobhutnahme ihrer Kinder betroffen sind?

In wissenschaftlichen Untersuchungen findet man oft Befunde dahingehend, dass sich Alleinerziehende weniger mit Nachbarn, Freunden, Verwandten und Bekannten treffen, sie weniger Veranstaltungen besuchen und ebenfalls an einem Defizit an Freizeitaktivitäten leiden. Gründe seien hierfür die Eigenverantwortung für ihre Kinder, aber auch eingeschränkte Wohnverhältnisse und vor allem finanzielle Einschränkungen. Klar wurde auch, dass sich die Folgen des Alleinerziehens nicht von denen der Einkommensarmut und der sozialen Ausgrenzung trennen lassen.

Deshalb, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, finden Sie auch in unserem Antrag hierzu unter Punkt 3, dass in einem ersten Schritt Hilfen und Unterstützung für Alleinerziehende in Sachsen-Anhalt auszubauen sind und ein entsprechender Maßnahmenkatalog zu erarbeiten ist.

Zahl der betreuten Pflegekinder je Vollzeitstelle

Die Angaben der Landkreise und kreisfreien Städte lassen erkennen, so die Aussage der Landesregierung, dass der Pflegekinderdienst in den letzten Jahren mitunter einen Stellenaufwuchs erfahren hat.  Aus der Fachpraxis besteht die Forderung, eine Fallzahlbegrenzung für die Fachkräfte im Pflegekinderdienst festzuschreiben. Dabei sollte je nach Pflegeform und Aufgabenzuschnitt unterschieden und daran angepasste Obergrenzen festgelegt werden. Dazu heißt es: „Die Fallbelastungen sollten je nach Pflegeform und Aufgabenzuschnitt zwischen etwa zwölf für besondere Pflegeformen und höchstens 35 für die allgemeine Vollzeitpflege liegen." Teilweise wird eine Begrenzung auf 25 Fälle pro Vollzeitfachkraft im PKD gefordert, so auch von dem Rechtswissenschaftler Prof.Dr.Dr.h.c.Reinhard Wiesner, "Vater" des SGB VIII. Nur die Stadt Halle hält sich an diese vorgeschlagene Obergrenze.

Vergleich Kosten Pflegekind/Heimkind pro Jahr

Bei der Ausgestaltung der Zusatzbeträge, Erziehungsbeträge, Beihilfen, Kosten für Weiterbildungen und Ferienfreizeiten für Pflegefamilien zeigt sich eine enorme Spannbreite in Sachsen-Anhalt, da die Landkreise und kreisfreien Städte diese Kosten in sehr unterschiedlicher Höhe bezuschussen.

Hier möchte ich zwei Beispiele aufzeigen:  Bei den Ferienfreizeiten und bei Urlaubsfahrten gibt es unterschiedliche Zuwendungen in den Landkreisen und kreisfreien Städten. Während der Altmarktkreis Salzwedel und der Landkreis Stendal keine Kosten übernehmen, sind es in Magdeburg bis zu 280 € bei einem Eigenanteil von 30€. Im Landkreis Mansfeld Südharz sind Einzelfallentscheidungen bis 500€ möglich. Das 2. Beispiel: Im Jahr 2017 betrugen die Kosten je Pflegekind im Jerichower Land durchschnittlich 8 030 € und im Landkreis Wittenberg 12 000 €. Hier sind wir der Auffassung, dass die Landesregierung angehalten werden sollte, den Beschluss des Landtages Drs. 7/430 vom 30. September 2016 umzusetzen. Die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden halte ich für zielführend, denn es muss uns gelingen, gleichwertige Rahmenbedingungen für Pflegeeltern in Sachsen-Anhalt zu schaffen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Abschluss möchte ich für unseren Punkt 2 im Antrag werben.

Der Landesverband für Pflege- und Adoptiveltern im Land Sachsen-Anhalt e. V. hat sich jüngst mit einem Schreiben an die Landespolitik gewandt, in dem er eine institutionelle Förderung durch das Land vorschlägt. Notwendig sei diese durch die geplante Gründung einer Landesgeschäftsstelle. Die antragstellende Fraktion hält die beantragte institutionelle Förderung in der Sache für angemessen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!