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Monika Hohmann zu TOP 16: Wohnungsunternehmen unterstützen, um Hilfsangebote für Mieter*innen zu erleichtern

Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

zu Beginn meiner Rede möchte ich Ihnen einige Zahlen nahebringen.

Im Jahr 2020 hatten wir 2626 Zwangsräumungen. Das sind pro Arbeitstag 10 Räumungen. Für das Jahr 2021 liegen uns die Zahlen noch nicht vor.

Aus einer jüngst veröffentlichten Antwort des Arbeitsministeriums auf eine Anfrage von Dietmar Bartsch geht hervor, dass jeder zweite Arbeitnehmer in Sachsen-Anhalt derzeit so wenig verdient, dass nach 45 Jahren Vollzeit eine Rente von unter 1300 Euro brutto droht. Nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge sind das rund 1160 Euro monatlich ausgezahlte Nettorente. In Sachsen- Anhalt sind davon 258.727 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen. Damit müssen 52 Prozent der Vollzeitbeschäftigten mit einer schmalen Rente rechnen - trotz ein komplettes Arbeitsleben.

Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung nehmen bis zu 60 Prozent der Rentnerinnen und Rentner ihren Anspruch auf Grundsicherung nicht wahr. In Sachsen- Anhalt waren laut Statistik im Jahr 2020 7370 Rentnerinnen und Rentner im Grundsicherungsbezug. Wenn man dann die fehlenden 60% hinzurechnet, reden wir von 18425 Personen die anspruchsberechtigt wären. Hauptgrund für die Nichtinanspruchnahme ist das Stigma mit dem Gang zum Sozialamt.

Deshalb ist das für viele keine Option. Vielmehr verzichten die Betroffenen dann eher und schauen, dass es irgendwie weitergeht, notfalls auch mit einer trockenen Scheibe Toastbrot am Ende des Monats.

Sehr geehrte Damen und Herren,

bei Altersarmut geht es nicht nur ums Geld – sondern auch um Einsamkeit.

Ein weiteres Beispiel ist die Kinderarmut in unserem reichen Deutschland. Sachsen- Anhalt liegt im Vergleich aller Bundesländer mit einer Quote 26,2%, also jedes 4. Kind, an vorletzter Stelle, Stand März 2022. Wann eine Kindergrundsicherung auf Bundesebene kommt, ist ungewiss.

Ein vorletztes Beispiel:

Der Schuldneratlas Deutschland 2021 weist für Sachsen- Anhalt eine Schuldenquote von 11,56 Prozent aus. Hier belegen wir wieder bundesweit den vorletzten Platz. Dabei zeigen die 60- bis 69-Jährigen als einzige Altersgruppe einen Anstieg der Überschuldungsfälle und -quote. Das ist ein Anteil von 6%.

Zum Schluss meiner ausgesuchten Beispiele, komme ich zum Bereich der Bildung.

Auch hier nehmen wir eine der „rühmlichen“ letzten Plätze im Bundesvergleich ein. Im Schuljahr 2020/2021verließ fast jeder 10. Jugendliche die Schule ohne Abschluss. 11% der Schülerinnen und Schüler beendeten ihre Schullaufbahn mit einem Hauptschulabschluss. Addiert man beide Summen, können wir sagen, dass jeder 5. Jugendliche entweder ohne oder nur mit dem Hauptschulabschluss die Schule verlässt. Und das, meine Damen und Herren, ist ein Armutszeugnis für unser Land, dass so dringend gut ausgebildete Fachkräfte benötigt. Ich sage nur, Intel.

Sehr geehrte Damen und Herren,

was ist nun die Antwort der Landesregierung auf diese Ergebnisse?

Bei der hohen Quote der Schüler und Schülerinnen ohne Abschluss, setzt das Land auf Schulsozialarbeiter*innen. Das ist ein guter Ansatz, wenn da nicht die ständigen Querelen zur Finanzierung der Schulsozialarbeit wären.

Wenn ich mir die Situation bei den überschuldeten Bürger*innen ansehe und im Haushalt den Status quo bei der Finanzierung der Schuldnerberatungsstellen feststelle, wird es hier ebenfalls keine langfristige Unterstützung geben. Die Beratungsstellen sind jetzt schon am Limit.

Und wie sieht die Unterstützung beim Wohnen aus?

In meiner Kleinen Anfrage zu den Zwangsräumungen in Sachsen- Anhalt fragte ich expliziert danach. Die Antwort der Landesregierung hieß: „

Spezielle Landesprogramme zur Beschaffung von Wohnraum für Menschen und Familien, die in Wohnungsnot geraten sind bzw. ihre Wohnung verloren haben und obdachlos geworden sind, bestehen derzeit nicht. Das Land Sachsen-Anhalt fördert jedoch mit verschiedenen Programmen den sozialen Wohnungsbau. Der dadurch geschaffene Wohnraum steht den Haushalten, die sich am Markt nicht mit angemessenem Wohnraum versorgen können, zur Verfügung. Damit trägt der soziale Wohnungsbau dazu bei, der Gefahr von Obdachlosigkeit vorzubeugen.“

Nun frage ich mich allen Ernstes, welches soziale Wohnungsbauprogramm die Landesregierung derzeit umsetzt. Die Förderrichtlinie für den sozialen Wohnungsbau ist bis heute nicht in Anspruch genommen wurden und wir werden wieder einmal die Gelder aus der Bundesförderung zurückzahlen müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren, in den letzten Monaten bin ich landesweit bei verschiedenen Wohnungsunternehmen gewesen. Dabei interessierten mich folgende Themen: die Inanspruchnahme der Förderrichtlinie zum sozialen Wohnungsbau, der Umgang mit Mietschulden und Zwangsräumungen, die Problematik der Altschulden, die Entwicklung von Quartieren, die soziale Durchmischung beim Wohnen und auch die Problematik der Altschulden.

Je größer die Wohnungsunternehmen waren, desto mehr kreative Lösungen zur Bewältigung der Probleme konnten umgesetzt werden.

So agieren viele Unternehmen mit eigenen Fachpersonal, sei es aus der Rechnungsabteilung oder aber aus der Sachbearbeitung. Einige haben sogar Sozialarbeiter*innen eingestellt. Die Erlebnisse, die sie vor Ort bei den Schuldner*innen gemacht haben waren sehr unterschiedlich. Ein Unternehmen berichtete, dass sie auf Mieter*innen gestoßen sind, die weder lesen noch schreiben konnten, sowie auch auf Personen, die noch nicht einmal wussten, dass es so etwas wie Wohngeld oder Grundsicherung gibt.

Kleinere Wohnungsunternehmen berichteten mir, dass sie für die aufsuchende Betreuung kein Personal haben und auch nicht die Möglichkeit hätten, welches zu finanzieren.

Sehr geehrte Damen und Herren,

aus meinen eingangs dargestellten Befund, meinen Besuchen in den Unternehmen vor Ort, sowie den aktuell steigenden Preisen bei Strom, Heizung und den Lebenshaltungskosten, haben wir überlegt, wie können wir kurzfristig und nachhaltig Mieterinnen und Mieter unterstützen?

Unseren Lösungsvorschlag finden Sie in unserem Antrag. Wenn es uns gelingen würde, eine aufsuchende Betreuung hinzubekommen, wären wir schon einen kleinen Schritt weiter. Wir setzen daher auf die Wohnungsunternehmen, da diese einen besseren Zugang zu ihren Mieter*innen haben. Unterstützung bei Antragsstellungen oder auch bei Zahlungsschwierigkeiten können helfen, Mietschulden, Stromsperren oder gar Zwangsräumungen zu verhindern.

Falls Sie einen weiteren oder besseren Vorschlag haben sollten, sind wir sehr daran interessiert und würden sehr gern mit Ihnen im Ausschuss diskutieren.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!