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Kristin Heiß zu TOP 17: Schluss mit dem Verfassungsbruch der Landesregierung

Sehr geehrte Damen und Herren,

Frau Präsidentin!

Seit dem 1. Oktober ist der Landtag vom Haushaltsinformationssystem der Landesregierung abgeschnitten. Das System ist nicht erreichbar. Kein Parlamentarier kann recherchieren, wie sich der laufende Haushalt entwickelt und daraus Rückschlüsse für künftige Bedarfe ziehen.

Diese Situation ist sinnbildlich für das Gebaren der Regierung in der Haushaltsaufstellung. Das Parlament wird dumm gehalten und wer nicht – wie die Koalition – über einschlägige Informationen verfügt, bleibt im Dunkeln.

Im Dunkeln bleibt auch, wann die Landesregierung gedenkt, dem Landtag einen Haushalt vorzulegen. Wahrscheinlich – so hört man – erst im Dezember.  Wenn es so kommt, reden wir über einen traurigen Tiefpunkt in der Geschichte unseres Landes. Nicht ein einziges Mal seit 1993 ist ein Haushalt so spät eingebracht worden wie dieser.  Eigentlich sollten wir laut Landeshaushaltsordnung schon längst über den Haushalt diskutieren und nicht darüber, warum er nicht vorliegt.

Dabei begann alles ganz unspektakulär: Mitte März verkündet Finanzminister Schröder, dass man zur Deckung des Haushalts in die Rücklagen und in die Steuerschwankungsreserve greifen müsse.  Wenige Tage später forderte der Innenminister und CDU-Vorsitzende eine Korrektur der seit 2016 herrschenden großzügigen Finanzpolitik. Also kein Griff ins Sparschwein. Ab da wurde es ungemütlich für den Finanzminister. Im Juni sogar so ungemütlich, dass er sein Amt niederlegen musste. Ganz ohne Gram, wie er sagte.  Schon am nächsten Tag hatten wir einen neuen Finanzminister: Den langjährigen Staatssekretär Michael Richter. Ein erfahrener Mann also, der schon mit Jens Bullerjahn diverse Haushalte aufgestellt hat.

Der haushaltsgestählte Neu-Minister verkündete Anfang August, dass alles nach Plan laufen würde, der Haushalt im September das Kabinett passieren und im Oktober in den Landtag eingebracht werden würde. Auch eine Verabschiedung in diesem Jahr wäre noch möglich. Dann herrschte lange Stille. Erst Ende September gab es dann wieder News, und was für welche!  Da fand am 24. September eine – schon beinahe legendäre – Kabinettspressekonferenz zum Haushalt statt. Zwar ohne Pressemitteilung und Zeitplan, auch ohne Haushaltsbeschluss, dafür aber mit einem Ministerpräsidenten, der gemeinsam mit seinem Finanzminister einen – Achtung, neues Wort! – Grundlagenbeschluss des Kabinetts zum Haushalt vorstellte.

„Grundlagenbeschluss“ heißt übersetzt: Wir haben uns zum Teil geeinigt, aber eben noch nicht alles in Sack und Tüten. Aber wir verkaufen das jetzt schon mal und tun so, als wären wir fast durch. Es ginge ja nur noch um Details, sagte der Ministerpräsident. Spannend war, dass die Vorschläge, die schon im März gemacht wurden, der Griff in die Rücklagen und in die Steuerschwankungsreserve, auch jetzt wieder auf den Tisch kamen. Diesmal allerdings als Grundlagenbeschluss des gesamten Kabinetts! Das zu kam noch der Vorschlag zur Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Dabei waren diese Vorschläge doch ausschlaggebend dafür, dass der damalige Finanzminister ohne Gram gehen musste.  Noch am Tag der Pressekonferenz wurde der Haushalt von der CDU-Fraktion abgelehnt. Kurz danach folgenden auch die Koalitionspartner. Was für ein Chaos! Eindeutiger kann eine Fraktion ihren Ministerpräsidenten nicht abstrafen!

An dieser Stelle kommen wir zu einer spannenden Frage: Warum wurde der Haushalt eigentlich zurückgenommen? Wie man hört, war es der Ministerpräsident der ihn zurücknahm. Drohte ihm das gleiche Schicksal wie dem Finanzminister? Und wenn ja, dann scheint es hier gar nicht um den Haushalt und das Landeswohl zu gehen, sondern nur um einen Posten! Und falls es nicht so war, warum wurde dann der Haushalt nicht dem gesamten Parlament hier im Plenum vorgelegt? Gestern kam dann aus der CDU-Fraktion die Aussage, die Grunderwerbsteuer nun doch erhöhen zu wollen. Das setzt dem ganzen Haushaltschaos in Kenia die Krone auf. Für jeden Beobachter, der gestern Zeitung las, bleibt nur ungläubiges Kopfschütteln.

Und noch etwas läuft hier grundlegend schief: Finanzminister Richter hat im Juni seinen Amtseid abgelegt und geschworen, seine Kraft dem Wohle des Volkes zu widmen und Verfassung und Gesetz zu wahren. Alle Damen und Herren auf der Ministerbank haben diesen Eid geschworen. Und die versammelte Landesregierung verletzt diesen Amtsschwur auf eklatante Weise.  Denn Artikel 93 der Landesverfassung verlangt, dass der Haushalt jeweils im Vorjahr beschlossen werden muss. Dieses Prinzip der Vorherigkeit ist ein wichtiger Haushaltsgrundsatz, der das Budgetrecht, das Königsrecht des Parlaments sichert.

Alle Beteiligten sind dazu verpflichtet, den Haushalt rechtzeitig und verfassungsgemäß zu verabschieden. Ausgerechnet dieses hohe Verfassungsprinzip verletzt die Landesregierung – nicht irgendeine Verordnung oder einen Erlass – die Regierung bricht die Verfassung, die zu wahren sie geschworen hat.  Und die drei Koalitionsfraktionen tun mit ihrem Alternativantrag hier so, als wäre alles in Butter, als würde es durch diesen späten und verkorksten Haushalt keine Nachteile für dieses Land geben. Aber eine vorläufige Haushaltsführung hat ganz konkrete Folgen für die Menschen in Sachsen-Anhalt!

Ich will Ihnen einige Beispiele nennen: Bei jeder Gelegenheit loben Regierungsmitglieder und Koalitionäre, wie wichtig neue Investitionen und Demokratieprojekte sind.

Vorgestern wurden hier Sofortprogramme zum Schutz von Gotteshäusern sowie zur Stärkung demokratischer Bildung gefordert. Der Ministerpräsident sagte: „Lange waren wir zu zögerlich. Jetzt müssen wir umfassend handeln.“

Aber Sie können gar nicht handeln! Mit einer vorläufigen Haushaltsführung können Sie keine neuen Investitionen anstoßen, können Sie kein neues Sicherheitspersonal einstellen und können Sie keine neuen Projekte starten. All das geht erst, wenn der Haushalt beschlossen, vertitelt und veröffentlicht ist. Aber wann wird das sein? Wenn wir ihn im März beschließen, könnte frühestens im Mai Geld fließen, oder eben erst im Juni oder Juli.

Und dann kommen die Sommerferien und die Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung gehen in ihren wohlverdienten Urlaub. Mittel für Vorhaben, die schon im Oktober 2019 dringlich und überfällig waren, können womöglich erst nach dem Sommer 2020 beschieden und ausgezahlt werden.

Haben Sie darüber mit den vielen Menschen und Verbänden gesprochen, denen Sie gerade Verstärkung und schnelles Handeln zusagten? Haben Sie darüber mit der ohnehin schon überlasteten Polizei gesprochen? Oder mit den Religionsgemeinschaften?

Eine Folge ist übrigens auch, und das weiß der Finanzminister ganz genau: Es kann mindestens im kommenden Jahr nicht so viel Geld ausgegeben werden, wie geplant. Die vorläufige Haushaltsführung setzt hier ganz klare Grenzen. Die nicht ausgegebenen Gelder fließen komplett in die Rücklagen des Landes.

Ist Ihnen, werte Landesregierung, das alles nicht unglaublich peinlich? Schämen Sie sich nicht, dieses Land mit ihrem koalitionszentrierten von Eigeninteresse getriebenen Gezänk in so eine Lage gebracht zu haben?

Was für ein Armutszeugnis für diese Regierung!

Ihnen scheinen Parteiinteressen und das Durchbringen eigener Positionen wichtiger zu sein als das Wohl dieses Landes. Die Wunschprojekte der vergangenen Jahre und das möglichst lange Verharren im Wahlamt stehen offenbar über den Interessen, Problemen und Nöten der Menschen in diesem Land. Der Kleinkrieg in der Koalition und zwischen den Ministerien macht dieses Land kaputt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Was auch immer die Landesregierung nun tut: Sie verstößt gegen die Verfassung. Und mindestens genauso schlimm: Sie nötigt die Legislative, uns Abgeordnete, mit diesem Verhalten, ebenso gegen die Verfassung zu verstoßen.

Das können wir nicht hinnehmen und beantragen deshalb eine Missbilligung der Landesregierung!