Kristin Heiß zu TOP 10: Schwimmbadfonds für wohnortnahe Schwimmbäder einrichten. Schwimmunterricht für alle Kinder gewährleisten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Badesaison hat gerade begonnen und auch wenn uns das Wetter heute nicht ganz einladend vorkommt: Der Sommer steht in den Startlöchern. Sicher ist Ihnen der lange, heiße und trockene Sommer des vergangenen Jahres noch in Erinnerung. Viele Frei- und Schwimmbäder hatten eine Rekordsaison. Die zusätzlichen Eintrittsgelder haben dazu beigetragen, dass sich die oftmals defizitären Bäder noch ein weiteres Jahr über Wasser halten konnten. Aber wie wird es 2019? Und wie wirkt sich die finanziell desolate Lage der Bäder auf die Schwimmfähigkeit unsere Kinder aus?
Schwimmen sollte so selbstverständlich sein wie Radfahren, Schreiben und Lesen. Aus gutem Grund ist Schwimmen verpflichtender Teil des Unterrichts in der Grundschule. Dass Schwimmen dennoch nicht selbstverständlich ist, zeigen uns immer wieder statistischen Zahlen und Ergebnisse, die die DLRG herausgibt. Unsere Kleine Anfrage zum Thema hat ergeben, dass aktuell am Ende der Grundschule nur etwa 75 Prozent der Kinder sicher schwimmen können. Und: Am Ende der 4. Klasse sind rund 8 Prozent der Kinder immer noch Nichtschwimmer.
Wann ein Kind „sicher“ schwimmen kann, definieren die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz. Sicheres Schwimmen heißt, mindestens das Schwimmabzeichen Bronze zu schaffen. Und das schaffen in Sachsen-Anhalt eben nur noch drei von vier Kindern nach der Schulzeit. Das ist zu wenig.
Schwimmen ist und bleibt ein unverzichtbarer Teil des Bildungsauftrags. Schwimmen ist dabei mehr als nur Sportunterricht. Anders als Fußball und Turnen ist Schwimmen ist eine Kulturtechnik, die im Ernstfall Leben rettet.
Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Kinder in diesem Land weiterhin sicher schwimmen lernen. In den vergangenen Jahren sind dieser Möglichkeiten in Sachsen-Anhalt weniger geworden. Jedes vierte Schwimmbad wurde dem seit Jahr 1990 geschlossen, das sind mehr als 65 Bäder.
Besonders im ländlichen Raum werden die Wege zu den Schwimmbädern immer länger. Von einem flächendeckenden Netz kann in einigen Regionen Sachsen-Anhalts keine Rede mehr sein.
Lange Wege zu den Schwimmbädern führen außerdem zu übervollen Stundenplänen, denn mitunter nimmt der Schwimmunterricht mit An- und Abreise den gesamten Schultag ein. Alle anderen Fächer, die sonst auf fünf Schultage verteilt werden können, müssen dann in die übrigen vier Tage gequetscht werden. Was wir außerdem im Land beobachten können, ist ein Wandel von reinen Sportbädern hin zu privat betriebenen Spaßbädern in den Städten. Eine Rutsche hinunter zu rutschen oder im Wellenbad zu surfen macht aber noch keinen sicheren Schwimmer.
Der Betrieb von Schwimmbädern ist nach jetzigem Recht freiwillige Aufgabe der Kommunen. Gleichzeitig sind Schwimmbäder Orte gesellschaftlicher Begegnung, von Sport- und Freizeitgestaltung und Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Nun ist der Betrieb eines Schwimmbads per se defizitär und unsere Kommunen sind nicht ganz so üppig mit Finanzmitteln ausgestattet, wie es der Finanzminister gern zu erklären versucht – das wissen wir alle aus unseren Wahlkreisen und kommunalen Mandaten. Wir dürfen die Kommunen an dieser Stelle nicht allein lassen. Der Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt sieht das genauso und fordert, dass Freibäder nicht länger grundsätzlich als freiwillige Aufgabe gelten sollten, damit die Mittel in finanziell schwierigen Zeiten nicht einfach gestrichen werden können. Es gibt weitere Einrichtungen, die zwar als freiwillige Aufgabe angesehen werden aber aufgrund ihrer Bedeutung für den öffentlichen Bildungsauftrag eine immense Bedeutung haben. Dazu zählen beispielsweise öffentliche Musikschulen, Bibliotheken oder Jugendclubs. Auch Schwimmbäder brauchen hier eine Aufwertung und die Kommunen mehr Unterstützung durch das Land.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben einen Verfassungsauftrag, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Dazu zählt aus unserer Sicht auch die Möglichkeit, das Schwimmen zu erlernen.
Bei den größer werdenden Lücken im Netz, können wir diese Aufgabe nicht allein den Eltern und den Kommunen überlassen. Eltern, Lehrkräfte und Kinder müssen Schwimmbäder zeitnah und wohnortnah erreichen können.
Das ist eine entscheidende Herausforderung für uns alle. Daher braucht es auch vom Land mehr Unterstützung und in diese Richtung geht unser Antrag.
Der Sanierungsstau unserer kommunalen Bäder liegt laut Antwort auf unsere Kleine Anfrage bei rund 40 Millionen Euro. Hier müssen wir ansetzen mit einem Programm, das den Kommunen hilft, notwendige Sanierungen durchzuführen und weitere Schließungen zu verhindern.
Wir müssen heute anfangen, um die nächste Generation der Schülerinnen und Schüler überhaupt noch zu erreichen und sicherzustellen, dass Schwimmunterricht so stattfinden kann, dass jedes Schulkind nach der 4. Klasse sicher schwimmen kann.
Denn wenn das nicht der Fall ist und die Zahl der Nichtschwimmer weiter ansteigt, befinden wir uns bald in einem Teufelskreis: Wo kein Schwimmbad ist, kann man nicht schwimmen lernen, wer nicht schwimmen lernt, wird auch niemals Rettungsschwimmer, wo keine Rettungsschwimmer sind, kann auch kein Schwimmbad betrieben werden.
Dass es in Sachsen-Anhalt überhaupt noch 22 Schwimmhallen und 110 Freibäder gibt, ist neben der Kreativität viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern bei der Finanzierung dieser und auch den vielen ehrenamtlichen Helfern vor Ort zu verdanken. Ohne das Engagement von Eltern, Großeltern, Rettungsschwimmern und Verwaltungsexperten sähe die Lage noch deutlich schlechter aus.
Ich möchte Ihnen zwei Beispiele nennen:
Das Schwimmbad in Niederndodeleben im Landkreis Börde konnte bis weit nach der Wende durch die Gemeinde betrieben werden. Dann aber bekam das damals noch eigenständige Dorf Finanzprobleme. Um das Schwimmbad weiter zu betreiben, gründete sich im Jahr 2014 ein Verein und pachtete das Bad. Dank der ehrenamtlichen Arbeit der vielen Vereinsmitglieder konnte der Betrieb des Freibades vorerst gesichert werden.
Und doch reichte das Geld nicht, um das eigentliche Problem zu lösen: Denn das Bad in Niederndodeleben ist immer noch auf DDR-Standard und damit veraltet, vor allem fehlt eine moderne Filteranlage. Vom Gesundheitsamt gab es glücklicherweise über Jahre Ausnahmegenehmigungen für den Betrieb. Im Jahr 2017 war damit leider Schluss. Nachdem die Behörde immer wieder erhöhte Keimbelastungen festgestellt hatte, kam die Anordnung: Das Bad bleibt vorerst zu. Das ist auch heute noch so.
In Niederndodeleben gibt es nun dank eines Bundesprogrammes Hoffnung. Für die Sanierung des Bades werden 3,7 Millionen Euro benötigt, rund 2 Millionen davon gibt der Bund dazu. Wenn alles gut geht, kann das Bad in der Sommersaison 2021 wieder öffnen und dann sogar mit moderner Filteranlage. Was jedoch bisher ungeklärt ist, sind die jährlich auftretenden ca. 200.000 Euro Betriebskosten. Mit den Einnahmen von 30.000 Euro im Jahr kommt der Verein nicht weit.
Ein anderes aber auch sehr kreatives und von Ehrenamt getragenes Betreibermodell wurde in Langenweddingen gefunden. Hier ist die Kommune weiterhin Betreiber, ein im Jahr 2012 gegründete Verein kümmert sich um den Unterhalt des Bades, trägt die Personal- und Sachkosten. Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger vor Ort hat es ermöglicht, dass in den vergangenen Jahren die Beckenböden erneuert werden konnten und so das Freibad auch in diesem Jahr zu Christi Himmelfahrt wieder seine Tore öffnet.
Wie wichtig das Freibad im Ort ist, zeigt die Anzahl der Vereinsmitglieder. Von den rund 2.00 Einwohnern sind gut 200 Mitglied! Durch das große Engagement konnte in den vergangenen Jahren nicht nur der Badebetrieb aufrechterhalten werden sondern sogar Schwimmunterricht angeboten werden. Im Jahr 2017 wurden 70 Schwimmstufen vom Seepferdchen bis zum Gold-Abzeichen abgenommen.
Das ist für ein kleines Schwimmbad in der Börde eine erstaunliche Zahl und zeigt, dass der Bedarf an Schwimmbädern mehr als vorhanden ist.
Doch auch in Langenweddingen gibt es einen großen Sanierungsbedarf. Das Becken muss erneuert werden, eine Filteranlage wird benötigt und ein neues Toilettengebäude ist notwendig. Der Sanierungsbedarf wird auf ungefähr 1 Millionen Euro geschätzt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Es gibt zahlreiche solcher Beispiele in Sachsen-Anhalt. Ohne das große Engagement der Menschen vor Ort sähe die Statistik zu den Nichtschwimmern und Badeunfällen in diesem Land deutlich schlechter aus.
Wir sehen das Land hier in der Pflicht, sich finanziell und strukturell mehr zu engagieren. Wir fordern daher einen Schwimmbadfonds in Höhe von jeweils 5 Millionen Euro für die Jahre 2020 und 2021 aus dem die Kommunen Geld für die Sanierung und den Betrieb der Bäder erhalten können. Außerdem soll die Landesregierung regelmäßig über die Entwicklung der Anforderungen an den Schwimmbadfonds berichten und die personelle Situation in den Schwimmbädern absichern.
Eine Aufnahme des Schwimmens als eigenständigen Leistungsnachweis im Grundschulzeugnis können wir uns vorstellen, weil dies das Bewusstsein für die Schwimmfähigkeit unserer Kinder schärft und aufwertet.
Kinder bis zum 14. Lebensjahr sollten zudem gebührenfreien Zugang zu Schwimmbädern erhalten. Geld darf keine Hürde dafür sein, auch außerhalb der Schulzeit Schwimmen zu lernen, ob mit den Eltern oder den Freundinnen und Freunden. Die Landesregierung solle daher prüfen, welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssten und welche Einnahmeausfälle der Kommunen dabei zu kompensieren wären.
Und nun, verheerte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, noch einige Worte zu ihrem Alternativantrag. Ich musste lachen, als ich ihn las, denn damit haben wir einen Schwimmbadfonds oder Schwimmbadfonds. Außerdem ist der Antrag mitnichten eine Alternative sondern eher eine Änderung. Sie übernehmen drei unserer fünf Punkte und packen noch einen eigenen drauf. Alle Maßnahmen, die eine schnelle Verbesserung der Situation für Nutzer*innen und Schwimmbäder führen würde, nehmen sie heraus. Also kein Geld für die Sanierung und Betriebskosten der Bäder, keine gebührenfreie Nutzung für Kinder bis zum 14. Lebensjahr. Obwohl sie selbst in Ihrer Antragsbegründung von einem offensichtlichen Sanierungsstau sprechen, ergehen Sie sich lieber in Prosa. Das wundert mich doch sehr, habe Sie doch in Ihren Reihen Kolleginnen und Kollegen, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigen.
Ein Teil der Fakten meiner Rede entstammen einer Kleinen Anfrage des Kollegen Meister zu Freibädern in Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 2018. Dort scheint offensichtlich ein Interesse am Thema.
Im erwähnten Schwimmbad in Langenweddingen ist die Kollegin Schindler sehr aktiv. Sie ist sich offensichtlich über die Relevanz dieser öffentlichen Einrichtung im Ort bewusst.
Und wie ich hörte, ist auch der Kollege Heuer ein leidenschaftlicher Freibadgänger. An Christi Himmelfahrt wird er zur Saisoneröffnung des Freibades in Langenweddingen zum öffentlichen Anbaden erwartet. Bei so viel persönlichen und körperlichen Engagement wundert mich ihr lapidarer und halbherziger Antrag schon sehr. Wir werden uns dazu enthalten.
Ich kann Ihnen an dieser Stelle schon mal versprechen, dass uns dieses Thema auch in den Haushaltsverhandlungen beschäftigen wird. Also packen Sie schon mal die Badehose ein.
Herzlichen Dank!